renate eichmeier |
|
Militärattaché, Kriegsverbrecher, Abenteurer Feature, B2 radioZeitreisen 2010 (Länge 24') mit Hemma Sophia Michel, Andreas Neumann, Heinz Petrer, Technik: Susanne Harasim, Redaktion und Regie: Ulrich Klenner Eine Brücke im Potsdamer Stadtteil Klein Glienicke wurde nach ihm benannt und eine Zigarettenfabrik benutzte werbewirksam seinen Namen – Enver Pascha war im Wilhelminischen Berlin bekannt und beliebt. Als überzeugter Nationalist hatte er sich 1908 an der jungtürkischen Revolution beteiligt, die sich gegen die überalterten Strukturen des Osmanischen Reiches wandte und einen modernen türkischen Nationalstaat wollte. Die Jungtürken propagierten teilweise extrem nationalistische Ideen bis hin zu der panturkistischen Vorstellung einer Vereinigung aller Turkvölker in einem Staat, ausgehend vom Balkan über Anatolien bis hin zu den Uiguren in China. 1909 kam Enver als Militärattaché nach Berlin. Er war gern gesehener Gast auf Empfängen, lernte schnell Deutsch, intensivierte die militärische Zusammenarbeit, schrieb belehrende Liebesbriefe an seine 14jährige Verlobte in Konstantinopel und verschwand immer wieder aus Berlin, um sich an den Kämpfen in den Krisengebieten auf dem Balkan und in Nordafrika zu beteiligen. 1912 kehrte er nach Konstantinopel zurück und machte einen rasanten Aufstieg. Im jungtürkischen Triumvirat nahm er als Kriegsminister neben Talat Pascha und Cemal Pascha eine führende Position ein. Während des Ersten Weltkrieges stellte er Teile des türkischen Militärs unter deutschen Oberbefehl und war einer der Hauptverantwortlichen für den Völkermord an den Armeniern. Für ihre Verbrechen wurden die Mitglieder des Triumvirats nach der türkischen Kriegsniederlage von einem Sondergericht in Konstantinopel zum Tode verurteilt. Doch da lebten sie längst mit falscher Identität unter dem Schutz ihrer ehemaligen Verbündeten in Berlin. Talat Pascha und Cemal Pascha wurden von armenischen Untergrundaktivisten umgebracht. Enver ging nach Turkestan, um dort für seine panturkistischen Ideen zu kämpfen. 1922 kam er bei einem Gefecht ums Leben. |