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Rhein - Hafen Neuss

Ein paar Kurzreisen in den Rheinhafen Neuss erbrachte als Ergebnis eine Reihe von Brachflächen, einen still gelegten Betrieb und dennoch viel historische und gewachsene Bausubstanz, insbesondere bezüglich Speichergebäude und Industriuemühlen. Hier eine kurzer Abriss über den Hafen und seine Geschichte:

Der Hafen - Neusser Tor zur Welt (NGZ vom 03.06.2003)

Neuss gilt seit römischer Zeit als einer der wichtigsten Handels- und Wirtschaftsplätze der Region. Der wichtigen strategischen Bedeutung an der Hauptverbindung in nord-südlicher Richtung entlang des Rhein erwuchs nach der militärischen Bedeutung schnell der wirtschaftliche Rang, der sehr bald über die Versorgung der militärischen Siedlung hinausging. Der Fluss war dabei die Lebensader der Stadt. Der Handel blühte, Neuss war im Mittelalter eine bedeutende Handelsstadt - nicht von ungefähr dufte sich Neuss stolz Hansestadt nennen. Die Aufnahme in die Hanse bedeutete wirtschaftliche Kontakte in und mit ganz Europa. Damals wie heute waren bedeutende Neusser Erzeugnisse vor allem die Lebens- und Nahrungsmittel, die der umliegende ländliche Raum lieferte.

Doch seine eigentliche Bedeutung als Hafenstadt erlangte Neuss erst im Zuge der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neue Versorgungswege erforderten eine schnellere, umfassendere Verarbeitung der Lebens- und Nahrungsmittel und vor allen Dingen einen schnelleren Transport größerer Mengen. Damit waren die Treidelschiffe auf Erft oder Nordkanal, weit überfordert. Es galt, sich der moderne Zeit zu stellen, auf die Bedürfnisse der modernen, industriellen Mühlen einerseits und auf die Dampfschiffe andererseits einzustellen - es war die Entstehungsstunde des Neusser Industriehafens. Wichtig wurde auch der mit dem Hafen geöffnete Weg zu den Seehäfen, vor allem Rotterdam.

Zunächst dominierten dort die Ölmühlen - Namen wie Thywissen, Walter Rau, Sels, das Nestlé-Werk Deutschland, besser bekannt unter dem Markennamen Thomy, oder die Mehlmühlen Werhahn - Namen, Familien, Strategien, die überdauerten und noch heute einen hohen Stellenwert im Gefüge des Neusser Hafens und weit darüber hinaus haben. Doch bald kam die Schwerindustrie hinzu. Der erste Siedler noch vor dem Ersten Weltkrieg war die Traktoren- und Motorenfabrik von International Harvester, später Case. Es war eine der ersten großen Industrieansiedlungen der Amerikaner in Deutschland überhaupt.

Das Ende kam in den neunziger Jahren - die Industriebrache als Scharnier zwischen Hafen und Stadt ist Auslöser für die Diskussion über die künftige Bedeutung des Hafen und seiner Beziehung zur Stadt Neuss. Die Besiedlung des Hafens setzte sich rasch fort. Der Hafen war bald in den Top Ten der deutschen Binnenhäfen. Vor allem Industrie-Unternehmen aller Art setzten auf das Tor zur Welt, der Neusser Hafen wurde zu einem Sinnbild der Wirtschaftskraft des Kreises Neuss und gleichzeitig zu einem Motor für die Ansiedlung neuer Unternehmen in der Region, die eine immer differenzierter werdende Infrastruktur nutzen wollte. Doch der Strukturwandel von der Industrie zur Dienstleistung machte auch vor dem Kreis Neuss, erst recht nicht vor dem Neusser Hafen halt.

Hafen in Zahlen

Hafenfläche: 350 ha
Wasserfläche: 73,3 ha
Uferlänge: 17,4 km
Gleisanlagen: 72 km

Hafeneigene Umschlaganlagen:

zwei Containerkräne, 13 Krananlagen, Umschlaganlage, Lagerhalle und Ufer-Förderbandanlage für Schüttgüter

Firmeneigene Umschlaganlagen:

zwölf Krananlagen, Umschlaganlage, 21 Sauganlagen, Schüttrohre und Sackverladeanlagen, zehn Mineralölumschlagleitungen, vier Speiseöl-Umschlagleitungen.


Das Tor zur Welt stellte sich in den achtziger und neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts diesen tiefgreifenden Veränderungen, die einige ihrer Höhepunkte in der Schließung der Traktoren- und Motorenfabrik Case, der Schließung des Sanitär-Herstellers Ideal Standard oder der Verlagerung von Werhahn Holz erreichte. Der Hafen entwickelte ein neues Konzept und wurde binnen weniger Jahre zu einem der wichtigsten und tragfähigsten Güterverkehrszentren am Rhein, ein Garant für optimale Dienstleistungen an der Schnittstelle von Wasser, Schiene und Straße. Das Logistikzentrum Hafen verbindet die Dienstleistungen rund um den Güterverkehr.

Dort werden die Container vom Lkw auf die Bahn verladen und in alle Richtungen bis nach Spanien, Ungarn und nach Skandinavien transportiert. Dort werden aus den Autowerken zum Beispiel von Ford die Neuwagen per Schiff bis zum Verteilzentrum am neuen Hafenbecken V transportiert, von wo aus sie per Lkw und Bahn zu den Händlern der Rhein-Ruhr-Region gebracht werden. Dort werden die Aluminiumblöcke per Neusser Eisenbahn, der Hafenbahn, in die umliegenden Aluminium-Werke transportiert, wird der Gips aus den Braunkohlekraftwerken bei Frimmersdorf auf dem Schienenweg in den Hafen gebracht, von wo aus er nach England gebracht wird und dann als Baustoff (Rigips) zurückkommt. Doch auch für Produktions- vor allem aber weiterverarbeitende Betriebe ist der Hafen ein gesuchter Standort.

Ein markantes Beispiel dafür ist ein stahlverarbeitendes Unternehmen am Hafenbecken V. Die Wirtschaftskraft des Neusser Hafens und der geglückte Wandel lässt sich an Zahlen ablesen: Mit einem Güterumschlag von rund 4,5 bis knapp fünf Millionen Tonnen erzielte der Neusser Hafen in den neunziger Jahren Rekordergebnisse; knapp 7.000 Schiffsbewegungen pro Jahr werden bewältigt. Damit liegt Neuss nach wie vor in der Spitzengruppe der deutschen Binnenhäfen.

Doch die Entwicklung des Hafen schreitet weiter voran. Das Tor zur Welt steht vor zwei Jahrhundertentscheidungen, die in den kommenden Monaten getroffen werden müssen. Und das ist mehr als nur eine Ratsentscheidung. Die Entwicklung des Hafens wird auf Jahrzehnte festgezurrt. Die erste, und vermutlich die leichtere Entscheidung, ist die Fusion mit dem Düsseldorfer Hafen. An der wirtschaftlichen Notwendigkeit einer Zusammenarbeit bestehen in Neuss nur wenig Zweifel, es gilt dem zunehmenden und immer kostspieligeren Wettbewerb am Rhein eine größere wirtschaftliche und politische Einheit entgegen zu setzen. Und auch mentale Hindernisse in der Rivalität der beiden ungleichen Nachbarstädte scheinen überbrückbar zu sein, zumal Neuss in Hafen-Hinsicht ein fast doppelt so großer Partner ist wie das Pendant auf der anderen Rheinseite. Erste Gutachten zeigen Wege einer Fusion auf, wobei diese das industrielle Schwergewicht eher in Neuss sehen.

Arbeiten und Leben am Wasser - das ist Stich- und Reizwort für die zweite, weitaus schwierigere und weitreichendere Entscheidung: Soll sich der Neusser Hafen auf seine Bedeutung als Industriegebiet und Güterverkehrszentrum beschränken, oder sich der Stadt und den Dienstleistungen öffnen? Es gibt starke politische Bestrebungen, die das aufbereitete Case-Gelände als Standort für Bürogebäude und Sitz von Dienstleistungen sehen, verbunden mit Brücken zur Stadt. An der Batteriestraße und der Hammer Landstraße, beide Straßen begrenzen den Hafen zur Stadt hin, sollen Freizeit- und Gastronomieeinrichtungen beherbergen, beziehungsweise die Auto-Sehstraße an der Hammer Landstraße zur Flaniermeile ausgebaut werden.

Ein Weg, der bereits mit dem UCI-Kino und der damit verbundenen Gastronomie begonnen wurde. Einer der stärksten Befürworter der Idee, das Flair des Hafens auch für andere Bereiche als den Transport oder die Industrie zu nutzen, ist der Neusser Bürgermeister Herbert Napp. Neuss hat durch das Hammfeld und die Gewerbe-Parks im Süden der Stadt einen ausgezeichneten Ruf als Dienstleistungsstandort - mit dem besonderen Charme des Hafenambientes könnte diesem Ruf eine neue Note beigefügt werden. Diese Pläne stoßen in weiten Kreisen der Wirtschaft, vor allem der Industrie auf Skepsis und Ablehnung. Insbesondere die Anlieger an den stadtnahen Hafenbecken fürchten langfristig um den Bestand ihrer Betriebe am Hafen.

In einigen Jahren, so ihre Besorgnis, könnten sie mit Klagen wegen Lärm- oder Geruchsbelästigungen überzogen werden. Die Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein sieht in dem Neusser Hafen vor allem das florierende industrielle Herzstück der Region. Es gelte auch für den Kreis, nicht ausschließlich auf die konjunkturempfindlichen Dienstleistungsstrukturen zu setzen, sondern auch Raum für Blaumann-Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten.

Diese Fragen werden die Diskussion der kommenden Monate bestimmen - spannende Hafenzeiten für die Stadt und auch den Kreis Neuss. Es wird dauerhaft entscheidend sein, wieviel Hafen die Perspektiven noch enthalten werden.

Der Neusser Hafen - das Tor zur Welt im Kreis Neuss. Der Neusser Hafen auch das Tor zur Kreisstadt. Ob sich diese enge Bindung vertiefen kann, wird sich in naher Zukunft erweisen. Die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Diskussion um die (An-)Bindungen zwischen Neuss und seinem Industriehafen sind in vollem Gange, noch stehen sich Befürworter und Gegner unvereinbar gegenüber. 

Die Aufnahmen sind unterteilt in

 

Virtuelle Foto- Galerie Industriegeschichte und Kulturlandschaft     Stand: 12.02.09     © Christian Brünig  Dank an