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Autorin:
Katja Baumgarten DEUTSCHE HEBAMMEN-ZEITSCHRIFT Heft 4/2001 Editorial April 2001 |
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un-Mittel-bar Meine
Kollegin bringt weder ein transportables Wasserbecken noch einen Gebärhocker
mit. Die Schwangere, die sich telefonisch bei ihr zur Hausgeburt anmelden
wollte, legt dankend wieder auf. Meine Kollegin hat auch keine Zusatzausbildung
in Homöopathie, Fußreflexzonenmassage oder Akupunktur. Wenn
sie eine Frau betreut, bringt sie in erster Linie etwas anderes mit:
die klassischen Tugenden einer Hebamme, von alters her - ihr umfangreiches
geburtshilfliches Wissen, Erfahrung, Feinfühligkeit, Menschenkenntnis,
Respekt, Zuneigung, Geduld. Sie verströmt unerschütterliche
Sicherheit, dass die gebärende Frau ihre Geburt aus eigener Kraft
bewältigen wird. Medikamente finden sich in ihrem Hebammenkoffer
ausschließlich für den Notfall. Der ist nicht übermäßig
schwer. Zum Wochenbettbesuch kommt sie immer mit der gleichen Tasche:
für die anschließenden Einkäufe im Supermarkt. Nur ihr
Portemonnaie ist darin. Bietet
diese Hebamme zu wenig? Die Existenzangst unter Kolleginnen lässt
gelegentlich Druck aufkommen und damit das Bedürfnis, durch zusätzliche
„heilsame" Angebote an Profil und an äußerlich
ablesbarer Professionalität zu gewinnen. Schwangeren Frauen imponiert
diese umfassende Kompetenz und Ausstattung häufig auf den ersten
Blick. Aber lenkt es sie nicht gleichzeitig ab von ihrem eigenen Können,
ihr Kind auf die Welt zu bringen? Kann die großzügige Gabe
von Mitteln nicht eine Zuwendung sein, die zuweilen auch ein Ausweichen
der un-Mittel-baren Begegnung bedeutet, ein schnelles Zufriedenstellen
des Wunsches der Schwangeren, etwas von ihrer Helferin zu bekommen?
Die gar nicht so harmlose Nebenwirkung noch so natürlicher und
sanfter Mittel kann auch eine Schwächung der Mutter bedeuten: Ihre
gelungene Schwangerschaft und Geburt hat sie nicht in erster Linie ihrer
eigenen Kompetenz als Frau zu verdanken, sondern der helfenden Expertin,
deren Kenntnisse und Anwendungen sie oft nicht wirklich durchschauen
kann – es ist etwas „Magie" im Spiel, wie wir es aus
vielen Bereichen medizinischer Behandlung kennen. Für
die Hebamme mag die eigene Verwobenheit in die Geburtsarbeit der Frau
bei einem glücklichen Ausgang persönliche Stärkung bedeuten.
Mancher Frau wäre möglicherweise auf lange Sicht mit einem
Verzicht auf sanfte Eingriffe mehr geholfen. _________________________________________________________________________ |