Autorin: Katja Baumgarten

DEUTSCHE HEBAMMEN-ZEITSCHRIFT Heft 9/2000

Editorial September 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stillen - weil es schön ist!

Liebe Kolleginnen,

beobachten Sie auch gelegentlich eine gewisse „Stillmüdigkeit“? Gerade erzählte mir eine Kollegin gereizt von einer Mutter, die bei ihr anfragte, wann sie endlich mit dem Stillen aufhören „dürfe“.

Was vermitteln wir, wenn wir für das Stillen plädieren? Sind es Lebensfreude, herzlicher, erotischer Austausch mit dem Kind? Frauen werden, wie mir manchmal scheint, mit einem neuen Dogma der perfekten Mütterlichkeit überhäuft. Eine gute Mutter hat ihrem Kind die Brust zu geben - weniger als Akt der Zuneigung und Verbundenheit oder als sinnliche Freude für sie selbst, sondern als optimale Milchquelle mit Nahrung in unnachahmlicher Zusammensetzung und ständiger Verfügbarkeit. „Stilltechniken“ werden erlernt. Unter dem moralischem Druck scheint mir bei einigen jungen Frauen das Bedürfnis nach Unabhängigkeit und Verweigerung zu wachsen - Verspannung bei manchen anderen.

Ich habe meine vier Kinder mit viel Vergnügen insgesamt sechs Jahre lang gestillt. Michael trank fast drei Jahre von meiner Milch, Martin nur ein einziges, unvergeßliches Mal nach seiner Geburt, bevor er nach wenigen Stunden wegen seiner unheilbaren Behinderungen starb. Als Paula geboren wurde, war ihr Bruder Nikolaus knapp zwei Jahre alt. Er kam ins Geburtszimmer, sah mit Begeisterung die Schwester an meiner Brust, legte sich an die andere Seite und trank ebenfalls in vollen Zügen. Diese selbstverständliche Begrüßung, das unkomplizierte Teilen ohne Eifersucht, gehört zu den schönsten Momenten in meinem Leben. Ich stillte die beiden 5 Monate gemeinsam.

Als stillende Hebamme war ich öfter im Einsatz: mein schlafendes Baby im Nachbarzimmer oder vom Vater vorbeigebracht. Die Frauen, denen ich half, waren aufgeschlossen für diesen zusätzlichen Besuch. Ich habe einige zauberhafte Momente gemeinsamen Stillens in Erinnerung.

Hätte ich nicht so viel Spaß und entspannende Erholung dabei gehabt, ich bezweifel, daß ich eine so lange Stillzeit mit meinen Kindern erlebt hätte. Natürlich brauchen wir unbedingt ein aufgeschlossenes „Stillklima“ im Alltag: in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Öffentlichkeit. Von uns Hebammen vielleicht noch mehr die Anregung, wie „sexy“ und gemütlich das Stillen für Mutter und Kind sein kann.

Zur Weltstillwoche ein herzlicher Gruß!

Katja Baumgarten

 

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