Einzelobjekte: Spuren der Arbeit
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Textilfabriken am Oberlauf der Wupper- Rundgange ab Ende 2003 - © Christian BrünigAm 16.11.2003 ein kurzer Rundgang im Stadtteil Vogelsmühle-Dahlerau des bergischen Städtchens Radevormwald wenige km östlich von Remscheid. Im schmalen Tal der Oberen Wupper findet sich auf engstem Raum industrielle Ensembles, die in Deutschland ihresgleichen suchen. Da älteste Gebäude der Textilfabrik Wülfing stammt in wesentlichen Elementen aus 1836. Nach und nach wurde die Fabrik vor dem Gleithang in einem engen Flussmäander weitergebaut bis zum größten Ausbauzustand etwa 1970, der auf dem Luftbild-Repro zu sehen ist. Die unterschiedlichen Bauformen ergeben eine bizarre Dachlandschaft. Die Energieversorgung zunöchst über Wasserrad, später Frances-Turbine bzw. Dampfmaschine. Der durch Siedlung und Fabrik mehrfach überbaute Obergraben erreicht nach wenigen 100 Metern Länge immerhin ein nutzbares Gefälle von 5,60 m. Bis zur Stilllegung 1996 wurden in diesem Familienunternehmen wichtige Maschinenteile, wie Dampfmaschine (in Betrieb 1891 bis 1961 mit Werkzeugbrett und Mess-Uhren) und Dynamo in der ehemaligen Kraftzentrale erhalten und gepflegt. Die moderneren Textilmaschinen wurden aber nach China verkauft; einige ältere sowie die Fertigungskontrolle blieben vor Ort. Seit einigen Jahren kümmert sich ein Verein um Erhalt und Instandsetzung des Ensembles. Nach jahrelangen Bemühungen können in den nächsten Jahren mit Geldern der Städtebauförderung Sicherungsmaßnahmen, vor allem Dach und Fenster, durchgeführt werden. Einige der Gebäude, vor allem Flachbauten, wohl die früheren Webereisäle, fanden Nachnutzer, was an den erneuerten Sheddächern zu sehen ist. Das kleine, an den Sommer-Wochenenden sowie Samstags vormittags geöffnete, Museum betreute mich an diesem Tag individuell - Vielen Dank dafür! Der anschließende Rundgang durch das Ensemble selbst ergibt schöne Perspektiven. Zu der Fabrik gehören Arbeitersiedlungen in D-Zug-Form, eng und ansteigend an den Hang gebaut - nicht nur hier fühle ich mich an Südwales oder an die nordenglischen Pennines erinnert. Am Steilhang oberhalb der südlichen Siedlung betreibt Guillermo seine Hühner- und Kanarien- sowie mit seinem Sohn zusammen ein Hochflug-Taubenzucht. Er war 1969 aus Spanien gekommen; die katalanische Textilindustrie mit früher 25000 Beschäftigten ist ihm gut geläufig - jetzt ist er Rentner. Ich bekommen die Vogelzucht vorgeführt und bekomme einen Blick aus dem Wohnzimmer , dessen Fenster direkt auf den alten Kohlevorratsbunker der Fabrik hinauszeigt. Ein Abstecher führt am alten Bahnhof entlang wenige hundert Meter flussauf zum Ensemble der Vogelsmühle. Diese frühere Textilfabrik (ehemalige Tuchfabrik Peter Schürmann & Schröder) direkt am Fluss mit überdachtem Eingansbereich ist ebenfalls in weiten Bereichen erhalten und ist umgenutzt zu einem kleinen Einkaufzentrum, dem Wuppermarkt, sowie Folgenutzungen wie Architekturbüro, Fitness-Center, Kreativ-Werkstatt etc. Auch hier wieder Vielfalt von Bauten auf engstem Raum mit Quergängen und oberhalb jenseits der Zufahrt gelegenem Kamin. Wie fast immer in dieser Jahreszeit fängt es viel zu früh am Dämmern. Im letzten Restlicht noch paar Bilder von der Landstraße, die am Prallhang östlich der Fabrik Wülfing vorbei führt. Danach besichtige ich in der späten Dämmerung die Siedlung nördlich der Fabrik, in der ein Fußweg über die Wuppe entlang von Lagerschuppen führt. Am Ende der Sackgasse spielen paar Jungs Fußball; ich nennen sie mal die Wülfing-Gang. Sie zeigen mir ihre Bude in einem der Lagerschuppen, schenken mir eine CD mit Wülfing-Fotos - Ergebnis eines Schulreferates. Die Neugier und Abenteuerlust ist nahezu schrottrobberisch - viele mentale Ähnlichkeiten sind keineswegs zufällig. Nach dem Abschied noch einige Nachtaufnahmen aus der Fabrik selbst sowie aus der südlichen Siedlung. Weitere Infos in der gemeinsamen Website des Wülfingmuseums und des Tuchmuseums Remscheid. Einige Tage später ein Kurzbesuch in der wenige km flussaufwärts gelegenen ehemaligen Tuchfabrik Hardt, Pocorny & Co in Dahlhausen. Ein historisch gewachsenes Ensemble mit unterschiedlichen Baustilen aus verschiedenen Epochen. Nach meinen vor Ort eingeholten Infos zunächst als Metallwarenfabrik mit dem 1868 entstandenen Hauptbau, Mitte der 1970er Jahre still gelegt. In drei Gebäudereihen erstreckt sie sich am östlichen Gleithang der Wupper. Erschließung über 2 schmale, leicht gewundene Erschließungswege; die Zufahrt über schmale Wege. Am flussauf gelegenen Ende ein Stauteich zur Wasserhaltung, daneben das gut erhaltene Turbinengebäude. Das Stauwehr ist durch eine clevere Gegengewichts-Steuerung geeignet, mit verschiedenen Wasserführungen umzugehen, um so ein konstantes Stauziel einzuhalten. Mindestwasserführung ist übrigens 0,9 cbm/Sekunde, mittlere 4,4, Berechnungshochwasser 140 (!). Daneben ein Dampfkesselhaus aus den 1950er Jahren (?) mit ursprünglich 2 Kesseln; einer wurde zwischenzeitlich auf Ölfeuerung umgebaut. Der Blick vom gegenüber liegenden steilen Prallhang ist durch Bäume verdeckt, die Ufer sind nicht begehbar. Inzwischen sind einige Hallen vermietet an Handwerksbetriebe. Ich spreche mit dem Tischler, der hier auch Wohnung genommen hat - u.a. damit seine Kinder einen prima Abenteuerspielplatz haben;-) Unmittelbar oberhalb eine Arbeitersiedlung ebenfalls in D-Zug-Form.
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Virtuelle Foto- Galerie Industriegeschichte und Kulturlandschaft Stand: 12.02.09 © Christian Brünig Dank an
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