Autorin: Katja Baumgarten

DEUTSCHE HEBAMMEN-ZEITSCHRIFT Heft 7/2004

Juli 2004

 

Hebammenarbeit ist Friedensarbeit

Katja Baumgarten hat den Hebammenkongress in Karlsruhe besucht und sich von dem großen Angebot überwältigen lassen


Eine Hebamme fehlte. Sie wäre die 2.500. Besucherin beim 10. Hebammenkongress gewesen, der diesmal unter dem Motto: "Hebammenkunst - Erfahrung, Wissen, Intuition" stand. Mehr Kolleginnen als je zuvor trafen sich bei diesem Jubiläumskongress des Bund Deutscher Hebammen vom 17. bis 19. Mai in Karlsruhe. In der riesigen farbenfrohen Versammlung von Frauen, fielen die wenigen Männer - Aussteller, Techniker oder Referenten - fast als "Exoten" auf. Wie immer brachte die bunte Mischung des prallen Programms eine Menge "Input" in Sachen Hebammenkunst: Austausch unter Kolleginnen, die Information an den fast unüberschaubar vielen Ständen der Ausstellung, wo sich Verbände, Vereine und Arbeitsgruppen vorstellten - und natürlich die Hersteller mit einer wahren Flut von Produkten: Neuentwicklungen und bewährten "Klassikern". Es konnte dabei auch Skepsis aufkommen, was Frauen und ihre Hebammen heute zum Kinderkriegen so alles "haben" sollten. Die Stimmung war aufgeräumt, viel Wiedersehensfreude hier und da. Treppen und Wiesen vor dem Kongresszentrum waren im sommerlichen Sonnenschein vollbesetzt mit gesprächigen Kolleginnen. Manches, was man im kleinsten Kreis hörte, stimmte auch bedrückt und traurig: Von Sparmaßnahmen und drohenden Schließungen war allenthalben die Rede, sogar renommierte Hebammenschulen darunter. Wäre die ausgezeichnete Auswahl im Programm der Vorträge und Workshops nicht so viel versprechend gewesen, hätte es einige Überwindung gekostet, diesem Prachtwetter in den gedämpft beleuchteten Vortragssälen oder bei den Workshops den Rücken zu kehren. Nur einige kleine Kostproben können hier angerissen werden, die der Fülle nicht gerecht werden. Im Kongressband wird man vieles nachlesen können.


Sinnvolle Krankenhaushygiene

"Welche Hygienemaßnahmen sind sinnvoll - welche sind es nicht?" Darauf antwortete Prof. Dr. Franz Daschner vom Freiburger Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene trotz der "trockenen" Materie praxisnah und lebendig. Er belegte seine Empfehlungen an Hand verschiedener Studien. Eine der Hauptursachen für Infektionen, die im Krankenhaus auftreten, sind unzureichende oder falsche Hygienemaßnahmen. In einer Studie mit 2.206 PatientInnen waren bei 1,45 Prozent der Patienten nosokomiale Infektionen aufgetreten, die zu vermeiden gewesen wären. Das Rooming-In, Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre mit großem Argwohn betrachtet, konnte er rehabilitieren, es weise eine sehr geringe Gefahr für Infektionen auf. Die früher unumgängliche Rasur ist dagegen "vom Tisch": "Je mehr rasiert wird, desto höher die Infektionsrate" ist sein Fazit. Es sollten deshalb nur die Haare entfernt werden, die sehr stören. "Bakterien können nicht fliegen, sie werden transportiert - beispielsweise gespritzt", war ein weiterer Grundsatz, der die Hygienemaßnahmen am Beispiel "Wassergeburt" deutlich machen sollte. Dass das Wasser in der Geburtswanne durch geeignete Maßnahmen frei von Legionellen sein sollte, versteht sich von selbst. Sein Dia zur Illustration des optimal gekleideten Wassergeburtsteams führte allerdings zu einigem Lacherfolg: Die Hebammen und GeburtshelferInnen waren von landläufigen Anglern kaum zu unterscheiden, die Abbildung ein Appell an die Berufsbekleidungsindustrie schnellstens attraktivere Modelle zu entwickeln. Will man als Hebamme einem Neugeborenen als "erster Eindruck" so gegenübertreten? Und welche Auswirkungen hat diese Verkleidung auf den Geburtsfortschritt? "Der Gefahr der Kontamination durch Spritzwasser kann nur durch wasserdichte Arbeitskleidung begegnet werden: hohe flüssigkeitsdichte Schuhe, eine lange geschlossene wasserdichte Schürze, die den Oberkörper und die Beine vollständig bedecken sollte, sowie durch lange Handschuhe", war der strenge Rat von Daschner. "Seit es Aids gibt, sollen sich in Deutschland bereits 30 Personen bei der Arbeit im Krankenhaus mit HIV-Viren angesteckt haben", gab er auf ungläubige Nachfragen zu bedenken.

"Wochenfluss ist nicht infektiös!" Das anders lautende hartnäckige Ammenmärchen wurde von ihm entschieden ausgeräumt. Gefährlich seien dagegen Dusch-WCs auf Wochenstationen, die Keime von einer Wöchnerin zur nächsten transportieren könnten. Die vorbereitete aufgezogene Spritze, die neben dem Geburtsbett auf ihren Einsatz wartet, sei ebenso verboten wie das Telefonieren mit Handschuhen. Die Handschuhe, die beim Dammschutz getragen würden, brauchten übrigens nicht steril zu sein. Gegen Tampons im Wochenbett hatte er keine Bedenken. Ob man beim Baden des Neugeborenen ebenso wasserdicht und mit hohen Handschuhen bekleidet sein müsse, wie bei der Wassergeburtshilfe, wollte eine Hebamme wissen. Eine wirklich eindeutige Empfehlung gab der Fachmann nach einigem Hin- und Herüberlegen nicht. "Ist ein Vollbad der Wöchnerin nach der Geburt und im Wochenbett erlaubt?", war eine weitere Frage aus dem Auditorium. Die Antwort: "Warum eigentlich nicht?" Die früheren Empfehlungen seien ja furchtbar: "Kein Bad, kein Sex - sechs Wochen lang!"


Ungestörte Bindung

Der Vortrag von Wibke Jonas, deutsche Hebamme und Doktorandin am Karolinska Institute in Stockholm, mit dem Titel "Physiologische Vorraussetzungen des Stillens - Wie können Interventionen im Kreißsaal stören?" brach eine wissenschaftlich belegte Lanze für die ungestörte Ankunft auf der Welt. "Je früher und je mehr Kontakt Mutter und ihr Kind nach der Geburt haben, desto glücklicher, leichter und länger verläuft die gesamte Stillzeit", war ihr Credo. Da der Einsatz von Schmerzmitteln oder PDA unter der Geburt diesen Anfang sehr erschweren und das Stillen deutlich störe und verzögere, sollten alternative Methoden der Schmerzbehandlung gefördert werden.

"Natürliches Gebären mit einem ungestörten Bonding schafft zwangsläufig eine Abhängigkeit der Mutter zu ihrem Kind." Ob es gerade diese Bindungsmöglichkeit sei, die bei der gegenwärtigen Zeiterscheinung Wunschkaiserschnitt umgangen werden soll? Damit keine tief greifenden Veränderungen im Leben, wie beispielsweise Brüche in der Karriere der Mütter, gefordert seien? Diese Fragen warf Ingrid Löbner, Diplom-Pädagogin von Pro Familia Tübingen auf. "Wir wissen aus der Hirnforschung, dass Stillen das Gehirn verändert: Die Areale für Empathie laufen auf Hochtouren, während viele Frauen die Erfahrung kennen, dass andere Areale zeitweise ruhiger gestellt sind." Bindung zum Kind führe notwendigerweise auch zur Abhängigkeit der Frau von Ihrem Partner. Löbners Vortrag beleuchtete ein widersprüchliches Mutterbild in der Gesellschaft. "Wie können Hebammen auf der einen Seite für ein erfolgreiches Bonding eintreten und auf der anderen Seite wird diese Bindung - wenn die Kinder gut an ihre Mutter oder ihre Eltern "gebondet" sind - schon nach wenigen Monaten wieder massiv unterbrochen: Wenn Frauen viel zu früh ins Berufsleben zurückkehren und ihr Kind zur Betreuung in fremde Hände abgeben müssen?" Ob das ohne Auswirkung bliebe? Die Zunahme von "Bläh- und Schreikindern" könne man als psychosomatische Reaktion auf Spannungen und Stress sehen. In Schweden hätten Eltern im ersten Lebensjahr mehr Ruhe für ihr Kind: Zwölf Monate lang hätten entweder Mutter oder Vater Anspruch auf "Mutterschutz" mit einer Fortzahlung von 80 Prozent ihres Arbeitslohns. Viel Zustimmung und lebhafte Diskussionen lösten Löbners Gedanken aus. In meiner rückwärtigen Sitzreihe war allerdings auch unzufriedenes Gemurmel von zwei Kolleginnen zu hören, als seien diese "reaktionären" Ansichten unerträglich.

Ob man jedoch heute, nach Zeiten der Kämpfe für Chancengleichheit der Frau in Beruf und Partnerschaft, in der modernen Bürde aus Doppelbelastung von Beruf und Mutterschaft noch ihre Befreiung erkennen vermag, ist fragwürdig. Auch den Aufgaben der Mutterschaft sollte professioneller Stellenwert zuerkannt werden. Wirtschaftlich und beruflich müssen die notwendigen Freiräume geschaffen werden, die Frauen dafür brauchen.


Falle: "Selbstbestimmung"

Ein Höhepunkt, für den allein sich schon die Reise nach Karlsruhe gelohnt hätte, war der Vortrag von Prof. Dr. Barbara Duden, Historikerin am Institut fŸr Soziologie an der Universität Hannover: "'Aber die Frauen wünschen es ...' - Zur Zerstörung des Wünschens und zu den Paradoxien der 'Selbstbestimmung' in Neuen Zeiten". Sie bedankte sich für die Einladung vor der großen Zahl der Hebammen zu sprechen: "Obwohl ich selbst nicht Hebamme bin und niemals ein Kind geboren habe!". Sie wolle davon sprechen, "wie Selbstbestimmung das Wünschen unmöglich macht. Über die Forderung als Falle für die Schwangere und Gebärende und über 'Selbstbestimmung' und 'Autonome Entscheidung' als Widerspruch in sich." Sie tue das in der Hoffnung, dass sich Hebammen künftig über das Wort "Selbstbestimmung" lustig machen könnten.

"Selbstbestimmung" sei die zentrale Forderung der Frauenbewegung gewesen. "Ich will zeigen, dass Selbstbestimmung im hochmedikalisierten Betrieb nicht etwas ist, das Frauen brauchen, sondern etwas, wozu die Medizin die Frauen braucht, um unnötige, unsichere und fragwürdige Dienstleistungen eben an die Frau zu bringen." Früher eine der Parolen der Frauen im 20. Jahrhundert, stünde nun "Die Förderung der Selbstbestimmung" auf der Agenda von ÄrztInnen, Krankenkassen und Pharmakonzernen. "Je mehr es darum geht, dass Frauen sich etwas antun lassen, obwohl ihnen gar nichts fehlt, desto eindringlicher appellieren Mediziner an die 'Selbst-Bestimmung' und die 'Eigenverantwortung' der potenziellen Konsumentin." Frauen würden durch Beratungsangebote - einem "Selbstbestimmungs-Unterricht" - erst für die Freiheit präpariert, was eine tiefere Entmündigung bedeute, als es früher der Paragraph 218 vermocht habe. Ihre innere Unabhängigkeit habe Frauen nie genommen werden können, nun würden die neuen "selbstbestimmten Entscheidungen" zu einer Gleichschaltung zwingen, indem sie auf das Denken, die Wahrnehmung und die Wünsche der Frauen zielten. Frauen bekämen ein "Menü aus Behandlungsoptionen" vorgesetzt, aus dem sie - auf eigenes Risiko - zu wählen hätten. Nicht die Ärzte, sondern die Patientinnen seien die neuen Entscheidungsträgerinnen im Gesundheitssystem, selbst verantwortlich für ihre eigene Gesundheit. Der Arzt berate die Frau nach statistischer Wahrscheinlichkeit über "ihr persönliches Risiko". "Die statistischen Berechnungen und die andauernden Abklärungen haben vor allen eine Wirkung, nämlich die Zukunft zu überschatten und die 'gute Hoffnung' der Schwangeren in 'schlechte Erwartung' zu verwandeln.", beklagt Barbara Duden: "An die Freiheit, sich der Zukunft anzuvertrauen, kommt der Wurm!"


Einfach guter Hoffnung?

"Darf man einfach guter Hoffnung sein?", hatte BDH-Präsidentin Magdalene Weiß anlässlich der "1.000 Fragen-Kampagne" der "Aktion Mensch" öffentlich gefragt. Diese Frage war der Ausgangspunkt einer Podiumsdiskussion. Die Ärztin Prof. Dr. Beate Schücking sinnierte angesichts sinkender Reproduktionsrate in industrialisierten Ländern, ob durch ein Aussterben der Hoffnung auch der Wunsch, Kinder zu bekommen, aussterben würde. Spiegel-Redakteurin Dr. Renate Nimtz-Köster, vielen bekannt durch ihren "sectio-kritischen" Artikel: "Schnittig ins Leben", beobachtet die geburtshilfliche Entwicklung seit den späten 70er Jahren, als Frauen noch gegen die Apparatemedizin aufbegehrten. 1981 habe immerhin einer der glühendsten Verfechter der programmierten Geburt, Prof. Hans Harald Bräutigam, den Anstieg der Sectiorate auf 15 Prozent scharf kritisiert: "Dies sei eine schlimme Entwicklung, die man gar nicht genug geißeln kšnne." Magdalene Weiß war zuversichtlich, dass die Entwicklung wieder frauengemäßer würde. Ein großes Problem sei die Breitenwirkung, wenn "Promis" ihre Sectio öffentlich aufarbeiteten. Es gäbe aber auch gegenteiligen Einfluss: Aus den Reihen der "Royals", die besonders im Zentrum des Interesses ständen, hätte jüngst ein Beispiel Schule gemacht: Als eine holländische Prinzessin ihr Kind ohne Schmerzmittel mit Hebammenbetreuung und Akupunktur zur Welt gebracht hätte, sei prompt die PDA-Rate in Holland gesunken.

Prof. Dr. Werner Lauff betonte als Erziehungswissenschaftler, man müsse zurŸckkehren zur Urkeimzelle erzieherischen Denkens in der Hebammenarbeit. Die Geburt sei ein "verdichteter Erziehungsprozess". Was in einer technisierten Geburt ausgelöst würde, könne zu 20 Jahren Unsicherheit in der Erziehung führen. Beate Schücking widersprach ihm: "Ich glaube nicht an Pädagogik, obwohl ich in der Lehrerausbildung tätig bin." Sie setze mehr auf die Kraft des "Vorbildes", beispielsweise wenn Kinder erfahren, wie alte Menschen in ihrer Krankheit und im Sterben zu Hause begleitet werden. Erziehungsprogramme halte sie für "etwas Gekünsteltes", in den Sozialressourcen sei genug StŠrke vorhanden.

Die Diplom-Pädagogin Nicole Truckenbrodt empfahl den Hebammen, mit Humor gegen die Angst vorzugehen und beim Vertrauen ins Leben und in die Übergänge des Lebens bei sich selbst zu beginnen. Als Journalistin gab Renate Nimtz-Köster zum Schluss den Hebammen einen guten Rat, sich in die öffentliche Debatte einzumischen: "Machen Sie das, was normal ist, spektakulär! Denn es ist spektakulär!"


Evidenz kritisch prüfen

Professor Dr. Marc Keirse, Leiter der Abteilung für Gynäkologie, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin an der Universität Adelaide in Australien, ist einer der Autoren des Weg weisenden Werkes mit dem deutschen Titel "Effektive Betreuung in Schwangerschaft Geburt und Wochenbett". 15 Jahre nach seiner Veröffentlichung unterzog er die evidenzbasierte Medizin neben ihrer wertvollen Wirkung auch einer kritischen Beleuchtung.Nicht alles, was sich evidenzbasiert nenne, sei es auch wirklich.

An mehreren Beispielen, unter anderem an einer Studie mit der Fragestellung zum Geburtsmodus bei Beckenendlange - Sectio versus Spontangeburt - belegte er seine Kritik. Diese Metastudie, die im Oktober 2000 in der Wissenschaftszeitschrift Lancet veröffentlich wurde, zeige eine Evidenz, dass die Spontangeburt zu schlechteren Ergebnissen führe als die primäre Sectio. Bei seiner Überprüfung stellte er einen entscheidenden Schwachpunkt fest: In der Studie waren BEL-Geburten in mehr als 121 geburtshilflichen Abteilungen aus 27 Ländern zusammengefasst. Im Durchschnitt kämen bei genauem Nachrechnen dabei nur 5,3 BEL-Geburten pro Zentrum und Jahr. Mit solch geringer Erfahrung müsse das Ergebnis zwangsläufig verfälscht werden, warnte er vor zu unkritischer Übernahme von Studienergebnissen. Gute Selektion und erfahrene Geburtshelfer seien bei der Leitung einer BEL-Geburt notwenig. Randomisierte Studien seien kein Selbstzweck, sondern allenfalls wichtige Instrumente. Und: "Alle Instrumente sind nur so gut, wie die, die sie benutzen."


Hebammenkunst heute

In ihrem umfassenden Vortrag zum Leitmotiv des Kongresses "Hebammenkunst - Erfahrung, Wissenschaft, Intuition" zog die Präsidentin des BDH Bilanz aus ihren Begegnungen mit Kolleginnen aus den vielseitigen Wirkungsfeldern des Berufs. Magdalene Weiß beleuchtete an Hand vieler Beispiele die Nöte und Chancen heutiger Hebammenarbeit.

Vor einer medikalisierten Geburtshilfe warnte sie: "Auch immer mehr Kolleginnen vertrauen auf die Technik." Der Gebrauch des Hörrohrs und die Leopoldschen Handgriffe müssten auch heute noch an Hebammenschülerinnen weitergegeben werden, forderte Magdalene Weiß: "Das Unverwechselbare der Hebammenkunst droht zu verschwinden!" Dies könne eine der Auswirkungen des Wunschkaiserschnitts werden - abgesehen von einer Kostenexplosion, die damit einhergehen würde. Das um sich greifende Risikodenken führe zu Absicherungsstrategien, dem gegenüber eine Haltung des Vertrauens von Hebammen gestärkt werden müsse. Auch Hebammen liefen Gefahr zu Macherinnen zu werden: durch Akupunktur oder Homöopathie könnten Frauen ebenfalls in Abhängigkeit gebracht werden.

"Es fehlt der wissenschaftliche Nachweis, dass das Krankenhaus der sicherste Ort für gesunde Schwangere ist!" parierte sie selbstbewusst kritischen Stimmen gegen die außerklinische Geburtshilfe: "Es gibt genug Studien, die beweisen, dass die Hausgeburtshilfe sicher ist - bei guter Selektion." Und später in ihrem Vortrag: "Jede Frau, die eine Hausgeburtshebamme sucht, soll fündig werden."

Im Unternehmen Krankenhaus gäbe es durch den Ökonomisierungsdruck tief greifende Veränderungsbewegungen, wie zum Beispiel die Umwandlung in Belegsysteme, oft gegen den Willen der betroffenen Hebammen. Das führe zu steigender beruflicher Belastung: 2003 seien dadurch die Bereitschaftszeiten um 38,5 Prozent angestiegen. Das zentrale Ereignis in der Hebammenarbeit, die normale Geburt, würde immer mehr zum Nebenereignis. Neue Aufgaben, wie eine ausufernde Dokumentation bekämen eine Eigendynamik, dass sie die individuelle Betreuung verdrängten. Als verheerende Nebenwirkung der DRGs stehe inzwischen die Pathologie bei der Geburt hoch im Kurs, denn sie steigere den Ertrag. In einer modernen geburtshilflichen Einheit habe die normale interventionslose Geburt kaum noch Chancen.

Magdalene Weiß ermutigte dennoch, mit langem Atem in die Zukunft zu sehen und die Hebammenkunst und die beharrliche, auch die politische Arbeit an Veränderungen zum Guten, nicht aus dem Auge zu verlieren. Es deuteten sich auch wieder gegenläufige Entwicklungen an: Auf die Anfrage des BDH, warum Krankenkassen angesichts der hohen Kosten den Kaiserschnitt ohne medizinische Indikation unterstützten, planten inzwischen zwei Kassen, die Leistung aus dem Katalog der gesetzlichen Kassen zu streichen. Drei zukunftsweisende Forschungsprojekte hätten die Modellversuche "Hebammenkreißsaal", "Lernort-Kooperation Hebammenschule und Fachhochschule" und die Einbindung von Hebammen bei der Raucherinnenentwöhnung in der Schwangerschaft zum Ziel. Hebammen sollten sich künftig vermehrt an Schulen engagieren. "Hebammenarbeit ist Friedensarbeit im besten Sinne! Denn sie ist Prävention gegen Gewalt." Mit diesen Worten schloss der eindruckvolle Vortrag. Die Hebammen im voll besetzten Saal dankten mit "Standing Ovations".

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