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Autorin: Katja
Baumgarten |
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"So viele tolle Frauen!" 9. Nationaler Hebammen-Kongress in Dresden Katja Baumgarten schildert ihre Eindrücke
vom 9. Nationalen Hebammenkongress. Er fand vom 21. bis 23. Mai
2001 in Dresden unter dem Motto „Gebären
zwischen Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Kontrolle“ statt
Magdalena Weiß,
Präsidentin des Bund Deutscher Hebammen hat als erste Rednerin
den 9. Deutschen Hebammenkongreß u.a. mit einigen kritischen Worten
an die SPD-Politikerin eröffnet. Für drei intensive Tage unter
dem Motto: „Gebären zwischen Selbstbestimmung und gesellschaftlicher
Kontrolle“ sind Hebammen aus allen Teilen Deutschlands nach Dresden
gereist - vom 21. bis 23. Mai, in unmittelbarer Nachbarschaft zur berühmten
barocken Altstadt. Ein neues Selbstbewußtsein und klare Vorstellungen
um die eigene Fachkompetenz setzen ein deutliches Zeichen: Bei keinem
Kongreß standen bisher so viele von Hebammen selbst gehaltene
Fachvorträge zur Diskussion. Das Angebot ist vielfältig und
zusammen mit den leider> frühzeitig ausgebuchten Workshops
kaum zu bewältigen, will man auch noch einen Blick in die umfangreiche
Fachausstellung werfen. Eine außerordentliche Leistung des Teams
vom BDH unter der Leitung von Isolde Brandstätter, für die
es der 4. Kongreß als Organisatorin ist. Den Festvortrag hält Frau Prof.
Dr. Friederike Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein, die als habilitierte
Hebamme die Hoffnung verkörpert, unseren Beruf auch in der universitären
Institution mit dem Blickwinkel aus Hebammensicht zu vertreten. Sie
hat verglichen, zu welchen Fragestellungen Hebammen in den letzten Jahren
geforscht haben: während in England eher praktische Themen untersucht
wurden, widmeten sich Hebammen in Deutschland mehr wissenssoziologischer
Forschung, wie z.B. die Rolle der Hebammen im 3. Reich. Hierzulande
werden weniger Fragen an die bestehende Praxis gestellt, was sie für
problematisch hält: die fundierte Forschung kann die Bedeutung
der Praxisausübung beeinflussen und damit verhindern, daß
originäres Hebammenwissen zurückgedrängt wird.
Prof.
Dr. Beate Schücking beginnt ebenfalls mit einer kritischen
Beleuchtung der Praxis der Schwangerenvorsorge: auch sie kann wenig
Fortschritt im medizinischen Ergebnis erkennen - z.B. liegt die Frühgeburtsrate
unverändert hoch bei über 6 Prozent. Welche Wahl hat die schwangere
Frau heute, wenn sie nicht an der routinemäßigen Risikovorsorge
teilnehmen will? Ganz ohne Mutterpaß ist die Schwangere „draußen“
- aus dem medizinischen System herausgefallen. Eine positive Alternative
sieht Schücking in der Hebammenbetreuung während der Schwangerschaft,
die andere Schwerpunkte hat, als die ärztliche Mutterschaftsvorsorge.
Leider liegen noch keine Zahlen über die Schwangerenvorsorge durch
Hebammen vor. Was normalerweise in Statistiken vor allem fehlt: der
Faktor der Zufriedenheit der Schwangeren! Prof. Dr. Schücking machte
den klaren Vorschlag, Schwangerenvorsorge und Pränataldiagnostik
voneinander zu trennen - inklusive der damit verbundenen Therapie. Sie
verspricht sich davon einen Wandel im Bewußtsein der Frauen und
auch allgemein im medizinischen System. Wieder zurück in Hebammenhände
solle die Schwangerenvorsorge und bereits im Ausbildungsbereich sollten
hebammengeleitete Schwangeren-Ambulanzen eingeführt werden.
„Aufklärung
über die sexuellen Veränderungen post partum“- den interessanten
Vortrag, der trotzdem umso mehr Fragen offenläßt, hält
Lea Beckmann, Hebamme und Gesundheitsmanagerin. „70 Prozent
der erstgeborenen Kinder sind nicht geplant“, stellt sie voran.
Dabei beleuchtet sie die Veränderungen in der Sexualität einer
Paarbeziehung nach der Geburt. 80% aller jungen Frauen wünschen
sich vor Beginn ihrer Mutterschaft 2 Kinder. Dem steht die harte Wirklichkeit
entgegen: die meisten Ehen sind bereits 3 Jahre nach der Geburt des
ersten Kindes wieder geschieden. Die Krise nach der Geburt ist nach
wie vor tabuisiert. Sie kann ihre Ursachen u.a. in der traditionelle
Arbeitsteilung haben, im Libidoverlust durch die hormonelle Veränderung
nach der Geburt und in der wechselseitigen Eifersucht auf die vermeintlich
bessere Situation des Partners. Das große Problem ist immer wieder,
daß es Paaren nicht gelingt, über ihre sexuelle Frustrationen
konstruktiv miteinander ins Gespräch zu kommen. Immerhin ergab
eine Untersuchung, daß 66 Prozent der befragten Frauen den zärtlichen
Kontakt mit dem Kind als befriedigenden Ersatz zum Partner empfinden.
In den Arztpraxen kommt das Thema „Nachgeburtskrise“ so
gut wie immer zu kurz, obwohl sich 26 Prozent der Schwangeren ein Gespräch
über Sexualität wünschen. Es scheint, als wäre die
gleichzeitige Kombination von Sex und Mutterschaft den Frauenärzten
unangenehm.
„Die
Potenz der Gebärenden ehren und feiern“ - der Diavortrag
von Dr. Ursa Krattinger zeigt uns Geburtsdarstellungen aus der
Kunstgeschichte, darunter die Zeichnung einer Skulptur, der „Löwinnenthron“
aus Anatolien - 8000 Jahre alt - mit einer eindrucksvollen Bildsprache:
der Gebärenden, auf dem Thron sitzend, stehen rechts und links
zwei Löwinnen zur Seite. Die Hände der aufrechten Frau ruhen
auf den Köpfen der Tiere, die ihr ihre langen Schwänze von
hinten über die Schultern legen.
„Selbstbestimmt
gebären in Deutschland? - Möglichkeiten und Grenzen“
die Podiumsdiskussion unter der forschen und pointierten Moderation
von Ulrike Hauffe zeigte, daß es z.Z. häufig noch
eher um die Grenzen, als um die Möglichkeiten geht.
Prof.
Dr. Barbara Duden, unnachahmlich in ihrer Begabung, den tiefen
Sinn auf den Punkt zu bringen, gibt in der Diskussion zu bedenken,
daß
auch „Beratung zur Nicht-Beratung“ ihre Notwendigkeit haben
kann - es gäbe in unserer Gesellschaft „ein Sprechritual,
ein leere und mächtige Zumutung“. Gerade im sehr persönlichen
Bereich,< „braucht es die Stille - weil es
sonst weg ist!“.
Als Mittlerin zwischen toten und lebenden Hebammen stellt sich die Historikerin
in ihrem Vortrag vor. Sie wolle uns eine Waffe an die Hand geben, gegen
das Gespenst „Risiko“ - gegen den „Huckauf auf den
9 Monaten Schwangerschaft der Frauen“. Das Risikoprofil der Schwangeren
in der Geburtsmedizin verberge die Frau als Person - überhaupt
entstamme der Begriff Risiko aus der Kaufmannsprache, einer Sprache
der Mathematik, der Kalkulation - diese Begrifflichkeit, die noch vor
20 Jahren in der Verwaltungstechnik, in der Betriebswirtschaft gesprochen
wurde, sei heute dabei, zum professionellen Standard zu werden. Frühere
Hebammen wußten demgegenüber schon immer um die „Gefahr“
und wie ihr zu vorzubeugen und zu begegnen sei. Das Wort Risiko beinhalte
nichts Intimes, es bleibe auf Statistiken begrenzt, die „den Fall“
durch das Gitter der Wahrscheinlichkeiten sähen. Dabei müsse
jede Geschichte einzeln für sich betrachtet werden, sie könne
niemals über einen Leisten geschlagen werden - eine zutiefst persönliche
Geschichte, die weniger von Geburt, als vom Gebären erzählt.
Die Geburt - mit all ihren individuellen Eigenarten - an sich wieder
„normal“ sein zu lassen, ohne sie in den statistischen
Durchschnitt hineinzuzwingen, das ist der Appell von Frau Prof.
Dr. Duden.
„Zufriedene,
effektive Hebammen - warum verschwenden Hebammen ihre Energie?“
der humorvoll gehaltene und gleichzeitig kritisch-konstruktive Vortrag
von Christine Outsdorn aus den Niederlanden gehört für
mich zu den Highlights in Dresden. Was sie in unserer Profession als
Hebammen sieht, sei „horizontale Gewalt, Burn-Out, und Frustration“.
„Wir fordern zwar unsere Professionalität ein, dies ist aber
kein professionelles Verhalten. Ein solches Verhalten ist typisch für
unterdrückte Gruppen. Nach Jahrhunderten der Unterdrückung
haben wir dieses Verhaltensmuster in der Arbeit verinnerlicht, ohne
es zu merken, oder zu realisieren, was wir da tun.“
Der
Bericht meiner Eindrücke vom Kongreß bliebe unvollständig,
würde ich nicht erwähnen, daß ich auch in eigener Sache
in Dresden dabei war: mein soeben fertiggestellter Dokumentarfilm „Mein
kleines Kind“ (siehe auch DHZ 11/2000) fand in den Kolleginnen
ein wunderbares Publikum. Der autobiografische Film handelt von meinen
Konflikten nach der erschütternden Diagnose bei einer Ultraschalluntersuchung
in der Schwangerschaft mit meinem vierten Kind und von meinem Versuch
einen eigenen, gewaltfreien und respektvollen Weg für meinen kleinen
Sohn und unsere Familie zu finden. Die intensive, mich selbst sehr bewegende
Resonanz, die er hervorrief und die anschließenden persönlichen
Kommentare, Gespräche und auch Tränen, zeigten wieder deutlich,
wie ungelöst die behandelte Problematik noch immer in der Gesellschaft
dasteht und wieviel seelischen Schmerz nicht nur betroffene Frauen selbst,
sondern auch die sie betreuenden Hebammen mit sich herumtragen. Die Autorin Dokumentarfilme vom
Katja Baumgarten _________________________________________________________________________
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