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Kunstausstellung Fundbüro


KONZEPT

Die 14 Künstler und Künstlerinnen fanden den Namen Fundbüro passend für ihre Situation: Aus verschiedenen "Richtungen" kommend, werden sie - temporär - ihre eigens für die Ausstellung hergestellten künstlerischen Fundstücke zum "Fundbüro" bringen. Auch eine gemeinsame Arbeit der 14 wird gezeigt: Ein großer Koffer wird von "jeder und einem" mit einem künstlerischen Fundstück "gepackt" und zur Midissage versteigert. Der Erlös der Versteigerung geht an die Aktion "Wir helfen" des Kölner Stadtanzeiger. Die Künstler möchten den "Finderlohn" an dieses Projekt leiten, das Kindern Hilfe bietet, die Verlust verarbeiten müssen.

"Fundbüro" lässt Raum für die unterschiedlichsten künstlerischen Ansätze und leistet der Vorstellung Vorschub, dass sich in der Ausstellung "Fundbüro" ein spannendes Nebeneinander und Miteinander der gefundenen und erfundenen Arbeiten ergibt. Ihre Annäherung an einem ihnen wesensfremden Ort provoziert - so ist zu wünschen - die stärksten poetischen Zündungen, vergleichbar mit der "zufälligen Begegnung von Nähmaschine und Regenschirm auf einem Seziertisch" (Lautréamont).



Wesen und Aufgaben eines Fundbüros
Die Aufgaben eines Fundbüros sind Lagern, Aufbewahren, Sortieren, Inventarisieren, Vermitteln und Versteigern. Als Ort stellt es eine Art Archiv, Speicher, Reservoir, Umschlagplatz, Lager dar, es ist ein digitaler und realer Speicher. Dem Magazin des Museums gleich ist es ein Schutz- und Aufbewahrungsraum.

Andere Fundbüros
2003 erschien der Roman "Fundbüro" von Siegfried Lenz, der wiederum schon bei Veza Canettis "Der Fund" (1933) fündig wurde. - Goethe verfasste "Gefunden". Bildende Künstler, die "Fundbüros" für einige Wochen eröffneten, operierten mit den in einem Fundbüro üblichen Handlungen, so versteigerte Christian Boltanski zur Kunst erklärte Fundstücke zugunsten von Obdachlosen, zwei Künstlerinnen in Österreich gaben Findern einen Finderlohn.

Fundstück Koffer
Die künstlerischen Erfindungen dieser Ausstellung werden sich um das Fundstück Koffer ranken, doch auch Taschen, Säcke, Beutel, Tüten, Körbe und andere Behälter, sowie alle anderen Gegenstände, die in Fundbüros abgegeben werden, können Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeitsein. Dieses Fundstück kann thematisch aufgegriffen, als Motiv abgebildet werden, umgestaltet als Objekt oder auch mit Kunst befüllt werden.

Behälter
Sie können im besonderen Maße als kleine Speicher (Fundbüro en miniature) dienen, daher sind sie sehr häufig anzutreffen in Fundbüros, schützen sie doch etwas Empfindliches oder Kostbares vor Beschädigung und neugierigen Blicken während eines Transportes. Schachteln, Koffer, Taschen werden als Symbole im Traum, in Märchen und Mythen als Objekte, die einen Hohlraum einschließen, als Weiblichkeitssymbole gedeutet. Gaston Bachelard untersuchte Bilder des Raumes, die in den Dichtungen aller Sprachen häufig wiederkehren, Bilder des Verborgenen, Räume, deren gemeinsames Merkmal die Schließung ist. Dies wird in dem fensterlosen Mülheimer Bunker nachzuvollziehen sein. Anders als im echten Fundbüro wird dort aber die Öffentlichkeit zugelassen, die "Fundstücke" werden der Öffentlichkeit gezeigt.

Koffer voller Geheimnisse und Erinnerungen - Raum für Phantasie
Im Koffer trägt der Reisende ein Stück seines Zuhauses mit sich. So ist der Inhalt eine Aussage über den Menschen. Als privater Gegenstand dem Geheimen zugeordnet, wird der Koffer durch die Öffentlichkeit transportiert oder in ihr aufbewahrt. Jeder kennt den Alptraum, dass der eigene Koffer auf dem Förderband oder beim Runterhiefen aus dem Waggon aufgehen könnte.- Der Kofferträger ist zugleich Geheimnisträger: Im Verborgenen und verschlossen, bewahrt und geschützt verwahrt sich das Geheimnis. "Geheimes erscheint …viel möglichkeitsreicher als Bekanntes…" (Westerbarkey). Jedes Geheimnis hat sein Kästchen.

In einem geschlossenen …wird es immer viel mehr Dinge geben als in einem offenen Kästchen" (Bachelard). "Nicht allein unsere Erinnerungen, auch unsere Vergessenheiten sind "einquartiert". Unser Unbewusstes ist einquartiert. Unsere Seele ist eine Wohnung" (Bachelard). Ein ungeöffnetes Behältnis, eine verschlossene Schublade lassen Möglichkeiten erahnen. In der Ausstellung werden die Fundstücke ihr Geheimnis - jedenfalls für einen Moment - lüften: "Sesam öffne dich!".

Koffer als Symbol für Mobilität
Mit Koffer verbinden wir auch Unterwegs-Sein: Gesteigerte Mobilitätsansprüche erfordern Pendeln und lange Geschäftsreisen. Es sammelt sich Last im Gepäck an, aber auch übertragen: jemand ist belastet oder überlastet; auch der Aufbruch erfolgt mit Koffer: wir begeben uns auf die Suche. Hans-Christian Andersens "Fliegender Koffer" ist für immer im Meer versunken, aber die Prinzessin hält immer noch Ausschau nach Erik und dem fliegenden Koffer. Moses wurde im Nil ausgesetzt und überlebte im Kästchen aus Binsen. Entwicklungsprozesse laufen ab, Reifung…Das Finden ist die Belohnung. Günter Kunert formuliert: "Wohin auch immer wir reisen, wir suchen, wovon wir träumten, und finden doch stets nur uns selbst".

Suchen und Finden, Verlieren, Wiederfinden, Vergessen, Verschwinden
Das Fundbüro ist der Ort, an dem sich - zeitlich versetzt - Finden und Suchen wie auch Wiederfinden "ereignen". Wir verlieren Dinge, von denen das Schicksal abhängt. Wir zeigen unseren Verlust an, nicht alles ist ersetzbar, nicht alles noch erwünscht: Mancher lässt etwas bewusst stehen, will sich von dem lösen, was er selbst zuletzt war. Wer im Überfluss hat, vergisst und meldet keinen Verlust. Im Märchen findet die Hauptfigur nach langer Suche. Die von Picasso überlieferte Äußerung "Ich suche nicht, ich finde" lässt sich von einem Vers aus der "Fröhlichen Wissenschaft" von Nietzsche herleiten: "Seit ich des Suchens müde ward, erlernte ich das Finden". Elias Canetti bezeichnet als Prinzip der Kunst: "mehr wieder finden, als verlorengegangen ist".

Ort der Begegnung
Bei all den Dingen im Fundbüro wartet jedes Ding schließlich nur auf den jeweils einen, auf s e i n e n Besitzer. Bei S. Lenz muss die Schauspielerin einen Besitznachweis führen, indem sie aus dem Theaterstück rezitiert. Zur Begegnung von ehrlichem Finder und glücklichen Besitzer kommt es nicht. Im Fundbüro von Lenz ist zwar der Mensch ersetzbar, doch längst nicht alles Verlorene. Der Ort ist ein realer und zugleich symbolischer Ort. Für den kurzen Zeitabschnitt treffen sich die Künstler im "Fundbüro" mit ihren Arbeiten, reichern den Ort an mit gefüllten Speichern, die Gruppe löst sich auf, dann nimmt wieder jeder seine eigene Spur auf.

Literatur:

Siegfried Lenz: Fundbüro. Hamburg 2003 Veza Canetti: Der Fund. 1933, in: Der Fund. München 2004 Joachim Westerbarkey: Das Geheimnis. Die Faszination des Verborgenen. Berlin 2000 Gaston Bachelard: Poetik des Raumes. Frankreich 1957, dt. Ausgabe München 1960

Text: Regine Schirmer

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