Autorin: Katja Baumgarten

DEUTSCHE HEBAMMEN-ZEITSCHRIFT Heft 12/2003

Dezember 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Die wichtigen Dinge sind einfach

Interview: Teil 2

Im zweiten Teil des Interviews erläutert Barbara Kosfeld ihre besondere Sicht bei der Betreuung von Mehrlingsschwangeren. Die erfahrene Hebamme versteht Vorsorge für Zwillingsschwangere auch als Fitnessprogramm für den möglichst langen Erhalt der Schwangerschaft

DHZ: Wie betreuen die Hebammen des Pegasus-Zentrums Mehrlingsschwangere?

Barbara Kosfeld: Das Problem ist, dass es kaum noch einen frühen Kontakt zwischen Hebammen und Mehrlingseltern gibt. Ich rede hier von natürlichen Mehrlingen - nicht von "gemachten". Eine ganz normale Zwillingsschwangere bekommt man als Hebamme nur "in die Hände", wenn man sie schon einmal entbunden hat und wenn sie sich entscheidet, die Vorsorge bei der Hebamme zu machen. Ansonsten, in ärztlicher Betreuung, werden sie ja sofort zu Risikoschwangeren. Das fängt spätestens in der 17. bis 20. Woche an. Damit geht einher, dass die Schwangeren sich selber auch problematisieren. Ein wichtiges Handwerkszeug der Hebamme ist der natürliche Kontakt der schwangeren Frau zu ihrem Körper. Wenn sie aber nur noch eine Hülle mit Inhalt ist, dann wird es schwierig. Diejenigen, die sich dann doch besinnen und zur Hebamme kommen wollen, erreichen uns im Pegasus-Zentrum - meist zwischen der 25. und 30. Woche - mehr mit der Idee, "Was ist danach?" "Wie schaffe ich das mit zwei Kindern?" und den ersten Fragen, die außerhalb der Ärztebesuche noch anstehen. Wir fangen dann langsam an, sie "umzupolen" und darauf aufmerksam zu machen, dass auch eine Zwillingsschwangerschaft eine normale Schwangerschaft ist. Fast jede Schwangere gibt dann die Ängste ihrer Gynäkologen weiter und wartet mit vielen Gruselgeschichten auf. So etwas prägt die Zwillingsschwangerschaft - auch bei ganz normaler Entwicklung der Kinder. Die wirklich schwierigen Fällen, wenn tatsächlich konkrete Probleme auftreten, die lasse ich jetzt einmal unberücksichtigt. Unser Berufsbild wird ja zunehmend das der Arzthelferin und auch die gestandenen Hebammen, die schon lange praktizieren, pathologisieren die ganz normale Zwillingsschwangerschaft. Die Berufsverbände schlie§en die Hebammen geleitete Zwillingsgeburt ebenso aus wie die Beckenendlagengeburt. Nachzulesen ist das in den Berufsordnungen. Insofern fällt das, worüber wir hier reden, nicht mehr in das normale Tätigkeitsfeld der Hebamme.

DHZ: Sollten Schwangere mit Zwillingen nicht wenigstens in der Vor- und Nachbetreuung durch Hebammen mitbegleitet werden?

Barbara Kosfeld: Das wäre schön. Nur das geht nicht, denn die Schwangerenbetreuung und die außerklinische Betreuung bei Zwillingen haben Inhalte, die nicht so einfach mit der gängigen Medizin zu vereinbaren sind. Ich kann nicht auf der einen Seite die Frau komplett verunsichern, weil sie Zwillinge bekommt und schon in ihrem Kopf die Pathologie implantieren und dann eine natürliche nette Betreuung durchführen. Wenn die Hebamme nicht eine wirkliche Betreuungsalternative zu Ärzten bietet, dann ist ihre Arbeit keine Bereicherung. Die Hebamme muss autonom begleiten und nur konsilliarisch mit Ärzten zusammenarbeiten. Das nicht nur für die Schwangere, sondern auch für die Solidargemeinschaft der Krankenkassen sinnvoll.

DHZ: Was setzen Sie dem verbreiteten Risikodenken entgegen?

Barbara Kosfeld: Lässt man die Schwangerschaft in Ruhe, dann erfolgt eine ganz andere Kontaktaufnahme zwischen den Kindern und der Mutter - zum Beispiel über Träume. So träumte eine Zwillingsmutter von Kraken. Sie hatte eine Krise, dass ihr alles zuviel ist. Sie hatte das Gefühl in ihrem Bauch ist ein einziges Geboxe, sie ging ja von einem Kind aus. Ich mache mir Notizen über die Dinge, die ich erhebe und über das, was die Frau von sich aus berichtet. Wenn sie sagt: "Ich bin so unendlich dick und kann mich gar nicht mehr bewegen", lasse ich das so stehen. Wir halten es für sinnvoller, dass sie sich erst einmal mit ihren Empfindungen der Schwangerschaft auseinandersetzt. Sie muss sich mit ihren körperlichen und seelischen Veränderungen arrangieren und einen positiven Bezug zu ihrer Schwangerschaft bekommen. Es ist besser, zunächst von einem Kind auszugehen und sich erstmal mit dem Erleben der Schwangerschaft auseinanderzusetzen. Diese ganze feinstoffliche Auseinandersetzung fängt sehr früh an und der Körper der Schwangeren und ihre Kinder geben ihr klare Impulse, sich auf die neue Lebenssituation einzustellen. Die Kinder melden sich bei der Mutter und bereiten sie auf ihre zukünftige Rolle vor.

DHZ: Ist das nicht ein Vorenthalten von Wissen?

Barbara Kosfeld: Es hat in der 20. Woche für die Schwangere keinerlei Konsequenzen zu wissen, dass sie Zwillinge erwartet. Außer einer Riesenunruhe in der Schwangerschaft und - das ist der nächste Punkt - Beziehungsproblemen. Denn für einen Mann ist es noch irrealer, sich in der Frühschwangerschaft mit zwei Kindern auseinanderzusetzen, gerade wenn es die ersten Kinder sind. Es ist eher ein Schützen der Kinder, als ein Vorenthalten von Information. An dem Tatbestand der Zwillingsschwangerschaft ändert sich nichts mehr. Gewissenhafte Vorsorge in der Zwillingsschwangerschaft bedeutet die Schwangere zu stärken und auftauchende Probleme zu behandeln. Und nicht der Schwangeren Probleme zu bereiten und so zu einer self-fulfilling prophecy beizutragen. Hat die Zwillingsschwangere keine Probleme, begleiten wir sie in bester Gesundheit bis zum Termin. Wir unterstützen die Frau bei einer VerŠnderung ihres Lebens und da ist das Reinwachsen in die Schwangerschaft eine Grundvoraussetzung für die spätere innere Annahme der Kinder. Man wei§ ja am Anfang der Schwangerschaft überhaupt noch nicht was kommt. Es ist doch viel besser eine Frau entdeckt in der 35. Woche selbst: "Ich glaube das sind zwei Kinder - können Sie mal gucken?" Das ist dann für sie der Zeitpunkt, an dem sie eine andere Ebene von Wahrnehmung erreicht. Die ersten zwei Schwangerschaftstrimester sind eine hochintuitive Phase. Gerade bei Mehrlingen ist es sehr wichtig, dass die Frau entdeckt, dass sie Zwillinge bekommt - normalerweise darf sie das nicht entdecken. Die alten Hebammen wussten, was für eine Auswirkung das Erleben von geschützter Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett auf die seelische Gesundheit der Frau und auf die Familienwerdung hat. Das ist der Schatz, den wir hüten. Welche Hebamme trifft heutzutage noch Jahre nach der Entbindung eine von ihr entbundene Frau wieder und hört aus erster Hand, was ihr damals geholfen hat und ihr wirklich wichtig war? Hebammen müssen doch Träger von Wissen und Träger von Kraft sein. Und dazu gehört auch: "Schweigen ist Gold". Hebammen sollten zuhören, sich Notizen machen und sich mit Kolleginnen austauschen, die mehr Erfahrung haben. Sie sollten lernen, die Symbolik in Gesten, in der Körperhaltung und in der Sprache zu verstehen - damit arbeiten Hebammen nicht mehr. Das machen jetzt andere Berufsgruppen. Aber diesen Aspekt kann ich nicht vom praktischen Handwerk isoliert sehen. Ich brauche eine gesunde Mischung zwischen dem, was Intuition ist, was in jedem Menschen verankert ist - dem siebten Sinn - und dem, was ich ganz praktisch feststellen kann, was ich sehe und untersuche.

DHZ: Wann entdecken Sie die Zwillingsschwangerschaft?

Barbara Kosfeld: Meistens um die 20. Woche herum. Wenn der Fundus am Nabel ist. Dann habe ich bei Zwillingen eine größere Seitenauslagerung. Der Uterus verhält sich anders als bei einer Einlingsschwangerschaft. Dann kann ich mir Notizen machen, und kann der Schwangeren Hinweise geben, auch ohne dass ich erwähne, dass es Zwillinge werden. Der Körper einer Schwangeren, die Mehrlinge bekommt, muss trainiert werden wie bei einem Hochleistungssportler. Vorsorge für die Zwillingsschwangere heißt auch Fitnesstraining für die Frau, schließlich muss sie zwei "Parasiten" ernähren und beherbergen und dafür gilt es den Körper zu stärken.

DHZ: Wie unterstützen Sie die Schwangere dabei?

Kosfeld: Man kann ja heute sehr gut herausfinden, was einer Schwangeren an Nährstoffen fehlt. Zum Beispiel kann man ihr Blut mit Hilfe eines Blutbildes gezielt untersuchen lassen und dann kann man einen ausgewogenen Ernährungsplan erstellen. Es wird ja nicht nur die topgesunde Frau mit Zwillingen schwanger. Es kann sein, dass sie bereits vor der Schwangerschaft Mangelerscheinungen hat. Wir müssen mit den körperlichen Gegebenheiten der einzelnen Schwangeren umgehen und zunächst einen Status erheben. Es muss eine Balance hergestellt werden zwischen körperlichen und geistigen Bedürfnissen und Notwendigkeiten in der Schwangerschaft. Das allein schafft die Voraussetzung dafür, die Kinder bis zum Termin auszutragen.

DHZ: Empfehlen Sie bestimmte Ernährungszusätze?

Barbara Kosfeld: Zwillingsschwangere können sich normal ernähren, können ganz normal leben und schlafen. Wenn die Frau in schlechtem körperlichem Zustand ist, kann es sein, dass sie zusätzlicher Substitution bedarf. Dazu gehört auch ein Training ihres Muskel- und Skelettapparates. Welche Muskelpartien ich stärken muss, sehe ich bei der äußeren Untersuchung. Dieses aufbauende Training kann die Schwangere dann alleine zu Hause oder gezielt in krankengymnastischer Behandlung durchführen. Ich frage die Schwangere nach ihren Lebensgewohnheiten: Sitzt sie die ganze Zeit am PC? Dann kann ich ihr empfehlen die Sitzpositionen zu verändern, auf den Ball oder auf den Kniehocker umzusteigen. Sie muss auf jeden Fall einen Ausgleichssport machen. Sie muss sich körperlich in ihrem Alltag neu zurechtfinden. Man muss auch die Schlafgewohnheiten überprüfen. Ab dem Moment, wo der Bauch dicker wird, sollte sie Lagerungshilfen ausprobieren. Bei Zwillingen wird die Schwangerschaft ab der 32. Woche körperlich anstrengender. Die Vorsorge muss den möglichst langen Erhalt der Schwangerschaft zum Ziel haben und das gesunde Heranreifen beider Kinder. Wenn die Zwillingsschwangere sich instinktiv richtig ernährt und sofort von sich aus ihren Lebensablauf ändert, wenn sie zu mir kommt und sagt: "Mir geht es gut, ich habe nichts!", dann "mache" ich ihr keine Probleme, dann geht es ihr gut.

DHZ: Und wenn tatsächlich eine pathologische Entwicklung eintritt, zum Beispiel eine große Gewichtsdifferenz der Zwillinge?

Barbara Kosfeld: Jede schwangere Frau, bei der sich in der Schwangerschaft eine Pathologie entwickelt, bemerkt das selbst und äußert das auch - vorausgesetzt die Hebamme ist in der Lage die Schwangere sensitiv zu begleiten und zu verstehen. Nur uns, dem so genannten Fachpersonal, ist das tiefe Verständnis für diese Äußerungen weitgehend abhanden gekommen und so bleibt nur die streng medizinische Vorgehensweise, die im Resultat invasiv arbeitet.

DHZ: Sie meinen, eine Frau merkt von selbst, dass etwas nicht in Ordnung ist?

Barbara Kosfeld: Ja, ganz genau. Auch wenn sie gar nicht weiß, dass sie mit Zwillingen schwanger ist. Sie merkt das und zwar sehr früh. Jetzt werden viele sagen, vermessen, unmöglich - das ist es nicht! Ich habe es noch nicht anders kennen gelernt, als dass die Schwangeren sich frühzeitig mit Beschwerden melden, wenn eine Störung vorliegt.

DHZ: Wie betreuen Sie Eltern nach der Geburt von Zwillingen?

Barbara Kosfeld: Die Hebamme begleitet die Familienwerdung und kann mithelfen, dass die Eltern den großen Einbruch von Zwillingen positiv erleben. Dazu gehört unter anderem, dass ein Kind in keine anderen Hände als in die der Eltern sollte. Wird es von anderen angefasst, dann hat es schon die erste Saugirritation. Ich fordere Hebammen dazu auf, holistisch zu denken.

DHZ: Sie würden ein Neugeborenes niemandem geben, der nicht zur Familie gehört?

Barbara Kosfeld: Nein. Mütter sollten ihre Kinder selbst entbinden - die Hebamme macht die gerade nötigen Handgriffe, und ansonsten werden die Kinder nur von ihrer Mutter angefasst. Das ist Bonding. Nur über die fünf Sinne kann ein Säugling seine Mutter erkennen und hier darf keine Irritation passieren. Die gestörte Stillbeziehung ist eine Störung in der sinnlichen Wahrnehmung - kleine Ursache, viele fremde Hände oder Gerüche, große Wirkung: Das Baby findet die Brust nicht mehr. Frauen, die per Sectio entbunden haben, haben ein Trauma hinter sich und den Kontakt zu ihren Babys nicht angemessen herstellen können. Hier sollten Eltern sich vorstellen: Was machen Säugetiere mit ihren Neugeborenen? Sie sollten sich Tierfilme ansehen. Wir sind auch Säugetiere. Was man da sieht, sollte man auch tun. Der Vater schützt, die Mutter kümmert sich um die Brut. Die Frau braucht einen Schutzraum mit ihren Kindern. Um wieder in Beziehung zu kommen, sollten am besten alle, wenn sie zu Hause angekommen sind, nackt ins Bett. Der Hautkontakt ist das Wichtigste - anfassen, streicheln, riechen - mit den fünf Sinnen arbeiten: gucken, was riecht das Kind, was schmeckt es, was fühlt es, was hört es. Man kann den Raum abdunkeln und Reize abschotten. So stellt sich die Verbundenheit wieder her. Die Mutter muss ihre zwei Kinder kennen lernen und daraus kann sich der Alltag formen. Das ist das Entscheidende. Es ist auch wichtig, dass sie allein mit ihren Kindern ist: Wer eintritt muss anklopfen. Hebammen sollten sich entsprechend darin bewegen: zuschauen statt Anweisungen geben. Das große Problem ist, dass der Respekt vor den Neugeborenen oft nicht gewahrt wird. Es ist natürlich möglich, dass die Mutter Besuch bekommt oder Nachrichten im Fernsehen sehen möchte - aber dann muss sie aus ihrer Höhle heraus kommen. Das ist bei den Tieren auch so: Sie verstecken ihre Brut und wenn sie dort hin zurückgehen, dann nehmen sie nicht die ganze Welt mit in den Bau. Das ist das ganze Geheimnis. Sonst endet alles in einer eigenartigen Kette mit den bekannten Schwierigkeiten, der so genannten Blähkinder oder Schreikinder und so weiter.

DHZ: Was sollten Mütter beim Stillen beachten?

Barbara Kosfeld: Medikamente haben einen starken Einfluss auf das Stillen. Wenn Hebammen sich fortbilden würden, wie sie auch ohne Medikamente entbinden können, dann wären wir einen Riesenschritt weiter. Wir wissen dass Medikamente bei Frauen anders wirken als bei Männern. Bei Kindern wirken sie noch einmal anders. Warum gehen wir so gedankenlos damit um? Keine Medikamente, keine Störung des Erstkontaktes zwischen der Mutter und den Kindern - und der Rest sind Stilltechniken. Die wirklich wichtigen Dinge sind absolut einfach.

DHZ: Welche Anschaffungen sind notwendig?

Barbara Kosfeld: Eine wichtige Anschaffung ist ein gut durchdachter Kinderwagen, der die Familie längere Zeit begleitet. Der die Möglichkeit bietet, dass man die Kinder anguckt oder sie auch in Gegenrichtung schauen lassen kann. Nicht so etwas wie diese Jogger, wo die Kinder nur in eine Richtung sehen können und die Mutter joggt hinterher. Das sind Zeiterscheinungen. Kinder brauchen Blickkontakt - jede erfahrene Mutter weiß das. Wenn sie fertig sind mit gucken, dann wollen sie die Mutter wieder anschauen, dann legen sie sich hin und schlafen. Alle Anschaffungen sind sinnvoll, die das Leben so einfach wie möglich gestalten, wie beispielsweise eine gute Küchenmaschine. Eine gute Alltagsplanung ist sehr wichtig. Man sollte überlegen, wie man sich sozial gut vernetzt oder sich ein Jahr lang eine Haushaltshilfe leisten kann. Ich rate den Eltern, dafür eventuell auch einen Kredit aufzunehmen. Man nimmt für Autos oder für ein Möbelstück einen Kredit auf, aber normalerweise nicht für diese wichtige Familienphase, die so prägend für das gesamte Leben ist. Ansonsten kann man sich im Internet gut bedienen. Dort tauschen sich betroffene Eltern mit ihrer Erfahrungen vom Leben und der Organisation mit Zwillingen sehr gut aus. Man sollte sich ein großes Ställchen anschaffen, um die Möglichkeit zu haben, die Kinder gesichert abzulegen und sich nicht damit auseinandersetzen, ob das jetzt philosophisch vertretbar ist oder nicht. Jedes zehnte Kind fällt den Eltern vom Wickeltisch oder aus dem Hochstuhl. Wer einmal unglücklich auf den Kopf fällt, der kann sein Leben hinter sich haben. Ich halte es für notwendig, die ganze Wohnung kindergerecht abzusichern. Hebammen sollten sich dafür verantwortlich fühlen, den Eltern dieses Sicherheitsdenken zu vermitteln. Wer sich für die Ergebnisse von Kinderunfällen und ihre Ursachen interessiert, braucht nur den Kontakt mit der Kinderklinik vor Ort zu suchen.

DHZ: Wie können Väter für Ihre Zwillinge sorgen?

Barbara Kosfeld: Männer haben eine andere Wahrnehmung als Frauen. Und gerade bei Zwillingen sollten die Männer in einer Art einbezogen werden, die sie auch leisten können. Sie müssen wissen wann sie zuständig sind und für was sie zuständig sind. Frauen sollten auf jeden Fall die Position verlassen: "Er muss doch sehen, was ich brauche!" Das ist der Anfang vom Ende. Ich empfehle einen klaren Timetable für die Männer. Die Eltern sollten sich absprechen, wer welche Aufgaben übernehmen kann. Frauen sollten sich klar machen, dass viele Männer erst mit älteren Kindern etwas anfangen können. Trotzdem unterstützen diese Männer in der frühen Familienphase ihre Frauen gerne - sie müssen nur die Möglichkeit dazu bekommen. Die Frau sollte das organisieren. Frauen sollten ruhig einmal "1001 Nacht" lesen. Da steht eine Menge drin, wie Frauen sich Schutz erwirtschaften können und wie sie mit Männern kommunizieren. Also, klare Äußerungen und Aufträge. Wenn die jungen Mütter sich Freiräume schaffen wollen, sollten sie nicht auf den ersten Nervenzusammenbruch warten. Zwillinge sind eine absolute Herausforderung für die Eltern, erwachsen zu werden.

DHZ: Frau Kosfeld, ich danke für das Gespräch!

 

Die Interviewte

Barbara Kosfeld, 44 Jahre alt, ist Mutter von drei Kindern im Alter von 23, 21 und 2 Jahren. Nach dem Studium der vergleichenden Literaturwissenschaft wurde sie 1989 Hebamme nach einer vierjährigen Lehre bei alten Hebammen in Hebammenkunst und einer dreijährigen Ausbildung im Krankenhaus. 1994 gründete sie die erste Aachener Hebammenpraxis, 1997 das erste Aachener Geburtshaus: Pegasus - das Zentrum für ganzheitliche Geburtshilfe und 1998 die Fortbildungsakademie für Hebammen unter Schirmherrschaft von Ministerin Ulla Schmidt. 2000 veranstaltete sie den ersten europäischen Hebammenkongress mit dem BfHD für außerklinische Geburtshilfe in Aachen. Außerdem berät Barbara Kosfeld Hebammen bei der Praxisgründung, gynäkologische Abteilungen und Entbindungsstationen in Krankenhäusern bei der Umstrukturierung ihrer Teams, sowie bei der Einführung von Belegsystemen und Kreißsaalumbauten. Momentan begleitet sie Prager Hebammen beim Aufbau des ersten Geburtshauses in Prag und führt regelmäßig vor Ort Training von Hebammen in außerklinischer Geburtshilfe durch.

Die Autorin

Katja Baumgarten ist seit 1981 Hebamme, seit 1983 mit Niederlassungserlaubnis in Hannover. Nach einem Kunststudium arbeitet sie auch als Dokumentarfilmerin. Sie ist außerdem als Fachbeirätin und in der Redaktion für die DHZ tätig. (Weitere Informationen unter www.viktoria11.de).

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