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Autorin: Katja Baumgarten DEUTSCHE HEBAMMEN-ZEITSCHRIFT Heft 6/2002 |
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Wien
- 26. ICM-Kongress "midwives and women together for the family of the world"
"Es
geht so viel Kraft Katja Baumgarten
hat vielerlei Eindrücke auf dem 26. Internationalen Hebammenkongress
in Wien gesammelt. Aus dem reichhaltigen, teilweise überflutenden,
Angebot, berichtet sie über die High-Lights, High-Tech-Produkte
und die kleinen Dinge am Rande, die mit Low-Tech auch Wesentliches bewirken
können Leider gab es neben der umfassenden
Wiener Gastfreundschaft auch einen höchst unerfreulichen Zwischenfall:
Einige afrikanische Kolleginnen, die mit ihren prächtigen landestypischen
Gewändern immer wieder für Bewunderung sorgten, wurden gleich
am ersten Abend in der U-Bahn aggressiv mit rassistischen Parolen verbal
angegriffen, was der euphorischen Freude zum Auftakt der farbenfrohen
internationalen Zusammenkunft der Geburtshilfe-Expertinnen aus der ganzen
Welt einen empfindlichen Dämpfer aus der Alltagswirklichkeit verlieh. Geradezu ein Gefühl der Ergriffenheit
hatte bei den Eröffnungsfeierlichkeiten aufkommen können.
Zu dieser großen Versammlung „Weiser Frauen“ aus 79
Nationen waren viele in ihren landestypischen Trachten erschienen: Die
große Vielfalt der hochmotivierten gebildeten und selbstbewussten
Frauen aus allen Teilen der Erde war überwältigend, die allesamt
jede für sich mit unterschiedlichen Schwierigkeiten und Herausforderungen
in ihren Heimatländern ihr Bestes geben, den Müttern und Kindern
in der Zeit der Geburt beizustehen und sie zu beschützen. Und gleichzeitig
daran arbeiten, den Berufsstand der Hebammen zu stärken und die
Qualität der geburtshilflichen Arbeit zu verbessern.
„Ich bin wirklich begeistert
von der Stimmung hier“, begrüßte Frau Dr. Margot
Klestil-Löffler, Österreichs First Lady und Schirmherrin des Kongresses die Hebammen
aus aller Welt im großen Saal des „Austria Center Vienna“,
das trotz seiner insgesamt eher unwirtlichen Architektur, für die
folgenden Tage mit blühendem Leben gefüllt wurde: „Es
geht so viel Kraft von Ihnen aus!“ Sie bestärkte die Hebammen
in ihrem Beitrag zur interventionsarmen Geburtshilfe, indem „der
Mensch dem Menschen Heilmittel ist und sein sollte“. Noch immer
fühlten sich zahlreiche Frauen in der Zeit der Schwangerschaft
und der Geburt allein gelassen und ausgestoßen, eine Zeit, in
der sie oft keine Vertrauten um sich hätten. Die Hebamme könne
den Müttern und ihren Kindern die engste Freundin sein, die entscheidend
dazu beitrage, die Säuglingssterblichkeit zu senken die in Österreich
bei 4,9 Promille liegt, weltweit dagegen bei 52,6 Promille „Nicht
Technik fehlt, sondern das Wissen, wie Leben auch unter schwierigen
Umständen erhalten werden kann. Hebammen, die in allen Teilen der
Welt mit Vorurteilen und geburtswidrigen Praktiken konfrontiert sind,
sind die Lehrerinnen des Lebens“. „Nicht Ärzte sind
in erster Linie für die Geburt zuständig, sondern die Hebammen!“
schloss Frau Dr. Klestil-Löffler und scherzhaft fragte sie: „Was
machen all die Frauen und Kinder, wenn Sie jetzt alle hier in Wien sind?“
Drei Preise wurden an Hebammen
verliehen, die in ihrem Land unter schwierigen Bedingungen erfolgreich
grundlegende Verbesserungen eingeführt hatten. So ging beispielsweise
der mit 4.000 Euro dotierte Preis „Save the Children award“
an Rosemary Nyirenda aus Malawi und an Virgina Mutemari
aus Zimbabwe. Sie hatten unter anderem beide die Känguruh-Methode
in ihrer Region eingeführt. Dadurch konnte zahlreichen Neugeborenen
das Leben gerettet werden. Der ebenfalls mit 4.000 Euro dotierte „Marie
Goubran Preis“, benannt nach der 1990 verstorbenen ehemaligen
geschäftsführenden Sekretärin des ICM, wurde von ihrem
Sohn Alex Goubran an Marie Janneh aus Gambia und an Cecilia
Anna Asare aus Ghana überreicht. Ziel des Preises ist es beizutragen,
in Ländern mit besonderer Hilfsbedürftigkeit und begrenzten
finanziellen Mitteln, die Ausbildung und Praxis von Hebammen zu fördern.
Schließlich wurde noch der „Preis der Columbia Universität
für Hebammen und ihre Verbände“ den Gewinnerinnen Phan
Thi Hanh aus Vietnam, Martha Bokosi aus Malawi und Venus
Mark aus Trinidad & Tobago verliehen. Dieser Preis ist mit 5.000
Dollar dotiert und soll nicht nur die Bemühungen einer Hebamme
zur Senkung der maternalen und neonatalen Mortalität und Morbidität
würdigen sondern dient gleichzeitig auch der Stärkung ihres
Hebammenverbandes.
Das erforderliche Organisationsvermögen
der größenteils ehrenamtlich tätigen Kolleginnen des
österreichischen Hebammenverbandes unter der Leitung der ICM-Präsidentin
Maria Spernbauer sprengte fast die Grenzen des Möglichen: Aus
800 eingereichten Abstracts hatte das von Margaritha Kindl angeführte
wissenschaftlichen Komitee 580 Veranstaltungen zusammengestellt: zumeist
Vorträge und Workshops, aber auch Posterpräsentationen und
Filmvorführungen. Schwerpunktthemen waren Aus- und Weiterbildung,
Kompetenzen und Standards, Hebammenarbeit und soziale und politische
Verhältnisse, Frauengesundheit, Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit.
Auch aktuelle Themen wie Infektionen, Zunahme operativer Interventionen,
Pränataldiagnostik, Gentechnologie wurden behandelt. Bei dieser reichhaltigen, teilweise
unüberschaubaren Fülle war es an der Besucherin, zielstrebig
und diszipliniert die Spreu vom Weizen zu trennen, wobei ein fortwährendes
Gefühl der Atemlosigkeit und Ohnmacht aufkommen konnte, bei dem
Versuch, dem interessanten Angebot gerecht werden zu wollen. Ein übersichtlicherer
Katalog und vor allem eine straffere Vorauswahl wären sicherlich
hilfreich gewesen - letztes hätte vermutlich auch dazu beigetragen,
die Kosten zu senken. Die Teilnahmegebühren werden
mit 440 Euro zusätzlich zu den Kosten für Reise und Unterkunft
für viele Kolleginnen jenseits der Schmerzgrenze gelegen haben,
gerade auch für die freiberuflichen Hebammen, die zusätzlich
noch ihren Verdienstausfall zu überbrücken hatten. Für
die Hebammenschülerinnen aus dem europäischen „Einzugsgebiet“
von Wien, war die Teilnahme offensichtlich nur in den seltensten Fällen
erschwinglich: Dass Schülerinnen beim nächsten Kongress mehr
als diesmal 20 Prozent Ermäßigung erhalten, versprach Petra
Ten Hoope vom ICM. So wird man künftig hoffentlich mehr junge
Gesichter sehen und damit dem Berufsstand mit einem fachlich so grundlegend
gestärkten Nachwuchs einen großen Gefallen tun.
Der 1919 in Antwerpen gegründete
ICM (International Council of Midwives), inzwischen mit
Sitz in Den Haag, ist Veranstalter des Internationalen Hebammenkongresses,
der alle 3 Jahre in einem anderen Land stattfindet. Die erste internationale
Hebammenzusammenkunft soll es bereits 1900 in Berlin mit beachtlichen
1 000 Teilnehmerinnen gegeben haben. Die Vereinigung von 83 nationalen
Hebammenorganisationen aus 70 Ländern, wozu kürzlich die Hebammenverbände
aus Mali, Barbados, Trinidad, Tobago, Kroatien und der Kanadische Verband
der Hebammen als neue Mitglieder beigetreten sind, war mit 50 dieser
nationalen Hebammenorganisationen in Wien angetreten. Insgesamt waren
Hebammen aus 79 Ländern gekommen, also auch aus Staaten, die nicht
im ICM vertreten sind. Der ICM, der mit seiner Arbeit die nationalen
Hebammenorganisationen stärken möchte, fordert als Voraussetzungen
für den Beitritt die professionelle und finanzielle Unabhängigkeit
des jeweiligen Hebammenverbandes.
Ein neues Positionspapier wurde
bei Gelegenheit dieses Kongresses verabschiedet: „Die Hebammen
des ICM-Council unterstützen die Förderung der vaginalen Geburt
im Gegensatz zum Kaiserschnitt. Der ICM bedauert den Einsatz des Kaiserschnitts
für Frauen, wenn nicht gewisse auf wissenschaftlichen Nachweisen
basierende klinische Kriterien erfüllt werden.“ Untermauert
wurde diese Forderung durch einige Vorträge, die sich mit dieser
Thematik kritisch auseinander setzten. Kornelia Müller aus
Österreich gab beispielsweise in ihrem Vortrag „Schwangerschaft
und Geburt im neuen Jahrtausend“ zu bedenken, dass der psychologische
Zusammenhang, als Folge von Angst vollständige Kontrolle ausüben
zu wollen, in Mexico-City bereits zu einer Sectio-Rate von 60 Prozent
geführt hat. Auch in Österreich kämen manche Sanatorien
mit 38 Prozent Sectiones dieser Entwicklung bereits bedenklich näher.
Unverständlich sei, dass weltweit die reichsten Frauen mit der
besten Ernährung die kompliziertesten und teuersten Geburten hätten. Auch Prof. Beate Schücking,
Ärztin aus Deutschland, ging in ihren Ausführungen über „Die
Auswirkung der Geburt auf die Gesundheit der Frau“ einem der vier
morgendlichen Hauptvorträge, auch auf die hohen Interventionsraten
am Beispiel ihrer Auswertungen niedersächsischer Zahlen ein. Auf
21,4 Prozent sei die Sectio-Frequenz dort mittlerweile angestiegen -
davon würden jeweils 50 Prozent als Notfall-Sectio und die andere
Hälfte als geplante Sectio durchgeführt. Anfang der 90er Jahre
war sogar zwischenzeitlich ein Rückgang der Sectio-Frequenz zu
beobachten, mittlerweile sei es jedoch wieder zu einem deutlichen Anstieg
gekommen. „Die medizinischen Vorteile der hohen Interventionsrate
ist nicht belegt!“ kritisiert Schücking: „Hingegen
weiß man, dass die primäre Sectio zu einem Anstieg der kindlichen
Morbidität führt.“ „Die Diskussion wird mehr emotional
als evidenzbasiert geführt“, klagte Schücking und forderte
eine Ausweitung der Forschung hinsichtlich der„langfristigen Wirkung
auf die Frauen, denen zur Geburt der Bauch aufgeschnitten wird“. Nur noch 72,8 Prozent spontane
Einlingsgeburten seien zu verzeichnen, die keinesfalls arm an Interventionen
seien. 19 Prozent der Geburten fänden in PDA statt. Obwohl bekannt
sei, dass eingeleitete Erstgeburten ein fünffach höheres Sectio-Risiko
aufweisen, würde diese Maßnahme bei 18 Prozent der Geburten
durchgeführt. Umfangreiche Studien würden belegen, dass die
hierzulande bei 50 Prozent aller Geburten durchgeführte Episiotomie,
die weltweit am häufigsten durchgeführte Operation, keine
Vorteile bringe. Sie erwähnte einen Vortrag, wonach es karibische
Hebammen gäbe, die diese Verletzung nie gesehen hätten. Die von der WHO empfohlenen Maximalwerte
liegen bei 10 - 20 Prozent. Nur die außerklinische Geburtshilfe
in Deutschland erreiche mit 4 - 19 Prozent diese Empfehlung, die Hausgeburtshilfe
kommt sogar mit nur fünf Prozent Episiotomien aus. Zur hohen medizinische Überversorgung
brachte Prof. Schücking das plastische Beispiel, dies sei, als
würde man wie für eine Himalayabesteigung ausgerüstet
sein und dabei allenfalls über eine Almwiese laufen wollen.
Es würde den Rahmen dieses
Beitrags sprengen, aus der angebotenen Fülle angemessen berichten
zu wollen. Am beeindruckendsten waren für mich die Vorträge,
die sich mit der Situation in den armen und ärmsten Ländern
befassten. „Hut ab“ vor den vielen Kolleginnen, die sich
tagtäglich unter problematischsten Bedingungen bemühen, hochwertige
Geburtshilfe zu leisten. Einige ihrer Ausführungen werde ich hier
ansatzweise wiedergeben. Als einzige Vertreterin der 300.000
indischen Hebammen, hielt Dr. M. Prakasamma, Leiterin der „Academy
for Nursing Studies“ in Hyamabad, den großen Eröffnungsvortrag
mit dem Thema „Geschlecht, Macht und Politik“. Mit einer
Milliarde Einwohnern habe Indien die allergrößten Probleme
in der geburtshilflichen Versorgung. Die zierliche, kämpferische
Frau, hielt einen tief bewegenden Vortrag, in dem sie den Tod unzähliger
indischer Frauen aufgrund von sozialen Ungerechtigkeiten anprangerte.
Eine der Ursachen dafür sei das Kastensystem. Die „Dai“,
wie die traditionelle Geburtshelferin (TBA) in Indien genannt wird,
wurde immer schon geliebt. Sie verbrachte viel Zeit mit der werdenden
Mutter, begleitete sie umfassend in der Zeit ihrer Schwangerschaft und
Geburt. Sie lebte in der dörflichen Gemeinschaft. Die „Dai“
gehörte einer geringen Kaste an: Ohne offizielle Ausbildung, wurde
das Wissen von der Hilfe bei Geburten früher direkt von der Schwiegermutter
an die Schwiegertochter weitergegeben. Mittlerweile jedoch sterben die
Dais aus. Da sie machtlos sind, bekommen sie weiterhin keine systematische
Ausbildung. Bisher habe sie mit einer ANM (auxiliary nurse midwife)
gearbeitet, einer Hilfskrankenschwester, die gleichzeitig Hebamme ist
und in der Zeit der Britischen Herrschaft die frühere Autonomie
der Dais abgelöst hatte. Auch sie lebte im Dorf mit den Frauen,
die Dai stand ihr zur Seite. Nach den 80er Jahren wurden diese ANM zu
„Mädchen für alles“ mit der Bezeichnung „multipurpose
health workers“. Ihre Ausbildungszeit wurde von 24 auf 18 Monate
gesenkt und Ärzte übernehmen ihre Aufgaben. Die Dais, die
in den 60er/70er Jahren in den Dörfern unter Leitung von ANM`s
Geburten leiteten, erhalten jetzt gar keine Ausbildung mehr, da die
ANM`s nur noch in Gesundheitszentren arbeiten. Die Dais brauchen nun
neue Partner für ihre Tätigkeit im Dorf und finden diese Unterstützung
bei männlichen Heilpraktikern, die von Geburtshilfe nichts verstehen.
„Jetzt ist die Situation schlimmer als vor 50 Jahren, als die
Engländer das Land verließen. Indien hat bei der Entwicklung
seines Gesundheitssystems eine Chance gehabt, aber alle Schritte in
die falsche Richtung gemacht: Immer zurück!“ „Ein großes
Land wie meines, braucht Unterstützung durch ein weltweites Netz
von Hebammen.“, schloss Dr. Prakasamma ihren nachdenklich stimmenden
Vortrag.
Auch der Vortragskomplex „Einsatz
von Hebammen in Katastrophengebieten“ über einen ganzen Nachmittag
lang war besonders beeindruckend. Low Tech, das heißt einfache
Technologien, die jederzeit einsetzbar sein können, sind notwendig,
gerade wenn kaum Ressourcen zur Verfügung stehen. Judith O‘
Heir aus Australien hielt einen der Vorträge zum Thema
- „Wenig Technik, große Wirkung: die Versorgung
von Frauen im Katastrophenfall“. Sie ist eine der Initiatorinnen
der „Initiative sichere Mutterschaft“, die sich 1987 in
Nairobi, in Kenia zum Ziel gesetzt hatte, die Müttersterblichkeit
in Ländern mit hoher Sterblichkeitsrate bis zum Jahr 2000 zu halbieren.
Noch immer sterben weltweit mehr als 600.000 Mütter im Jahr, 99
Prozent davon in den armen Ländern und in Krisengebieten. 1997
wurde dies in Kolumbien untersucht, mit der Erkenntnis, dass die Mehrzahl
der Frauen mit der richtigen Behandlung gerettet werden könnte.
Beispielsweise wären die meisten Todesfälle in den Flüchtlingslagern
in Pakistan und Afghanistan verhinderbar gewesen: So beschrieb die Australierin
die Verhältnisse in einem Lager in Afghanistan, wo das Transportmittel
für Gebärende auf dem Weg zur Not-Sectio ein Esel gewesen
sei, der einen Wagen mit einer Matratze zog. „Die Hälfte der Weltbevölkerung
lebt in konfliktreichen Gebieten,“ berichtete Frau Al Gasseer,
die gegenwärtig für die WHO in Genf tätig ist. Sie hat
im Sudan und auch im Westjordanland gearbeitet: „Gerade Mütter
und Babys sind in humanitären Notfallgebieten besonders betroffen.“
So haben beispielsweise weltweit 120 Millionen Frauen keinerlei Versorgung
der Familienplanung, was die Voraussetzung für eine gesunde Mutterschaft
sei. Wichtig für die Ausarbeitung
von Hilfsplänen sei eine genaue Kenntnis der Bedingungen in Katastrophengebieten.
Dabei sei die sorgfältige Dokumentation von besonderer Bedeutung.
Bisher würde jede Statistik anders gesammelt und erfasst - hier
müsse eine Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit geschaffen werden.
Es gäbe Naturkatastrophen oder Kriege die unterschiedliche Hilfsmaßnahmen
erforderten. Dauer und Intensität von Katastrophen seien verschieden.
Im Notfall sei Soforthilfe erforderlich, die manchmal Tage, manchmal
Jahre andauern müsse. „Wir sind die häufig die letzten,
die am Katastrophenort ankommen.“
Dr. Ricardo Davanzo, Kinderarzt
aus Italien berichtete, dass von den 7,1 Millionen Kindern, die weltweit
jährlich sterben, die Hälfte in den ersten 28 Lebenstagen
stirbt. Davon sterben 2,7 Millionen bereits in den ersten 7 Tagen. Auch
hier sind Katastrophengebiete wieder besonders stark betroffen. Er wies
darauf hin, dass oft kleine Veränderungen eine große Wirkung
hätten: So sei es in vielen Kulturen tief verwurzelt, die neugeborenen
Kinder einzuwickeln. Das habe zur Folge, dass sich die Kinder nicht
so viel bewegten, was zu einem schlechten Temperaturhaushalt führen
könne und so zur Gefahr für das Baby werde. Das sei eine schlechte
Technologie, die es aufzugeben gelte. Demgegenüber könnte beispielsweise
durch die überaus kostengünstige Känguruh-Mutter-Versorgung
für Frühgeborene mit niedrigem Geburtsgewicht ein sehr positiver
Effekt erzielt werden: Das Kind erfahre Liebe, Wärme und Anregung,
es wachse besser und habe ein geringeres Infektionsrisiko. Die Mutter,
der Vater oder auch die Großmutter könnten Probleme des Kindes
besser erfassen, was das Risiko für das Baby erheblich reduziere.
Man müsse aber trotz allem akzeptieren und erwarten, dass Kinder
trotzdem sterben, gerade solche mit Geburtsgewicht unter 1.200 Gramm.
Trotzdem sei diese Methode wesentlich besser, als gar keine Hilfe. Als
interessantes Beispiel von effektiver Low-Tech erwähnte er eine
neuveröffentlichte Studie, die besagt, dass bei der Reanimation
die Raumluft, die es überall kostenlos gibt, dem teuren in Krisengebieten
oft gar nicht vorhandene Sauerstoff im Ergebnis sogar überlegen
sei. Degefeh Haileesus schließlich,
Hebamme aus Äthiopien, hielt ihren Vortrag über die Situation
in Liben, einem Landstrich in Äthiopien, in dem die Einwohner vorwiegend
von Landwirtschaft leben und der geburtshilflich zu den am schlechtest
versorgten der Welt gehört. 148.000 der Einwohner dieses Gebietes
sind Frauen, von denen jährlich 1.400 Mütter bei Geburten
sterben. 90 Prozent der traditionellen Geburtsbegleiterinnen sind Analphabetinnen.
Durch das Programm „Save the children“ nahmen diese TBA`s
in den letzten Jahren gemeinsam an lebensrettenden Kursen teil, so dass
mittlerweile immerhin 37 Prozent der Geburten von geburtshilflich ausgebildeten
TBA`s betreut werden.
Neben all diesen den Horizont erweiternden
Vorträgen konnte man in der informativen Fachausstellung einen
Überblick über die zahlreichen neuen und altbewährten
Produkte und über Vereine und Verbände aus dem geburtshilflichen
Bereich gewinnen. Eine der Neuentwicklungen stach dabei besonders ins
Auge: Eine gelenkige schwangere Kunststoffpuppe in Lebensgröße,
als Demonstrationsobjekt für Geburtsvorgänge aller Art in
allen Positionen. Die Bauchdecke der Plastikfrau wurde von dem Vertreter
fachmännisch ohne viel Aufhebens geöffnet und mit einem „Ungeborenen“
bestückt, das dann vollautomatisch geboren wurde. Kostenpunkt ca.
20.000 €. Weltweit wurde bislang ein Exemplar verkauft. Auch für
das kleinere Budget gab es ein Angebot: Der gebärende Unterleib
war als Demonstrationsobjekt auch einzeln, ohne die gelenkige Puppe
zu haben. Der österreichische Abend
soll nicht unerwähnt bleiben, von dessen Vergnüglichkeit noch
am nächsten Tag berichtet wurde: vor allem fragte man sich, wie
wohl die sensationelle Truppe hochschwangerer Bauchtänzerinnen
so termingerecht organisiert worden waren. Und ein Highl-Light war natürlich
auch die Ausstellung “Aller Anfang” die noch bis
zum 6. Oktober im Volkskundemuseum zu sehen ist (siehe DHZ 1/2002).
Dort traf man am Freitag nach dem Kongress noch zahlreiche Hebammen,
vertieft und mit jener Muse die in den Tagen davor nie aufkommen konnte.
Mit dem alles in allem sehr gelungenen
und anregenden Kongress ging auch die Amtszeit von Maria Spernbauer
zu Ende. Die herzliche Gastgeberin mit den sprühenden Charme übergab
ihre schwere Amtskette bei der Abschlussfeier am Donnerstag unter tosendem
Applaus an die neue ICM-Präsidentin, Caroline Weaver. Der
nächste Kongress wird vom 24. bis zum 28. Juli 2005 in Brisbane,
Queensland in Australien stattfinden.
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