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Autorin: Katja
Baumgarten
Monika Hauser "... berichten was ich gesehen hab" |
Politische Geschäftsführerin Spendenkonto:
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Monika Hauser schildert ihr bewegtes Leben – im Einsatz für das Frauenhilfsprojekt medica mondial in Bosnien, als Frauenärztin in einem Kölner Krankenhaus und schließlich als Mutter und Partnerin Ein Portrait von Katja Baumgarten
"Es gibt Dinge, die mir Frauen in Bosnien erzählt haben, die ich ganz tief in mir vergraben habe, über die ich mit niemandem reden kann. Das geht soweit, dass ich denke, das kann ich nicht einmal einer Therapeutin antun, ihr das zu erzählen. Die sind in mir vergraben – die stecken fest, irgendwo da drinnen." Die Bedeutung dieser Worte wird mir erst im Nachhinein voll bewusst. Ein heißer Sommertag vor sechs Jahren: zu Besuch in der Wohnung von Monika Hauser, Mitte Juli 95, und ein unbegreiflicher, grausamer Krieg "vor unserer Haustür" auf dem Balkan. Aufnahmen mit dieser außergewöhnlichen Frauenärztin für ein Portrait für's Fernsehen – in einer unüblichen Form: Ohne Kamerateam, wir sind zu zweit. Ich nehme als mitfühlende Frau auf, was sie mir berichtet – mit meiner kleinen Amateurkamera halte ich es fest. Ich bin aufmerksames "Medium" – Verwandtschaft mit meiner Hebammenarbeit. Nach der intensiven Begegnung finde ich mich an einem kleinen See wieder. Die übergroße Konzentration und Aufnahmefähigkeit schlägt um in tiefste Erschöpfung: Die Wucht und die Spannung von all dem, was mir diese Frau in den letzten Stunden von ihren Erfahrungen erzählt hat, breitet sich langsam aus.
Dr. Monika Hauser: Fachärztin für Gynäkologie, 1959 als Südtirolerin in der Schweiz geboren, dort aufgewachsen, hat in Innsbruck und Bologna Medizin studiert. Heute lebt sie in Köln. Als sie im Herbst 1992 durch einen Pressebericht auf die massenhaften Vergewaltigungen an bosnischen Frauen aufmerksam wird, reagiert sie auf der Stelle: Sie fährt nach Bosnien und gründet zusammen mit einheimischen Frauen das Frauenhilfsprojekt "Medica" in Zenica – zunächst ohne einen Pfennig Geld. "Wir wussten, dass wir es schaffen würden, wir hatten das Gefühl großer Kraft. Mich hat das Nichtstun des Westens wütend gemacht." Das Frauentherapiezentrum Medica entsteht in Zenica in Zentralbosnien. Kernstück ist eine mobile gynäkologische Ambulanz in einem gut ausgestatteten Wagen, mit der auch Frauen in entlegenen Gebieten kostenlos behandelt werden können. Drei Frauenhäuser gehören dazu, in der Flüchtlingsfrauen mit ihren Kindern auch stationär aufgenommen und behandelt werden können – wo sie zum Teil auch zunächst leben können.
1993 lebt sie das ganze Jahr über in Bosnien. Danach setzt sie ihre Fachärztinnenausbildung in einem Kölner Krankenhaus fort, mit einer halben Stelle. Ihre Arbeitszeit spielt sich von da ab im folgenden Rhythmus ab: Zwei Wochen Arbeit für Medica mit regelmäßigen Reisen nach Bosnien, dem Auftreiben von Spendengeldern und mit der Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland – und zwei Wochen Arbeit im Krankenhaus in Köln, auf einer geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung.
Auf beides lässt sie sich maximal ein. "Ich kann nicht mit den Frauen arbeiten und es interessiert mich nicht, was mit ihnen los ist. Warum eine 30-jährige Frau Krebs bekommt – das beschäftigt mich schon über mein Aufklärungsgespräch mit ihr hinaus. Wenn ich Nachtdienst habe, versuche ich mir die Zeit zu nehmen, mit den Frauen auch zu sprechen." Einmal muss sie beispielsweise einer sehr jungen Frau mit zwei kleinen Kindern eine Krebsdiagnose mitteilen und ihr erklären, dass sie noch zwei Jahre zu leben hat und sie ihren Lebensplan daraufhin einrichten muss. "Ich schaff es einfach nicht, das alles an mir abprallen zu lassen. Andererseits kann ich mich über die hierarchischen frauenfeindlichen Strukturen in diesem Haus tagtäglich aufregen und kann mir nicht sagen, ich hab hier nur einen halben Job – ich lass es an mir vorbeigehen. Das geht einfach nicht – ich kann das nicht."
Gleichzeitig die Arbeit für Medica. Der Tag unserer
Begegnung fällt in die Zeit, als gerade Tausende von Menschen
in Srebrenica verschleppt, gefoltert und ermordet werden. Monika Hauser
hat kaum geschlafen, nachts noch mit Zenica telefoniert. In Deutschland
geht das Leben unbeirrt weiter. "Ich fühle meine Verantwortung,
stellvertretend für andere, das zu berichten, was ich gesehen
habe – was zutiefst mein Leben verändert hat und mein Leben auch
prägt.", sagt sie. Allein beim engagierten und offensiven
Berichten belässt sie es nicht. Medica dokumentiert systematisch
alle Verbrechen, die von Zeuginnen berichtet werden. Unterlagen, die
auch beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verwendet werden.
"Ich würde eigentlich sehr gerne ein Kind bekommen", sagt mir Monika Hauser an diesem Julitag, "aber das geht jetzt nicht." Sie hat ihre Aufgabe im Krieg gefunden. Dort wird sie dringend gebraucht. Ihr Privatleben hat sie dafür zurückgestellt. Angesichts der Flüchtlingsströme in die Lager nach Zenica in dieser Zeit sagt sie: "Da gibt's nichts. Es heißt einfach: volle Kraft und den Frauen helfen. Wenn man diese Frauen und Kinder sieht, die kommen und immer noch unter Schock stehen, dann weiß man, dass das die Arbeit ist!" Ihr Partner steht voll hinter ihr. "Ich glaube,
wenn Klaus Peter nicht zutiefst von diesem Krieg auch betroffen wäre,
würde es wahrscheinlich gar nicht gehen – ich denke, dass wir
uns darin auch gefunden haben. Ich könnte gar nicht mit einer
Person zusammen sein, die den Sinn dieses Projekts nicht einsähe
und die auch nicht einsähe, dass ich wegen diesem Krieg mein
Leben umgestellt habe."
Fast ein Jahr später bekomme ich einen Brief von
Monika Hauser: Wenige Monate nach unserer Begegnung hatte sie einen
völligen Zusammenbruch. Nun ist sie in der 26. Woche schwanger.
Ihr Sohn Luca wird im August 1996 geboren. "Sicher ist es kein Zufall,
dass ich nach der Krise schwanger wurde." Seitdem hat sich ihr
Leben sehr verändert.
Schwangerschaft und Geburt waren nicht einfach, ihr Kind wird nach einem vorzeitigen Blasensprung in der 32. Woche zu früh geboren. Die Zeit danach war wunderschön – Rückzug in "unsere Dreier-Höhle" zu Hause. Eine Erholung, "eine Zeit, von der man weiß, dass man so etwas nie mehr erleben wird." Sie nimmt von ihrer Krankenhausarbeit ein halbes Jahr
Erziehungsurlaub. Danach nimmt ihr Mann Erziehungsurlaub. Die Arbeit
für Medica geht allerdings gleich nach der Geburt weiter. Luca
kommt überall mit hin, sein Vater ist auch immer dabei. Wenn
sie Vorträge hält, müssen die Reisekosten für
die ganze Familie von den Veranstaltern übernommen werden: Das
ist ihre Bedingung.
1998 beendet Monika Hauser ihre Fachärztinnenausbildung.
Danach ist mit der Zerrissenheit zwischen der Krankenhausarbeit und
ihrem Herzensprojekt Schluss. Im April 1999 lässt sie in Köln
alles stehen und liegen. Im Kosovo ist Krieg ausgebrochen. Sie fährt
sofort nach Albanien und gründet an der Grenze zum Kosovo das
zweite Medica-mondiale-Projekt: Medica Kosova. Zu Hause haben sie
und ihr Mann gerade ein Reihenhaus gekauft, eine Rückzugsmöglichkeit
außerhalb von Köln. Den Umzug, die Versorgung von Luca,
alles muss ihr Mann in dieser Zeit allein bewältigen.
Heute ist Monika Hauser politische Geschäftsführerin
von Medica Mondiale e.V. mit einer 35-Stunden-Stelle. Luca ist jetzt
viereinhalb Jahre alt. Ihr Mann hält ihr weiterhin den Rücken
frei: Er hat für vier Jahre unbezahlten Urlaub von seiner Arbeit
als Tontechniker beim WDR genommen. Obwohl sie ihren Sohn bei seinem
Vater in bester Obhut weiß, hat sie als Mutter manchmal mit
Schuldgefühlen zu kämpfen: "Es ist erstaunlich, wie
tief auch ich mir das gesellschaftliche Frauenbild zu eigen gemacht
habe." Wenn sie jetzt mal für ein bis zwei Wochen in den
Kosovo reisen muss, fällt es ihr sehr schwer, zu Hause anzurufen
und mit Luca zu telefonieren, ohne bei ihm sein zu können.
Den konstanten Rückhalt von Klaus-Peter im Alltag nimmt sie mit Dankbarkeit. Er hat bei ihrer familiären Arbeitsteilung gelegentlich die gleichen Erschöpfungssymptome wie normalerweise eine Mutter: den familiären Zeitplan im Griff behalten, das Kind muss rechzeitig in den Kindergarten, abends kommt eine erledigte Frau nach Hause. Wie findet man noch zu eigenem Engagement? Der Themenkreis der Gespräche am Rande des Sandkastens auf dem Spielplatz füllt ihn nicht aus, zumal es keine eigene Männerkultur in diesem Lebensbereich gibt und kaum Modelle als Vorbild für eine andere Rollenverteilung, als die übliche. Ihr Partner ist für sie auch ein hervorragender "Supervisor": Sein guter Blick von außen hilft ihr dabei, Prozesse zu reflektieren.
Für ihren Einsatz mit dem Frauenhilfsprojekt hat Monika Hauser in den vergangenen Jahren zahlreiche Preise und Auszeichnungen bekommen: 1993 wurde sie von den ARD-Tagesthemen zur "Frau des Jahres" gewählt, im Juni 1994 Verleihung des "Gustav-Heinemann-Preises". Es folgen zahlreiche Auszeichnungen. Sie sieht in diesen Preisen "auch eine Anerkennung der Arbeit der bosnischen Frauen, denn normalerweise wird Frauenarbeit doch nur als Caritas gesehen." Sie spürt allerdings auch die Ambivalenz der Auszeichnungen, eine Alibifunktion, um weiter mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun haben zu müssen. Im Oktober 1996 lehnt sie die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes ab. Die Frauenärztin begründet das in einem ausführlichen offenen Brief an den Bundespräsidenten: Sie verweigert diese Ehrung aus Protest gegen den Beschluss der deutschen Regierung, mit der Rückführung der bosnischen Flüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina zu beginnen – trotz der noch vollständig instabilen und katastrophalen Zustände in ihrer Heimat. Ihr Schlusssatz: "Die moralische Kraft der demokratischen Bundesrepublik Deutschland muss sich unter anderem daran messen lassen, wieweit sie sich in ihrer Politik für Überlebende eines Genozids einsetzt."
Ihr gesundheitlicher Zusammenbruch im Winter 1995/96 war das Resultat der vollständigen Überarbeitung, ständig auf Hochtouren, die eigenen Grenzen zu überschreiten – Reisen, Veranstaltungen, keine Zeit mehr zum Nachdenken über sich selber. "Im Dezember 95 war`s fertig – da habe ich nicht mehr gekonnt!" Verschlimmernd wirkte die Kluft zwischen der Gleichgültigkeit, die sie in der deutschen Gesellschaft erlebte und ihren eindrücklichen Erlebnissen in Bosnien. Dazu kam das, was in der Fachsprache Sekundärtraumatisierung heißt: Die fortwährende Konfrontation mit den extrem belastenden Erfahrungen der Frauen im Kriegsgebiet führten bei ihr zu einem hochgradigen Erschöpfungszustand.
Als es im Kosovo losging, war sie schnell wieder auf der gleichen Schiene wie früher: zuviel Arbeit! Aber sie spürt die Frühsymptome jetzt besser und reagiert eher auf die Signale ihres Körpers. "Es ist immer eine Prüfung für mich, weil ich es gerne anders hätte, und manchmal am liebsten meinen Körper ignorieren möchte." Das Leben mit Luca zwingt sie und hilft ihr auch gleichzeitig, anders mit ihren Kräften zu haushalten. Sie hat besser gelernt, Grenzen zu ziehen: Das private Telefon klingelt jetzt nicht mehr ununterbrochen wie früher, die Abende sollen frei bleiben. "Ich muss mich mehr konzentrieren – und akzeptieren, dass ich nicht nur die Überfliegerin bin."
Die Autorin Fachartikel und Filme von Katja Baumgarten |
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