Autorin: Katja Baumgarten

DEUTSCHE HEBAMMEN-ZEITSCHRIFT Heft 3/2004

Editorial März 2004 - Titelthema Kreißsaal

 

 

 

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Therese Schlundt und Katja Baumgarten

Katja Baumgarten: "Gerade bei der
Betreuung der abgebenden Mutter
liegt noch manches m Argen."
Bild: Christian Iseli

Im Zenit

Inhaltlich sei er da angekommen, wo er hinkommen wollte. Und im Zenit solle man seine Tätigkeit aufgeben und sich neuen Zielen zuwenden, begründete Dr. Gerd Eldering seine Entscheidung, als er vor einigen Monaten seine Position als Chefarzt der geburtshilflichen Abteilung im Vinzenz-Palotti-Hospital in Bensberg aufgab. In seinem Artikel in dieser Ausgabe stellt er das vorbildliche Konzept der Bensberger Entbindungsstation vor. Anfang der 80er Jahre haben er und sein Team als eine der ersten die Gedanken von Leboyer und Odent aufgriffen und weiter entwickelt. Das letzte Projekt war die Einrichtung eines Geburtshauses im Krankenhaus. „Mein Konzept war, Kosten zu senken, ohne dabei auf gute Qualität bei der Betreuung zu verzichten. Gemeinsam mit einer Hebamme und einem Arzt wird entschieden, wo eine Frau am besten entbindet: Die eine Frau kann in dem „No-Risk“-Bereich ihr Kind zur Welt bringen, wo nicht alle medizinischen Möglichkeiten vorgehalten werden, aber sofort heran gerufen werden können - eine andere Frau gehört in einen Bereich mit viel Medizin.“ Eldering hält eine politische Entscheidung für dringend notwendig, damit so ein kostengünstiges Konzept auch überregional greifen kann. „Die Berufsverbände der Hebammen und Ärzte müssen sich mit den Krankenkassen an einen Tisch setzen.“
Sein anderer Grund für den Abschied stimmt melancholisch, nachdem „Bensberg“ jahrelang für viele als Vorbild und Ermutigung den eigenen geburtshilflichen Aufbruch stärkte: „Der Konkurrenzkampf in der Medizin wird immer größer“, beklagt er: „Stellen werden abgebaut, die Verwaltungstätigkeit nimmt enorm zu. Der Zwang zur Kostensenkung beschneidet immer mehr die freie Tätigkeit im Krankenhaus. Es gibt kein Polster mehr: Hatte früher eine Frau nach einer OP eine Verspannung im Rücken, wurde sie mit Franzbranntwein abgerieben – dafür ist heute keine Zeit mehr. Stattdessen müssen am Computer Daten eingeben werden. Wir werden demnächst einen eklatanten Hebammen- und Ärztemangel haben – das macht bald keiner mehr mit. Die Richtlinie von 118 Geburten im Jahr pro Hebamme wird selten eingehalten. Hebammen werden immer mehr von dem Eigentlichen, von der Geburtshilfe abgezogen. Das ist sicher nicht der Gesundheit in der Geburtshilfe dienlich.“

Der Arbeit im Kreißsaal ist diesmal unser Titelthema gewidmet. Erstklassige Organisation und Risikomanagement ist heute das Gebot der Stunde. Man hofft trotz allem inständig, dass auch unter dem Zwang zur „Wirtschaftlichkeit“ den Frauen, Kindern und Vätern während der Geburt individueller Schutz und unmittelbare Begleitung von Hebammen noch mit der nötigen Fülle, Geduld und Zuneigung geschenkt werden können, ohne dass diese sich selbst verausgaben. Und dass die Potenz für innovative Ideen bei einer liebevolle Geburtshilfe zum Wohl der Familien und der Gesellschaft erhalten bleibt.

Katja Baumgarten

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