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WAZ/Mantel/Kultur/17.12.2002
Intimer Kammerjazz und tolldreiste Eskapaden
Bei den Konzerten des "jazzwerkruhr"
Von Wolfgang Platzeck
WAZ Ruhrgebiet. Im Essener "Prüfstand" und im Theater im Depot Dortmund präsentierte das "jazzwerkruhr" die Ergebnisse seines ersten Projekts "Artists in Residence". Das von den Intitiativen Jazz Offensive Essen und Pro-Jazz Dortmund betriebene "jazzwerkruhr", Nachfolger des erfolgreichen Projekts "JazzPodiumRuhr - Swingbeats", wurde 2002 mit Mitteln der regionalen Kulturförderung des Landes finanziert. Bei "Artists in Residence" konnten sich drei ausgewählte Revier-Musiker je einen internationalen Gast als Partner wünschen. Der Dortmunder Saxophonist Matthias Nadolny, mit seinem warmen, schmiegsamen Balladenton einer der großen deutschen Tenoristen, wählte den bei uns kaum bekannten italienischen Pianisten Glauco Venier. Das Ergebnis war eine intime Zwiesprache von einer Intensität und Vertrautheit, die sich oft erst nach Jahren einstellt: neoromantisch verträumt und von expressiver Wucht, verhalten swingend und voll verblüffender perkussiver Akzente (Venier), wunderschön in der behutsamen Entwicklung der Themen. Dieser Kammerjazz ist der Tradition verpflichtet; doch Nadolny/Venier zeigen, dass man auch im Mainstream die eigene Fahr-Rinne behaupten kann. Der in Dortmund lebende britische Bassist Stu Grimshaw konnte eine Auftragskomnposition für Streichquartet, Elekronik, Jazztrio und Stimmen realisieren. Dem Stück "Der Fremde" - eine humorvolle Tour de Force über Stilgrenzen hinweg und zugleich stark von Weill, Eisler und Zappa (nicht nur wegen des Sängers Ike Willis) geprägt - hätte allerdings eine Straffung und Verdichtung gut getan. Der Essener Posaunist Matthias Müller schließlich lud zu einem "Pre-Listening". Die tolldreiste Hatz seines "Bhavan"-Quartetts (Jan Klare, Saxophon/Elektronik; Andreas Wahl, Gitarre; Peter Eisold, Schlagzeug) durch alle Bereiche des zeitgenössischen Jazz hat schon jetzt überragendes Format. Doch der Chicagoer Produzent und Festivalmacher John Corbett soll den endgültigen Schliff geben. Gemeinsam geht's bald ins Tonstudio. Auf welchem Label die von Corbett produziert CD herauskommt, steht leider noch in den Sternen. Dabei dürfte ihr internationaler Erfolg gewiss sein.



NRZ/15.12.2002 / LOKALAUSGABE / ESSEN
Vorweihnachtliche Jazz-Bescherung
Von
Christoph Giese
MUSIK / Beeindruckendes Wunschkonzert bei "Artists in Residence" auf dem Prüfstand der Zeche Zollverein. Drei Reviermusiker trafen auf internationale Könner ihres Fachs. Es entstand ein bunter Stilmix. Die heimische Szene darf sich auf ein neues Forum freuen. Das "jazzwerkruhr" möchte Träume und Konzepte möglich machen. Die beiden Organisatoren, die Jazz Offensive Essen und ProJazz Dortmund, haben einiges vor. Aber alles hängt wie immer von Fördergeldern ab. Die gab es offensichtlich ausreichend zum Auftakt mit dem Projekt "Artists in Residence" auf dem Prüfstand der Zeche Zollverein.Fast eine vorweihnachtliche Bescherung. Drei Jazzer aus dem Revier durften sich einen internationalen Gast wün-schen; das "jazzwerkruhr" machte die Begegnung finanziell und logistisch möglich. Der Dortmunder Tenorsaxofonist Matthias Nadolny bat den in seiner Heimat renommierten, hierzulande aber ziemlich unbekannten italienischen Pianisten Glauco Venier zu einem intimen Duo auf die Bühne. Das Ergebnis: eine Kammermusik mit viel Seele, entrückten und zupackenden Momenten und gehaltvollen Gesprächen, die auf der Basis der Jazztradition geführt wurden, diese aber eigenständig erweiterten. Der ebenfalls in Dortmund lebende, britische Bassist Stu Grimshaw hatte sich was ganz Besonderes ausgedacht. "Der Fremde" hieß sein Stück für Streichquartett, Elektronik, Gesang, Trio - und Ike Willis. Der ehemalige Sänger und Gitarrist von Frank Zappa war eigens aus den USA eingeflogen worden, um seine prägnante Stimme diesem ungewöhnlichen Projekt zu leihen, das als aberwitzige Performance aus theatralischem Humor und einem musikalisch bunten Stilmix Ohren und Intellekt beim Zuhören forderte. In wie weit die Zusammen-arbeit von "Matthias Müller Bhavan" des Essener Posauni-sten Matthias Müller mit John Corbett Früchte trägt, das wird man erst auf der CD des Quartetts nachhören können. Die wird der renommierte Publizist, Produzent und Festivalmacher aus Chicago in Kürze produzieren. Corbett saß im Publikum und dürfte registriert haben, wie unverschämt direkt und Grenzen ignorierend diese vier Ruhrgebietsmusiker ihre Auffassung von moderner Jazzmusik dem Zuhörer ins Gesicht klatschten.


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stand 06.01.03