Einzelobjekte: Spuren der Arbeit 

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Mannesmannröhren-Werke in Bous

Auf Einladung von Herrn Dr. Thiery, Geschäftsführer der Grundstücksgesellschaft und mit Unterstützung von Herrn Prof. Wessel, Mannesmann- Archiv, hatten wir Gelegenheit für eine kurze Besichtigung  des gewaltigen gewachsenen Hallen- Bestandes der still gelegten Mannesmann- Röhren werke in Bous. Vielen Dank dafür!

Zur Geschichte gibt die Webseite des Mannesmann- Archivs Auskunft: ( http://www.archive.nrw.de/archive/script/bestand/haupt2.asp?nr=418&B_Id=7 )

Eine Gruppe saarländischer Industrieller und Bankleute gründete am 2. Oktober 1886, knapp neun Monate nach der Patentierung des Schrägwalzverfahrens zur Herstellung nahtloser Stahlrohre und nur zwei Monate nach der Herstellung des ersten nahtlosen Mannesmannrohres überhaupt, unter Beteiligung von Mitgliedern der Familie Siemens gemeinsam mit der Familie Mannesmann die Mannesmannröhren-Walzwerks-Aktien-Gesellschaft, Saarbrücken, später Bous.

Im Frühjahr 1887 begann auf einem verkehrsgünstig gelegenen Gelände zwischen der Eisenbahnlinie Saarbrücken/Trier und der Saar in der Gemeinde Bous der Bau des Röhrenwerkes. Im Oktober 1887 nahm es mit einer Anfangsbelegschaft von 279 Arbeitern den Produktionsbetrieb auf.

Technische Schwierigkeiten führten 1890, kurz bevor die Brüder Mannesmann das für die wirtschaftliche Herstellung nahtloser Rohre erforderliche Pilgerschrittverfahren erfanden, zu großen finanziellen Problemen. Da die Familie Siemens und auch die anderen Geldgeber nicht bereit waren, weiteres Kapital zu stellen, suchte man die Unterstützung von Banken, insbesondere der Deutschen Bank und deren einflussreichem Vorstandsmitglied Dr. Georg Siemens. Dieser schlug vor, die drei bestehenden kontinentalen Mannesmannröhren-Werke in Remscheid, Bous und Komotau in einer neuen, großen Mannesmannröhren-Gesellschaft zusammenzufassen. Dementsprechend beschloss die außerordentliche Generalversammlung der Mannesmannröhren-Walzwerks-AG, Bous - wie auch die der anderen Mannesmann-Gesellschaften - die Auflösung der Gesellschaft und die Übertragung des Vermögens auf eine neu zu gründende Aktiengesellschaft, die am 16. Juli 1890 als Deutsch-Österreichische Mannesmannröhren-Werke AG entstand. Das Röhrenwerk Bous firmierte fortan als Deutsch-Österreichische Mannesmannröhren-Werke AG, Abteilung Bous. Zur Sicherung der Versorgung mit Röhrenhalbzeug übernahm Bous 1906 das seit 1897 bestehende Gußstahlwerk Saarbrücken.

Im Oktober 1918, am Ende des Ersten Weltkrieges, besetzten französische Truppen das Saarland, das Röhrenwerk in Bous und das Gußstahlwerk in Saarbrücken wurden der französischen Militärverwaltung unterstellt. Auf Drängen des Staates gründeten im September 1920 französische Röhrenunternehmen eine Gesellschaft französischen Rechts mit Sitz in Paris, die Société Anonyme des Aciéries et Usines à Tubes de la Sarre (SAUTS), in diese wurden das Röhrenwerk Bous und das Gußstahlwerk Saarbrücken eingebracht. Mannesmann wurde mit 40 % an der SAUTS beteiligt. 1935, als das Saarland wieder an Deutschland angegliedert wurde, erwarb Mannesmann das Werk Bous vollständig zurück; das Stahlwerk in Saarbrücken wurde stillgelegt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, am 1. Januar 1946, wurde das Röhrenwerk in Bous unter französische Sequesterverwaltung bzw. unter die Kontrolle der französischen Militärregierung gestellt. Auf Grund einer Entscheidung der alliierten Reparationskommission in Brüssel vom 13. Januar 1949 wurde das Eigentum am Röhrenwerk mehrheitlich entschädigungslos auf die französische Republik übertragen. Diese wiederum überließ ihre Anteile am 12. Juli 1950 einer französischen Industriellen-Gruppe, die zur Betriebsführung die Société des Usines à Tubes de la Sarre (SUTS) mit Sitz in Paris gründete. Dieselbe Gruppe hatte bereits von 1920 bis 1935 das Röhrenwerk in Bous mehrheitlich geführt und mit der Mannesmannröhren-Werke AG zusammengearbeitet, dies geschah nun wiederum. Mannesmann übertrug seine verbliebenen Anlagenteile am Röhrenwerk Bous mit Wirkung vom 1. September ebenfalls auf die SUTS und erhielt im Gegenzug eine Beteiligung von 40 Prozent an der neuen Gesellschaft.

Als das Saarland zum 1. Januar 1957 aufgrund des deutsch-französischen Saar-Vertrags wieder deutsch wurde, erlangte eine 1951 getroffene Sondervereinbarung Wirksamkeit. Ihr zufolge sollten nach einer eventuellen Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik die Beteiligungsverhältnisse an der SUTS einer erneuten Prüfung unterzogen und ggf. zum Ende einer Übergangszeit verändert werden. In Folge dieser Vereinbarung wurde die Röhrenwerke Bous/Saar GmbH mit Sitz in Bous zur Übernahme des Betriebs des Röhrenwerkes gegründet. Das Stammkapital der Röhrenwerke Bous/Saar GmbH wurde von der SUTS gehalten, an der Mannesmann ab 1960 mit 51 Prozent beteiligt war, also die unternehmerische Mehrheit hatte. In den Folgejahren erhöhte Mannesmann seinen Anteilsbesitz bis sich das Unternehmen Ende 1985 wieder vollständig in Mannesmann-Besitz befand. In der Folge wurde die französische Gesellschaft aufgelöst.

1997 gründeten die Mannesmannröhren-Werke AG und die französische Vallourec SA ein Joint Venture auf dem Gebiet warmgefertigter nahtloser Stahlrohre, die Vallourec & Mannesmann SA (V & M) mit Sitz in Boulogne-Billancourt. Von Mannesmann wurde u. a. das Werk Bous in diese neue Gesellschaft eingebracht.

1998 übertrug V & M das seit 1961 zum Werk Bous gehörende Elektrostahlwerk auf die Georgsmarienhütte Holding (GMH). Das Röhrenwalzwerk in Bous wurde im Dezember 1998 stillgelegt, im März 1999 stellte die Adjustage ihren Betrieb ein.

Seitdem wird das Gelände Stück für Stück einer neuen industriellen Nutzung zugeführt. Die Standortbedingungen in einem der letzten Industriegebiete an der Saar direkt an Autobahn und Eisenbahn sind günstig. Das benachbarte Elektro- Stahlwerk produziert weiterhin unter der Regie der Georgsmarienhütte. Einige Nebenanlagen sind abgerissen worden; der Haupthallenkomplex steht noch und wird partiell nachgenutzt. Unter den technischen Standards wie Brand- und Arbeitsschutz, Wärmedämmung, dürfte eine vollständige Neu- Nutzung der Hallen ohne massive Eingriffe in die Substanz freilich schwierig werden.

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Ansicht von Norden
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Innenhof
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An den neuen Hallen
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An den neuen Hallen
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An den neuen Hallen
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Hallendurchgang
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Alte Halle
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Alte Halle
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Nachnutzung in den neuen Hallen
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Neue Halle
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Neue Halle
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Neue Halle
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Neue Halle
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Neue Halle
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Neue Halle
 

Virtuelle Foto- Galerie Industriegeschichte und Kulturlandschaft     Stand: 12.02.09     © Christian Brünig  Dank an