"Mieder, Maßkleid, Mustertuch" - Die Arbeit der Weißnäherinnen und Schneiderinnen von 1850 bis 1950
Ausstellung vom 18. bis 22. November 2010 im Bürgerzentrum Alte Synagoge Meschede
Über die Ausstellung
Die
Ausstellung zeigte Arbeiten von Weißnäherinnen und Damenschneiderinnen,
die in dem Zeitraum zwischen 1850 und 1950 erstellt wurden.
Die
Textilarbeiten der Ausstellung wurden vorwiegend von Rita Römer,
Mitarbeiterin der Frauengeschichtswerkstatt Sauerland, über viele Jahre
gesammelt und durch einige Leihgaben weiterer Mitarbeiterinnen und aus
der Bevölkerung ergänzt.
Der Schwerpunkt
der Ausstellung lag auf den 100 Jahren zwischen 1850 und 1950. Es ist
der Zeitraum, in dem die Berufe der Weißnäherin und Schneiderin -
begünstigt durch die Erfindung der Nähmaschine - boomten und in den
ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ihren Höhepunkt fanden. Dann
aber überholte die industrielle Fertigung die Arbeit der Weißnäherinnen
in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Auch der Beruf der
selbstständigen Schneiderin ging dadurch, dass die Herstellung der
Konfektion "von der Stange", also der nicht individuellen
Oberbekleidung, größtenteils von Billiglohnländern übernommen wurde,
immer mehr zurück.
Die Ausstellerinnen während der Pressekonferenz

Frauen und Textilarbeit
Seit
Jahrhunderten sind Frauen und Textilarbeit verbunden. Mädchen ab 5
Jahren übten schon zu Hause und in der Schule Stickmuster und
Nähtechniken auf feinem Leinen. Ohne Nadel und Faden herumsitzen, das
war im 19. Jahrhundert für junge Mädchen auf dem Land undenkbar. Die
monogrammverzierten Servietten und Nachthemden oder die mit Hohlsaum
versehene Tischwäsche erzählen Frauengeschichte.
Eine
handgefertigte Aussteuer war früher der Stolz vieler junger Mädchen und
galt als Statussymbol. Eine Braut, die eine mit Leinenwäsche gut
gefüllte Truhe besaß, galt als gute Partie. Dabei war es Anfang des 20.
Jahrhunderts schon durchaus üblich, dass viele Eltern die umfangreiche
Aussteuer für die Tochter fix und fertig im Laden kauften oder aus dem
Katalog bestellten.
Weißnäherin und Damenschneiderin
Für mehrere hundert Jahre war es für viele Frauen das Naheliegendste,
nötiges Geld mit dem zu verdienen, was sie allemal schon konnten. Es
entwickelten sich viele weibliche Berufsbilder, die mit Textilien zu
tun hatten, wie Weberin, Seidenspinnerin, Putzmacherin usw. Bei den
Nähttätigkeiten wurde unterschieden, was man nähte: Wurde vorwiegend
Wäsche angefertigt, wozu die Bettwäsche, Tischwäsche und auch die
Leibwäsche zählte, also Wäsche aus - meist weißen - Waschstoffen, so
sprach man von der Näherin oder Weißnäherin, ursprünglich kein
Ausbildungsberuf, sondern man tat das, was man bereits konnte. Der
Schneiderberuf wurde immer als Handwerk mit einer Ausbildung
verstanden, wobei die Hauptkunst des Bekleidungsschneiders in der
Zusammenstellung der Materialien, dem Maßnehmen und Übertragen der Maße
auf die Schnitte und schließlich im Zuschneiden der Stoffe lag.
Weißwäsche-Arbeiten

Die
Arbeit der Weißnäherinnen schwankte zwischen selbstständiger Arbeit für
private Kundinnen und Heimarbeit für Wäschefabriken. Die selbstständige
Arbeit wurde meist im Haus der Kundin durchgeführt, wobei sie gegen
Kost und Logis sowie einen geringen Lohn Kleidung ausbesserte, Wäsche
bestickte, neue Wäsche und Kleidung nähte und sogar die Aussteuer für
die Töchter der Kundinnen erstellte.
Die
überwiegende Zahl der verheirateten Frauen und Mädchen im Textilgewerbe
verdienten ihren "Hungerlohn" als Heimarbeiterin. Nach Stücklohn
bezahlt, waren sie in der Regel einem enormen Lohndruck ausgesetzt, dem
sie aus Rücksicht auf ihre Familie und die Betreuung ihrer Kinder
nachgeben mussten. Gleichzeitig bestand eine existentielle Abhängigkeit
von ihrem Arbeitgeber, da die Abzahlungsraten für ihre Nähmaschine von
der Entlohnung einbehalten wurde.
Küchen- und Tischwäsche
Mit
der Verbreitung der Nähmaschine und dem Gesetz der Gewerbefreiheit ab
1869 entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die
Damenschneiderei in einem bis dahin von Männern
dominierten Handwerk.
Dieser Beruf ermöglichte Frauen eine selbstständige handwerkliche
Existenz, auch wenn die Konkurrenz durch die industrielle
Kleiderkonfektion ständig wuchs. Endlich wurde mit der
Reichsgewerbeordnung von 1911 die bis dahin herrschende Unsicherheit
beseitigt, ob eine Handwerksmeisterin ihren Beruf mit den gleichen
Rechten ausführen durfte wie ihr männlicher Kollege. So wuchs ab etwa
1910 die Zahl der vor den Handwerkskammern abgelegten
Schneidermeisterinnen-Prüfungen beträchtlich.
Viele
Schneiderinnen arbeiteten nach ihrer Lehre als Hausschneiderin oder
waren für Konfektionsgeschäfte tätig. Die Verdienstmöglichkeiten lagen
nur selten über den Durchschnittslöhnen in der Textilindustrie.
Siehe
auch: "Die Arbeit der Weißnäherinnen
und Schneiderinnen von 1850 bis 1950", ein Beitrag zur Ausstellung in der Zeitschrift "Sauerland" des Sauerländer Heimatbundes, Heft 2/2011
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