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Polaroids
Inkognito1
Polaroids
Hoffmanns Erzählungen
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Martina Biesenbach - Polaroids
Die dem innewohnende Überzeugung, dass die menschliche
Seelenlandschaft in viele widerstreitende Möglichkeiten zerfällt,
drückt auch eine Reihe von Polaroid-Selbstporträts [1998]
aus sowie ein Zyklus überarbeiteter Fotografien "Hoffmanns
Erzählungen" [1999]. Hier posiert die Künstlerin
mit vor Entsetzen geweiteten Glupschaugen, einer Blindbrille, wie
man sie auf der Sonnenbank verwendet, um (in ironischer Färbung)
zu demonstrieren, wie jemand im Zustand größter Verzweiflung
die Würde zu behalten versucht. Dass hier Fotos den Ausgangspunkt
für eine Weiterverarbeitung liefern, ist im Schaffen Biesenbachs
kein Einzelfall: so hatte sie die Möglichkeit, den ausgelagerten
Kölner Straßenstrich einen Tag vor "Inbetriebnahme"
zu besuchen und fotografisch zu dokumentieren. Auffällig ist
an dieser Serie das betonte Understatement, der Betrachter musss
schon wissen, worum es sich handelt. Biesenbach nämlich richtet
das Augenmerk mehr auf unscheinbare Details, teilweise auch auf
eine scheinbare Ästhetisierung. So zeigen die Fotos diese nichtssagenden,
nummerierten Sexcontainer in menschenleeren Fluren, Waschräume,
Waldstücke, aber nichts wirklich Verfängliches.
Diese Fotos boten dann den Anlass für eine freiere Umsetzung
des Themas in eine Serie von tafelbildartigen Assemblagen. Zentrales
Motiv ist ein roter (eigentlich nutzloser) Alarmknopf, mit dem die
Sexkabinen versehen sind, der jeweils mittig ins Bild gesetzt und
vielfach variiert wird. So wird er zum Apfel, zur Gitterstruktur,
zum rot zerspritzten Schwamm (steht für einen Luftröhrenschnitt,
der bei der Operation einer älteren Prostituierten vorgenommen
werden musste). Andere Arbeiten lösen sich von diesem Leitmotiv,
weisen mit einer Menge von Liebesperlen in aufgelöster Form
oder mit einem Blumenkranz auf die naiv-idealistischen Romantik-Vorstellungen
von Familie und heiler Welt hin, mittels derer die Frauen ihre tatsächliche
soziale Realität zu transzendieren suchen.
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