![]() |
Autorin: Katja Baumgarten DEUTSCHE HEBAMMEN-ZEITSCHRIFT Heft 11/2003 Editorial November 2003 |
|
Mehrlinge - verantwortungsvoll handeln
Heute sind wir weit davon entfernt. Welches Elternpaar kann sich dem Risiko orientierten Blick auf eine Schwangerschaft mit Zwillingen entziehen und guter Hoffnung bleiben? Nur noch wenige Hebammen haben die Kunst erlernt, auch diese Schwangerschaften und Geburten zu betreuen. Die Aachener Hebamme Barbara Kosfeld ist der Auffassung, dass natürliche Zwillinge bei guter Begleitung zu den normalen Schwangerschaften gezählt und Frauen nicht durch Ängste belastet werden sollten. Mit ihrer individuellen Betreuung knüpft sie an das traditionelle Hebammenwissen an und betont, dass dies nur durch eine Ausbildung bei einer erfahrenen Meisterin zu erlangen ist. Hebammen, die es sich zutrauen Mehrlingsmütter zu betreuen gelten als Außenseiterinnen. Sowohl der Bund deutscher Hebammen als auch das Netzwerk der Geburtshäuser lehnen die außerklinische Geburtshilfe bei Mehrlingen ab. Wir stellen hier dennoch drei Positionen von Hebammen zur Diskussion. In den nächsten Ausgaben werden wir weitere Beiträge - auch aus dem schulmedizinischen Blickwinkel - folgen lassen. Die Frage nach dem medizinisch
verantwortungsvollen Handeln sollte gerade beim Thema Mehrlinge umfassend
gestellt werden. Reproduktionsmediziner haben Mehrlingsschwangerschaften,
gerade auch die höhergradigen, dramatisch zunehmen lassen - mit
allen Gefahren, die damit für das Leben und die Gesundheit der
Kinder, ihrer Mütter und für die soziale Situation der Familien
verbunden sind. Innerhalb von 20 Jahren stiegt beispielsweise die Anzahl
der Drillingsgeburten um 800 Prozent. Auch Dorothea Maekeler, Vorsitzende
des ABC-Clubs, einer internationalen Drillings- und Mehrlingsinitiative,
sieht besorgt auf die künftige Entwicklung. Weil die Insemination
von mehreren Embryonen bei künstlicher Befruchtung möglicherweise
untersagt werden soll, fürchtet sie künftig einen verstärkten
Einsatz von hormonellen Ovulationsauslösern. Wenn sich mehr als
zwei Kinder in Folge einer Fruchtbarkeitsbehandlung entwickeln, müssen
sich die meisten Eltern mit der Entscheidung zur "Mehrlingsreduktion"
durch Fetozid auseinandersetzen. Soll eines oder mehrere der ungeborenen
Kinder geopfert werden, damit die Geschwister bessere Überlebenschancen
haben? Für Eltern, die sich lange auf ein Wunschkind gefreut haben,
kann dies zur seelischen Tortour werden. Katja Baumgarten
_________________________________________________________________________
|