Site: [ Home ] |
Zum Thema: Sonntag, 10.02.2002, Schauer, später heiter, 7 bis 12°, frischer SüdwestwindWir sind ja nicht zur Erholung unterwegs. Um 7:15 starten wir zur Kokerei Anderlues westlich von Charleroi, um von der Halde Bewegt- und Farbbilder vom Beschicken, Ausdrücken, Ablöschen zu generieren. In der Morgendämmerung gönnen uns die Kollegen ohne größere Wartzeiten dieses Event, so dass wir uns nicht erst warm zittern müssen. Das Frühstück folgt traditionell in der Autobahn-Raststätte nahebei, bei der wir einer Busladung verschlafener Paris- Reisender knapp, aber ausreichend zuvor kommen. Anschließend nach la Louviere an den Canal du Centre. Hier versuchen wir vergeblich, Nahaussichten auf die Hochöfen zu erhaschen, obwohl wir es weit am teils verlandenden Stichkanal entlang versuchen. Untewregs ein Belegbild von der Unternehmervilla Boe und eine kleine D-Zug- Siedlung am Kanal. Dafür stellen wir Entsetzen eine schweren Schaden am nahe gelegenen alten Hebewerk Nr. 1 fest: offenbar ist eines der beiden Becken herbgestürzt und hat sich sich hoffnungslos zwischen den Stützen verkantet. Ein entsprechende beschädigtes Schiff liegt unterhalb; provisorische Stützen versuchen Schlimmeres zu verhindern. Nicht genug der schlechten Nachrichten: das Einstiegs Loch in der historischen Beton- Mauer ist nach unserer letzten Spontanbegehung geflickt worden - und dies trotz des wahrhaft historischen Baumaterials! Wir interpretieren dies einerseits als dreisten und ruchlosen Akt gegen die Fotografierfreiheit; die Ratlosigkeit hält aber bei uns Profis nicht lange vor; wenige Minuten später entern wir erneut das Gelände und holen die versäumten bzw. missratenen Fotos der letzten Begehung nach. Besonders auffällig: ein Kühlturm, ein Gasbehälter und ein Wasserturm in fast einer gestaffelten Linie, Schaltwarten und -tafeln, Messgeräte, Werkstattregale, Werkzeugbretter, Maschinenhallen mit teils großem Raumeindruck, frischer Farnbewuchs. Alles wird natürlich übertroffen durch das Jugendstil - Werbeschild der Firma Linde- Kältetechnik. Pünktlich treffen wir uns nach getaner Arbeit gegen 13 Uhr am Ausgang wieder und setzen um nach Charleroi, um bei der Kokerei Providence, in Dampremy und unseren alten Halden nach dem Rechten zu sehen. Die Metro- Station Providence liegt malerisch zwischen Kanal, Wasserturm, Halden, Kokerei und Stahlwerk und erlaubt schöne Industrie- Landschaftsaufnahmen. Weiter geht’s auf den Bahndamm zwischen dem still gelegten Hochofen 4 und der Kokerei - schöne Übersichtsaufnahmen finden ein jähes Ende, da ein dienstgeiler Arbeiter sich unser bemächtigt und den Gebäudeservice verständigt. Die Liebenswürdigkeit des Letzteren, unser feines Outfit sowie unsere Eloquenz verhindern Schlimmeres: keine konfiszierten Filme, keine Nacht im Polizeigewahrsam, sondern eine handgeschriebene Einladung für eine "offizielle" Werksbesichtigung am nächsten Tag sind das Resultat eines freundlichen Gesprächs. Natürlich ist diese Ecke für uns jetzt verbrannt. Macht nix - kurze Pause und ein Besuch im Fotomuseum sind die Folge. Hier lernen wir Gerard Detellieu, den Autor des Bildbandes über die Relikte von "les pays noir" kennen und erwerben drei sehr lehrreiche Bilderbücher über die Geschichte des Steinkohlen- Bergbaus zwischen Nordfrankreich und Aachen, die Stahlindustrie Belgiens. Zwischenstopps am Eingang der ehemaligen Zeche Theodore in Dampremy sowie am Ende des Canal du Centre mit Blick auf neue Sinterei und den still gelegten Hochofen. Die Halde in Dampremy ist dann das nächste Ziel. Eine beschauliche Rast und ein Panorama im steifen Südwestwind sowie paar Abendaufnahmen von Kokerei, Siedlung und Hochofenwerk sind die Beute. Eine Nahsicht erlaubt Blicke auf die schmalen Gärten, die teils chaotische Gebäudeerschleißung sowie einen Hobby- Landwirt. Abends ein kleiner beschaulicher Spaziergang auf und unter der aufgeständerten Stadtautobahn von Charleroi sowie ein Kurzbesuch am der Sambre mit Schleuse und Stahlwerk mit Kühltürmen beschließen den Abend. Das Schrottlager hat sich seit Nicks letztem Besuch im Bestand nicht verändert, es handelt sich mithin im doppelten Sinn um die "eiserne Reserve". Im Hotel nur kurz Sichtung der Ergebnisse, bevor wir erschöpft, aber glücklich einschlafen.
|
© Christian Brünig Stand: 03.09.2009 Dank an |