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Sardinien: Vom 08. bis 15. Juni starteten Edgar Bergstein, Christian Brünig, Beat Hauser, Marcello Modica, Kerstin Schorer zur Erkundung der Industriekultur in Sardinien. Uns standen mit Marcello und Edgar gleich 2 Reiseführer zur Verfügung. Hier der Reisebericht: Informationen zur Insel von Edgar Bergstein Die Insel SardinienSardinien ist die größte Mittelmehrinsel und gehört politisch zu Italien. Bis auf die Städte ist die Insel schwach besiedelt. Besonders die alten Bergbauregionen sind heute stark entvölkert. Verlassene Häuser und Ortschaften zeugen vom Wegzug der Menschen. In den Bergregionen existiert kaum Landwirtschaft. In den abgelegenen Regionen sind die kurvenreichen Straßen zum Teil nicht asphaltiert. Spätestens seit 4000 v. Chr. Ist die Insel bewohnt. Die
erste Hochkultur war die Nuraghenkutur. Sie hinterließ uns viele Steinbauten
und rund 500 Kleinplastiken (Figuren) aus Bronze. Die Karthager beendeten diese
Periode. Obwohl zu Italien gehörend, bezeichnen sich die Einwohner als Sarden.
Trotz vieler Bemühungen ist Sardinen bis heute ein strukturschwacher Raum. Die Erzlagerstätten verteilen sich über die ganze Insel.
Doch es gibt einen Schwerpunkte. Das größte Erzrevier befindet sich bei
Iglesias im Südwesten von Sardinien. Hier wurden Blei, Zink, Silber und Kupfer
gefunden. Direkt im Anschluß daran liegt bei Carbonia das einzige
Braunkohlenrevier. Daneben existieren einzelne Lagerstätten verstreut über der
ganzen Insel. Die bedeutendstens sind bei Argentiera (Blei-Zink) und Silius
(Fluoritlagerstätte). Daneben gibt es kleinere Lagerstätten mit weiteren
Metallerzen, z. B. Eisen-, Nickel-, Kobalt-, Zinn-, Molybdän- und Wolframerz. Die Entwicklung des Bergbaus bis zur Industrialisierung
Die ersten Spuren vom Bergbau reichen bis in den Zeitraum
4000 v. Chr. zurück. Bei Oristano am Monte Arci wurde Obsidian abgebaut. Die
Nuraghener entwickelten dann ab dem 2. Jahrtausend v. Chr. einen unfangreichen
Kupferabbau im Gebiet der Gennargentu im Zentrum der Insel. Das geförderte
Kupfer ermöglichte eine lang anhaltende Bronzezeit. Schließlich entwickelte
sich im Südwesten auch die Bleierzförderung. Mit der Eroberung der Insel durch
die Karthager zwischen 800 und 400 v. Chr. kam der Bergbau zum erliegen. Erst
mit der Machtübernahme durch die Römer im Jahr 239 v. Chr. erlangte der
Bergbau wieder an Bedeutung. Die Römer brachten neue technische Einrichtungen
und Verfahren mit und intensivierten den Bergbau. Reste von Schmelzanlagen und
Schlacken bezeugen an vielen Orten die Bergbautätigkeit. In den Bergwerken
arbeiteten viele Sklaven. Nach dem Verfall des römischen Reiches im 5.
Jahrhundert kam der Bergbau wieder zum erliegen. Erst im 11 Jahrhundert nach der
Machtübernahme durch Pisa nahmen die neuen Herrscher mit Bergleuten aus der
Toskana den Bergbau wieder auf. Sie gründeten die Siedlung Villa Ecclesiea, das
heutige Iglesias. Der Bergbau erhielt eine moderne private
Gesellschaftsstruktur. Im Gegensatz zu den herrschaftlichen Regalgesätzen auf
dem Festland existierten hier private Gesellschaften. Mit der Machtübernahme
durch die Spanier im Jahr 1323 endete auch diese Epoche des Bergbaus. Die
reichen Gold- und Silbervorkommen in Amerika machten die Erze auf Sardinien
uninteressant. Infolge der spanischen Erbfolgekriege kam Sardinien unter die
Herrschaft von Savoyen-Piemont. Diese unternahmen 1746 bis 1959 durch den
schwedischen Konsul in Cagliari, Mandel, den Versuch, den Bergbau neu zu
beleben. Doch erst mit dem Beginn der Industrialisierung in Europa und der
einsetzenden Nachfrage nach Rohstoffen setzte eine erneute Bergbautätigkeit
ein. Der moderne Bergbau
Im Jahr 1848 wurde das piemonteser Bergbaugesetz eingeführt. Dieses ermöglichte die Vergabe von Konzessionen. Zusammen mit der einsetzenden Nachfrage entwickelte sich der Bergbau in den folgenden Jahren sehr schnell. Im gleichen Jahr erfolgte die Vergabe der Konzession für Montevecchio und im Jahr 1850 für Monteponi. Die Kohlenförderung nördlich von Carbonia im Ort Bacu Abis begann 1853 und die Eisen- und Kupfergewinnung im Jahr 1854. Sprengstoff fand seit 1850 Verwendung. Zeitgleich mit dem einsetzenden Bergbau erfolgte die geologische Erforschung der Insel. Aufgrund des fehlenden sardischen Kapitals entstanden die Bergwerk überwiegend durch ausländischen Gesellschaften. Dies führte dazu, daß die Weiterverarbeitung fast ausschließlich auf dem Festland erfolgte und die Auftragslage der Bergwerke und die Lage der Bevölkerung sehr stark von der Nachfrage abhingen. Mangelhafte Organisation, das Fehlen der Folgeindustrien und Infrastrukturen führten in den Jahren 1890 bis 1899, 1908 bis 1910, 1921 und 1929 bis 1935 fast zum Stillstand im Bergbau. Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal, die Arbeitszeiten betrugen 12 Stunden, die geringen Löhne von denen auch Arbeitsmaterialen bezahlt werden mußten und der fehlende Wohnraum führten immer wieder zu Streiks unter anderem in den Jahren 1866, 1880, 1890, 1904, 1906 und 1920. Die Streiks wurden mehrfach gewalttätig beendet und es kam immer wieder zu Toten unter den Bergarbeitern. Ab 1935 setzte mit dem Autarkiebestreben Italiens unter Mussolini die Bergbautätigkeit verstärkt ein. Die Produktion steigerte sich bis 1939, verringerte sich wegen der Transportschwierigkeiten und brach 1943 schließlich wieder ein. Gleichzeitig erschloß man die Lignitlagerstätte im Südwesten. Für die mehreren 10000 Arbeiter entstand ab 1938 die Stadt Carbonia. Noch heute prägen die monumentalen Bauten dieser Epoche das Stadtbild und machen es einzigartig. Nach dem zweiten Weltkrieg entstand ein großer Bedarf an Kohle und die Bergwerke steigerten ihre Förderung. Ab den 1960er Jahren sank die Kohlenförderung und der Erzbergbau warf seit Beginn der 1970er Jahren keinen Gewinn mehr ab und arbeitete mit staatlicher Hilfe bis zu Beginn der 1990er Jahre weiter. Im August 1993 wurde eine neue Gesellschaft gegründet, die die Bergwerke bis zur endgültigen Verwahrung verwalten soll. Sie heißt Minieraria Iglesiente und übernahm 357 Beschäftigte. Heute sind die Bergwerke bis auf ein Kohlebergwerk alle geschlossen. Als neuer Industriezweit will man sich den Tourismus erschießen. Nur so ist es zu erklären, das die staatlicher Bergwerksgesellschaft durch die „IGEA SpA“ innerhalb der letzten Jahre eine Reihe von sehenswerten Bergbaumuseen eingerichtet hat. Dazu kommen die Initiativen der Stadt Iglesias und der Kohlenbergwerksgesellschaft. Unterstützt durch EU-Gelder entstand eine große Dichte an Bergbaudenkmalen und Museen, die eine Reise lohnen. Bei Silius befindet sich heute das letzte aktive Erzbergwerk Sardiniens. Fünf aktive Schächte konnte ich zählen. Es wird eine Fluoritlagerstätte abgebaut. Vom Betonförderturm über moderne Stahlfördergerüste bis zum kleinen Hilfsgerüst sowie einer großen Aufbereitung ist alles vorhanden. Gute Übersicht über sardischen Bergbau gibt es hier: http://www.minieredisardegna.it |
© Christian Brünig Stand: 03.09.2009 Dank an |