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            Katja Baumgarten: "Gerade bei der  
            Betreuung der
            abgebenden Mutter  
            liegt noch manches m Argen."  
          Bild: Christian Iseli  
           
         
        Die Zeit bleibt nicht stehen 
        Adoptiveltern holen ihr neugeborenes Adoptivkind
            aus dem Krankenhaus ab und bemerken, wie eine Frau die Übergabe von Ferne beobachtet.
          Es ist die leibliche Mutter, die ihr Kind auf Grund einer psychischen
          Erkrankung zur Adoption frei gegeben hat. Sie steht dort völlig
          allein, ohne professionelle Begleitung. Ein Erlebnis aus der Wirklichkeit.
          Für die „frisch gebackenen“ Adoptiveltern ist die
          Situation außerordentlich unangenehm und bestürzend. Wie
          verheerend sie sich wahrscheinlich auf die seelische Verfassung der
          kranken Mutter auswirkt, können wir ahnen. Gerade bei der Betreuung
          der abgebenden Mütter liegt noch manches im Argen, wo die einfühlsame
          Kompetenz von Hebammen unverzichtbar ist.  
          Dass ein Kind von der eigenen Mutter in die Hände neuer Eltern
          gegeben werden muss, ist glücklicherweise in den vergangenen Jahren
          immer seltener notwendig geworden. Frauen, die sich heutzutage nicht
          zutrauen, ihr Kind selbst zu versorgen, leiden selten nur unter wirtschaftlichen
          oder kurzfristig lösbaren Problemen ihrer Lebenssituation. Die
          Entscheidung, sich zum Wohle des Kindes von ihm zu trennen, zeugt von
          großem Verantwortungsbewusstsein. Eine unserer Autorinnen zum
          Titelthema, die Rechtsanwältin Astrid Doukkani-Bördner, ist
          häufig mit einer dramatischen Problematik konfrontiert. Sie warnt
          davor, dass Hebammen in guter Absicht, eine einmal getroffene Entscheidung,
          das Kind zur Adoption frei zu geben, wieder in Frage stellen oder gar
          die Mutter dazu überreden, das Neugeborene doch zu behalten. Das
          erste Lebensjahr ist eine wichtige prägende Zeit, die entscheidend
          für die weitere Entwicklung des Kindes ist. Für das Kind
          bleibt die Zeit nicht stehen – die unentschiedene Situation,
          wenn ein Kind zwischen grundlegend überforderten Eltern und einer
          Pflegefamilie hin- und hergereicht wird, um dann doch vielleicht erst
          Jahre später zur Adoption frei gegeben zu werden, kann für
          dieses Kind irreparable Folgen haben. Eine respektvolle Begleitung,
          wenn eine Mutter die Grenzen ihrer Möglichkeiten erkannt hat,
          kann in dieser schmerzhaften Lebenssituation heilsam sein.  
          Wenn eine offene Adoption möglich ist, können die notwendige
          Trennung und der neue Anfang für alle Beteiligten versöhnlich
          gestaltet werden. Von einem ermutigenden Beispiel hat Ingrid Kloster
          mir berichtet - auch sie ist Autorin zu unserem Titelthema: Eine Familie
          hatte sich für die offene Adoption entschieden und konnte schon
          vor der Geburt mit der leiblichen Mutter in Verbindung treten, zu der
          heute noch Kontakt besteht. Die Adoptiveltern durften im Vorraum des
          Kreißsaals warten, während ihr „zukünftiges“ Kind
          zur Welt kam. Nach der Geburt verabschiedete sich die leibliche Mutter
          von ihrem Baby und legte es der Adoptivmutter in den Arm. Danach wurde
          die Adoptivfamilie auf der Wochenstation des kleinen Krankenhauses
          im Familienzimmer aufgenommen und dort mehrere Tage betreut, wie jede
        andere junge Familie auch.  
        Katja Baumgarten 
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