Ulrich Leive gehört direkt keiner Schule oder Richtung an, deshalb geht er durchweg mit verblüffender Kühnheit zu Werke. Er tut Dinge, die zu tun die meisten Maler sich nicht trauen würden. Wenn vorwiegend nachts beim Schein einer normalen Glühlampe in seinem kleinen Atelier Bild auf Bild entsteht, so läßt er sich nicht von des Gedankens Blässe ankränkeln, da kennt er weder Skrupel noch Zweifel; während er fast ständig Musik hört, und zwar so ziemlich alles von Mozart bis zur Moderne, trägt er seine Farben auf, ohne sich um die Vorschriften irgendeiner überkommenen Ästhetik zu kümmern. Als Autorität läßt er nur sich selber gelten. Das heißt nicht, daß er völlig unkritisch sich selbst gegenüber wäre, er malt nicht "ohne Verstand", aber er blockiert den schöpferischen Prozeß nicht schon an der Quelle, er läßt ihm zunächst freien Lauf, zwängt den Fluß nicht sofort in ein vorgesehenes Bett, sondern greift erst später korrigierend ein. So kommt es in vielen Arbeitsgängen schichtweise zu immer neuen Übermalungen,die das ganze Bild oder Teile des Bildes erfassen. Viele Bilder haben auch etwas von einer musikalischen Struktur an sich. Bestimmte Farben bilden Akkorde, die in Abständen dissonant durchbrochen werden. Farbbahnen kehren ostinatoartig wieder; sie können auch symbolische Formen annehmen, zu einer Art Muster werden. Gegenständlichkeit ist dabei oft nur noch als eingekratzte Figuren-Chiffre erkennbar - Menschen in einer subjektiv oder auch objektiv chaotisch gewordenen Welt. Rein technisch verbindet er malerische mit stark zeichnerischen Elementen; auf eine meist dunkle Grundierung setzt er Dispersions- und Acrylfarben, in halbtrockene Farbschichten werden Zeichen, Symbole oder auch Figuren eingekratzt, auf trockenen Bildpartien wird mit Ölkreide eine abstrakte Ergänzung vorgeniommen. Die Farbgebung ist oft dunkel gehalten, Buntfarbe schimmert subtil durch Grautöne hindurch. Man fühlt sich an verwitterte Mauern erilnnert, an verblaßte Fresken; in der Art von Fossilienabdrücken verliert sich das Menschenbild in eingravierten Spuren. Manchmal springt den Betrachter dann aber doch eine unerwartet starke Farbigkeit an, als solle damit Dynamik und Lebenskraft demonstriert werden. Da beginnen die Farben zu flirren, das ganze Bild pulsiert vor Lebendigkeit. Das Vulkanische, den Ausbruch urtümlicher Kräfte und die Vielfalt empfinden manche als Bedrohung, sie hätten es gern geordneter und gezügelter. Wer jedoch Ordentlichkeit, Einordnung und Unterwerfung unter allzu starre Regeln und Vorschriften verlangt, ist bei Ulrich Leive an der falschen Adresse, handelt es sich bei ihm doch um jemanden, der die verlockende Laufbahn einer gesicherten bürgerlichen Existenz zugunsten der Unsicherheit künstlerischen Schaffens verlassen hat. Er weiß, dass eine derartige Entscheidung unvernünftig ist und er bei allen realistisch Denkenden kein Verständnis dafür findet, aber ihm selbst blieb gar keine andere Wahl, für ihn war es eine existenzielle Entscheidung; wie er es empfindet, hat genaugenommen er sich nicht für die Kunst entschieden, die Kunst hat sich für ihn entschieden! Mit Überraschung nimmt man zur Kenntnis, dass der Maler bisher nie der Versuchung erlegen ist, sich an großen Formaten auszutoben. Gemessen an dem, was man heute meist zu sehen bekommt, begnügt er sich mit einem relativ kleinen Format. Das entspricht seiner Grundüberzeugung, daß ein Bild dem Betrachter niemals durch Größe Gewalt antun darf. Außerdem meint er, daß viele seiner Figuren, jetzt teils mitleiderregend, teils anrührend, ins Riesenhafte gesteigert zu Monstren würden, zu denen man einen positiven emotionellen Bezug nicht mehr herstellen könnte. So würde vielleicht sogar das Hauptanliegen seiner MALEREI DER CHIFFRIERTEN FIGURATION gefährdet: den Menschen als Leidenden, Suchenden und Hoffenden zu zeigen! |
|
|
|
[ Home | Index | Neu | Biografie | Holocaust | Antlitz Christi | AC Neue Folge | Weitere Bibelbilder | Figurenbilder - Seite 1 | Seite 2 | Seite 3 | Seite 4 | Seite 5 | Frühe Gemälde | Gesichter | Frauen-Gesichter | Buddha | Geheimnisvolle Bilder | Mythen | Verschiedene Gemälde | Gedichte | Computer-Gemälde | Wanderer mit Hund | Tarot | Neueste Bilder | Presseberichte | Art-Hinweise | Art-Rings | Meine Awards - Seite 1 | Seite 2 | Seite 3 | Seite 4 | Meine anderen Web-Sites | E-Mail | Chronologie | Exkurs: Ein bebilderter Essay ] |