Autorin: Katja Baumgarten

DEUTSCHE HEBAMMEN-ZEITSCHRIFT Heft 1/2006

Editorial Januar 2006 - Titelthema "Geburtseinleitung"

 

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Katja Baumgarten

Sanfter Weg ins Leben?

Den Schreibblock, den man in der Kongress-Tasche vom Berliner Perinatalkongress fand, zierte auf jedem Blatt ein allerliebstes Motiv: umhüllt von roten, sich öffnenden Mohnblütenblättern ein schlafendes Kindchen - Reklame für ein Prostaglandinpräparat „für den sanften Weg ins Leben“. Und das Symposium „Problembereiche der Geburtseinleitung“ hatte dort derartigen Andrang, dass es kurzfristig in einen der größten Säle verlegt werden musste. Es ging um das Vorgehen bei vorzeitigem Blasensprung und um Pro und Contra zur Frage „Einleitung bei Zustand nach Sectio?“ Die Standpunkte lagen nicht allzu weit auseinander: Prof. Husslein aus Wien sprach sich eher gegen die Einleitung und für eine großzügige Re-Sectio aus, Prof. Surbek aus Bern wollte der „vaginalen Probegeburt“, wie er es nannte, eine Chance geben.

Unser Titelthema „Einleitung der Geburt“ beleuchtet eine der häufigsten medizinische Maßnahmen im Kreißsaal-Alltag. „Wir erleben heute eine Renaissance der ‚Programmierten Geburtseinleitung’, die schon einmal in den 1970er Jahren ihre Blütezeit hatte.“, erinnerte Prof. Rath aus Aachen in seiner Einführung zum besagten Einleitungs-Symposium, unterschied aber: „Im Gegensatz zu damals gehen heute die elektiven Einleitungen häufig auf den Wunsch der Schwangeren zurück.“ Nicht immer haben Schwangere ausreichend Informationen darüber, was sie wählen. Romantisch verklärt, wie die sich öffnende Mohnblume, sollten wir uns die eingeleitete Geburt nicht vorstellen, auch wenn sich seit den 70er Jahren allerhand verändert hat. Unsere Autorinnen Ina May Gaskin, Sandra Tomaselli und Clarissa Schwarz warnen vor Nebenwirkungen beziehungsweise „Interventionskaskaden“, die der Einleitung folgen können.

Der oben genannte Werbeslogan erinnert an den Klassiker des französischen Geburtshelfers Frederick Leboyer: „Der sanfte Weg ins Leben – Geburt ohne Gewalt“. Er setzte mit seinem Erscheinen 1974 zur medizinisch dominierten Geburtshilfe einen sinnlichen und emotionalen Kontrapunkt – Ausgangspunkt für eine Gegenbewegung, gerade auch von Seiten der Eltern. Wie bei der Berliner Veranstaltung sind Pro und Contra heute oft nicht mehr einfach zu trennen. Verbraucherwünsche werden heute in der Geburtshilfe nach den Gesetzen des Marktes geweckt, manipuliert, beworben und bedient. Prof. Husslein räumte dem gleichberechtigten Gespräch mit der Schwangeren einen hohen Stellenwert ein: „Ich sitze dort als Arzt mit meinem medizinischen Wissen, die Frau in ihrer jeweiligen Lebenssituation mit ihrem psychosozialen Wissen. Zusammen kommen wir zu der bestmöglichen Entscheidung für die Frau und ihr Kind“. Für eine fundierte Aufklärung, auch für Frauen, die sich nicht selbständig im Informations-Angebot der Internetwelt zurecht finden, ist eine unabhängige verbraucherorientierte Forschung und die Aufbereitung evidenzbasierter Erkenntnisse für Eltern ein Feld, wo gerade in Deutschland noch allerhand zu leisten ist.

Katja Baumgarten

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