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Zum Thema "Brigadebuch" (10.05.1999): Besuch der Delegation der Deutschen Gesellschaft für Industriekultur (DgfI) beim Mitteldeutschen Umwelt- und Technikpark (MUT) Zeitz
Ankunft: 13.06 Uhr von Leipzig in Zeitz Nach der feierlichen Begrüßung übermittelt das Mitglied des Vorstands der DgfI, W. Rediensch dem Geschäftsführer des MUT, Genossen A. Esho die solidarischen Grüße der Mitglieder der DGfI und überreicht, der Hoffnung auf viele gemeinsame fortschrittliche Projekte und der allseitigen Entwicklung der Industriekultur, der Denkmalpflege und des gemeinsamen Kampfes gegen die ausbeuterische Abrißbirne Ausdruck verleihend, einen Wimpel. Den zähen und mutigen Kampf der Kollegen aus dem westlichsten Bundesland würdigend übermittelt Genosse Esho die schärfsten Grüße seiner Mitarbeiter und Glieder an die Delegation der DGfI. Betonend, dass hier ein Meilenstein der allseits entwicklungsfähigen Beziehung der kampferprobten Vereine geschlagen werden kann, überreicht er dem Genossen Rediensch als Zeichen der gegenseitigen Verbundenheit einen Wimpel. In Fortführung des gemeinsamen Kampfes werden zunächst die Funktionen in der spontan gebildeten Brigade verteilt, der Erkenntnis folgend, dass täglich Selbstkritik der unzuverlässigen Genossen vonnöten sein wird. Anmerkung: auf die historischen und architektonischen Beschreibungen kann teilweise verzichtet werden, da durch die wertvolle und nachhaltige revolutionäre Unterstützung der Vorhut der ArbeiterInklasse, des MUT und der Straße der Braunkohle, die Beschreibungen in Volkseigentum übergegangen worden sind: http://www.mut-zeitz.de/inhalt.htm. Zunächst besichtigen wir die Brikettfabrik "Herrmannschacht" Zeitz: MUT-Projekt mit vielen kommunalen Mitgliedern und 45 - 70 ABM - Kräften, die sich oft zu Beginn einen alten Stuhl oder umgedrehte Getränkekiste in einen Winkel stellen. Die großen handverarbeiteten Schraubenschlüssel beeindrucken, sie werden erhitzt und der Stiel gebogen für unzugängliche Arbeiten. Improvisierte und XXL - Größen waren sehr gefragt.Die 1889 auf der Basis eines Vorgängewerkes von 1858/71 errichtete Brikettfabrik ist die einzige erhaltene der 1. Generation und beherbergt einen Maschinenbestand, der auf das Jahr 1883 zurückgeht. Sie produzierte kurz vor der Jahrhundertwende 90 Briketts in der Minute und 18 t am Tag. Ein gesicherter Rundweg im Baukomplex zeigt die wesentlichen Bereiche der Antriebstechnologie mittels Transmissionsriemen und vermittelt Details zur wechselvollen Geschichte des technischen Denkmales. Beeindruckend ua. die Tellertrockner und die Heinzelmann-Verladung; ein weiteres Mal haben wir Gelegenheit, das letzte überlebende Exemplar einer einst wegweisenden, heute aber ausgestorbenen Technik zu sehen. Gen. Nebenan auf einer grßen Brachfläche der Neubau einer zuckerfabrik der Südzucker AG. Heute gibt mit der "Phönix" nur noch eine produzierende Brikettfabrik gegenüber 28 noch im Jahr 1989. Gen. Die Nebengebäude beinhalten noch eine improvierte Ausstellung mit Kohleöfen, an die sich manche von uns noch erinnern vor allem wegen ihrer Bedienerfreundlichkeit bei windstillem, kalten, Inversionswetter. Esho berichtet über Exponateklau durch wilde Schrotthändler, dem auf der Schachtanlage "Paul 11" Rechnung getragen wurde. Bei den Freilichtexponaten aus der Braunkohlegeschichte ist vermerkt: "Nicht verschrotten! Museum!" Der Schacht liegt bei Theißen und ist in etwas ruinösem Zustand, kann aber immerhin hergerichtet werden, wenn er - durch Straßenbaumaßnahmen bedingt - verwahrt wird. Die Anlage von 1899 ist letzter Zeuge des 1860...1927 im Revier dominierenden Tiefbaus und förderte bis 1954. Bei 60 m Teufe stieß man auf ein 16-m-Flöz. Senkungsbereiche durch den Abbau im Pfeilerbruchverfahren sind in der Umgebung deutlich erkennbar. Auch die Trasse der 1919 eingerichteten Doppelstreckenkettenbahn, die eine Luftseilbahn als Tranportmittel ablöste, ist im Landschaftsbild noch sichtbar. Wenige km entfernt besichtigen wir den Neubau der Braunkohlenverarbeiutung Deuben inmitten gespesntisch wirkender Brachflächen, das nur noch von LKW's mit irgendwelchen Altlasten als Ladung besucht wird. Mittendrin der verlassen wirkende Bahnhof. Eine ähnlich bizarre Situation kenn ich nur aus Lothringen (Longwy) oder Wales mit den entkernten Industrietälern. Nahebei das Braunkohlen - Bergbaumuseum Deuben mit nachgebautem Stollen im Keller für das anonyme Besäufnis der Funktionäre. Das 1990 eröffnete Heimatmuseum zeichnet die Bergbauentwicklung im Revier nach. Modelle von Tagebaugeräten, Erinnerungsstücke zur Tätigkeit der Kumpel sowie eine nachgebaute Tiefbaustrecke unter dem Gebäude bilden hervorhebenswerte Ausstellungsbestandteile so der Prospekt. Die Modelle sind unter schwierigen Bedingungen gekeilt worden, oft gefertigt von Azubis. Für eine Schneefräse ist ein MIG-Triebwerk eingebaut worden, das mit massiver Gebläsewirkung zu arbeiten versuchte. Leider wurde dadurch gelegentlich auch der Gleisschotter verwirbelt, so daß das Gerät im wesentlichen als - wenn auch beeindruckender - Geräuschgenerator und Steinschleuder verwendet werden konnte. Begleitet von Schauern fahren wir weiter über den Neusiedlungsstandort Großgrinima. Er ist in seinem neueren Teil Ortschaften wir Neu-Priesterath o.ä. im Rheinland vergleichbar. Ausgehend von der politischen Entscheidung zur Weiterführung des Tagebaues Profen haben sich die Bürger der Gemeinde zu einer vorzeitigen Umsiedlung entschieden, an der rund 700 der 830 Einwohner teilnehmen. Nach umfangreichen Vorplanungen erfolgte der erste Spatenstich am Südhang 1995; der Abschluß der Umsiedlung ist für 1998 vorgesehen. Der Wohnungsbau vorwiegend in Ein- und Zweifamilienhäusern wird durch Gemeinschaftsbauten (Bürgerhaus, Vereinsheim u.a.) sowie die Anlage von Biotopflächen ergänzt. Großgrimma bildet das erste Beispiel für die gemeinsame, sozialverträgliche Umsiedlung einer Gemeinde in Mitteldeutschland. Die in der DDR-Zeit gebauten Teile sind fast durchweg im schnörkelfreien Großplatten -Stil errichtet. Einen Wasserturm gibt es auch. Wir halten kurz an der ehemaligen kleinen Grubenanlage Winterfeld. Den Aussichtspunkt Tagebau Profen-Süd erreichen wir im letzten Abendlicht. Der mit Informationstafeln ausgestattete Aussichtspunkt bietet Einblicke in den laufenden Kohleabbau im Tagebau Profen, der mit einer Jahresförderung von knapp 10 Mill. t das Kraftwerk Schkopau, MIBRAG-eigene Veredlungsstätten im Revier sowie weitere Abnehmer versorgt und über ca. 30 Jahre weiter betrieben werden soll. Im nahegelegene KMS werden bis zu 300 000 t Braunkohle mit unterschiedlichen Qualitätsparametern zwischengelagert, nach den Abnehmeranforderungen gemischt und auf Züge oder LKW verladen. Das Kulturhaus Profen besichtigen wir nur noch im Vorbeifahren. Der Besuch des Revierparks Profen muss verschoben werden. Anläßlich der Besichtigungen erfahren wir: In vielen Nachtschichten wurden private Dinge für die Kollegen gebastelt und entnommen, zum Beispiel Kerzenhalter vor Weihnachten oder vor der Sommersaison Grillöfen, vor allem nach dem 23. Parteitag SED, auf dem Honecker verkündete, aus den Betrieben sei alles herauszuholen. Die DDR war weltweit führend bei handgefertigten Zierbriketts, für die die Malerbrigade jeweils abkommandiert wurde. Kurzer Begrüßungsabend im rustikalen Hotel wegen müde und morgen 6:30 Start.
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© Christian Brünig Stand: 03.09.2009 Dank an |