Ulrich Leive hat mehrere Bilder gemalt zu diesem Thema. Ich persönlich bevorzuge dasjenige, das ganz in Blau gehalten ist (Anspielung auf die Nacht) und die direkte Begegnung Jakobs mit einem Engel darstellt.
Jakob liegt in einer bergigen Gegend auf seinem Steinkissen, wohlig ausgestreckt. Halb schläft er, halb ist er doch etwas bei Bewusstsein. Man merkt es daran, dass er die Augenlider zwar geschlossen hat, aber doch irgendwie durch sie hindurchsieht. Auch hat er den linken Arm gehoben, offenbar aus Sehnsucht, das zu berühren, was sein geistiges Auge sieht.
Und was sieht er denn? Natürlich die Jakobsleiter, den berühmten Ort – Jakob nennt ihn das Tor des Himmels -, wo die Engel zum Himmel auf- und niedersteigen. Auf diesen Text beruft sich auch Jesus, und später werden die Mönche daraus eine ganze Theorie des asketischen Aufstiegs entwickeln.
Bei Leive geht es nicht in erster Linie darum, sondern um die direkte Begegnung Jakobs mit einem Engel. Dieser Engel ist wirklich unübersehbar. Sein Körper füllt das ganze Bild von oben bis unten aus. Es ist eine Frau, mit wohlgeformten Brüsten und einem rundlichen Bauch. Das Grossartige ist jedoch sein Gesicht. Wie liebevoll schaut es auf den schlafenden Jakob! Und damit nicht genug! Mit seiner rechten Flügelspitze stösst er sachte an Jakobs Wange, um ihn aufmerksam zu machen auf das, was sich in seinem linken Flügel ausbreitet: nämlich ein ganzer Schwarm von Engelgestalten, die im Raum tanzen.
Glücklicher Jakob! Du hast eine Vision. Und diese Vision wirst du nicht mehr vergessen, sie wird dein ganzes Herz erfüllen und dich mit unsterblicher Sehnsucht segnen. Sehe ich dich nicht rechts oben im Bild, wie du dich auf den Weg nach oben gemacht hast und dazu die Flöte spielst? Du schreitest nicht auf einer Himmelsleiter, aber du schreitest nach oben, Schritt für Schritt, und nur schon das Schreiten macht dich voll von Musik. Schreite weiter, Jakob!
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