.
Migranten / Flüchtlinge - Bilder von ULRICH LEIVE (Anklicken!)

Einführungstexte von Manfred Melles


Migranten - Flüchtlinge - Bild 1 © Ulrich Leive
Migranten - Flüchtlinge - Bild 2 © Ulrich Leive
Migranten - Flüchtlinge - Bild 3 © Ulrich Leive

Migranten - Flüchtlinge - Bild 4 © Ulrich Leive
Migranten - Flüchtlinge - Bild 5 © Ulrich Leive
Migranten - Flüchtlinge - Bild 6 © Ulrich Leive

Migranten - Flüchtlinge - Bild 7 © Ulrich Leive
Migranten - Flüchtlinge - Bild 8 © Ulrich Leive
Migranten - Flüchtlinge - Bild 9 © Ulrich Leive

Migranten - Flüchtlinge - Bild 10 © Ulrich Leive
Migranten - Flüchtlinge - Bild 11 © Ulrich Leive
Migranten - Flüchtlinge - Bild 12 © Ulrich Leive


(236 Bilder)

.

Der «Auszug aus Ägypten» und Ulrich Leives Flüchtlings-Bilder

Exodus 1 © Ulrich Leive   Das Bibelbild Exodus, das den Auszug der Kinder Israels aus Ägypten zeigt, hat Ulrich Leive zu einer ganzen Serie von Bildern inspiriert. Man kann sie in gewisser Hinsicht als Varianten des Exodus-Themas ansehen und sie deshalb zusammen mit der «Leive-Bibel» präsentieren. Man kann sie aber auch allgemein als der Flüchtlingsproblematik zugehörig betrachten, wie sie in der Kulturgeschichte sowie in Realgeschichte und besonders in der Gegenwart von Bedeutung ist.
   Immer werden schematisierte Menschen einzeln, paar- oder gruppenweise durch abstrakt anmutende Bildgründe geführt. Individualität und anatomische Richtigkeit spielen keine Rolle. Es sind flächig gemalte, fest umrissene Körper, die an ägyptische, an sumerisch-akkadische Darstellungen erinnern. Auch wenn sie in Bewegung sind, bewegen sie sich wie die späteren, zu einer Chiffre gewordenen Menschen mit der Starrheit von Scherenschnitten. Sie bewegen sich in einer Welt, die zertrümmert ist und nur noch aus versprengten Überresten zu bestehen scheint.

   Die Posaunen von Jericho © Ulrich Leive Woher kommen die Menschen, wohin gehen sie? Soll man das Geschehen aktuell deuten, wie man es auch bei Leives Bild Die Posaunen von Jericho tun kann? Da geht es bekanntlich um Mauern, die zum Einsturz gebracht werden. Handelt es sich hier um Kriegsflüchtlinge, um weltweite Wanderungsbewegungen, um Menschen, die auf der Suche nach neuen Lebensmöglichkeiten sind?
   Manche strecken in grotesker Überzeichnung einen Arm aus, als würden sie auf ein Ziel hinweisen, als könnten sie ein gelobtes Land an sich heranziehen. Doch solch ein momentaner Versuch gerinnt zu einer Gebärde der Hilflosigkeit, der körperliche Ausdruck einer Sehnsucht hat keine erkennbaren Folgen. Manche füllen das knapp bemessene Bildformat zur Gänze aus, sprengen gleichsam den Rahmen des ihnen zugemessenen Lebensraums, stoßen bereits an seine Grenzen und sind womöglich im Begriff, ihn zu überschreiten. Manche blicken nach oben, als könnten sie da so etwas wie Orientierung finden. Andere haben ihre Augen geschlossen. Sie lassen sich blind treiben oder folgen blind denen, die auch kein festes Ziel zu haben scheinen.

© Manfred Melles

   Dieser Artikel beruht auf Texten von Einführungsreden, wie sie zur Eröffnung früherer Einzelausstellungen von Ulrich Leive in Soest, Freiberg, Osnabrück, Bonn/St. Augustin, Lingen, Greifswald, Stralsund und anderswo vom Autor gehalten wurden.


Start

Zurück nach oben

Home | Neu

.

Ulrich Leives «Flüchtlingsbilder» als «chiffrierte Figurationen»

Migranten - Figurenbild 1 © Ulrich Leive   In einer späteren Phase sind die Figuren noch stärker vereinfacht. Sie setzen sich nun aus geometrischen Formen zusammen, aus spitzen Dreiecken, die zu Nase, Mund und Armen werden, ein Halbkreis bildet den Hinterkopf, aus Rechtecken entstehen Beine. In endlosen Serien, in immer wieder neuen Variationen und Konstellationen wird gezeigt, was aus dem Menschen geworden ist: eine Chiffre, ein Namenloser unter Namenlosen. Die Figuren haben ihre Körperfarbe verloren, Assoziationen zu bestimmten Rassen oder ethnischen Gruppen sind nicht mehr möglich, Geschlechtsmerkmale treten nicht mehr hervor! Versuche, Einordnungen nach dem Alter vorzunehmen, müssen fehlschlagen. Es ist klar, es geht um den Menschen an sich. Die Chiffre-Figuren sind dunkel oder unwirklich bunt. Füße und Hände fehlen ihnen, sie gehen nicht mehr selbstätig dahin, ihr Handlungsvermögen ist aufs Extremste eingeschränkt, die Augen sind nach innen gekehrt; wenn sie noch etwas von der Welt wahrnehmen, so ein Erinnerungsbild von ihr in ihrem Innern oder ein ebenfalls bloß geistig geschautes Bild einer vagen Zukunft.

   Migranten - Figurenbild 2 © Ulrich Leive Die Außenwelt als reale Welt ist verschwunden. Sie hat sich aufgelöst und besteht allenfalls noch aus Zeichen. Alte Symbole tauchen auf, Sterne, Kreuze, Runen, Räder oder Brücken, aber auch unbekannte Zeichen, deren Sinn sich erst allmählich erschließt. Die Bildszenerie wird zu chiffriertem Erzählen. Sprechen die Figuren nicht auch? Man könnte es meinen. Sie scheinen sich noch irgendwie zu äußern; der Mund ist geöffnet, manchmal ist so etwas wie ein Aushauchen angedeutet. Ob es zusammenhanglose Laute sind, ein Kinderlallen jenseits jeglicher Verstehbarkeit? Ob es Silben sind, die zu Wörtern werden, die etwas bedeuten? Ob die Menschen nur klagen, ob sie für sich selbst reden oder vor sich hin singen, ob sie bewusst Kontakt suchen, eine Resonanz erwarten, einem verborgenen Instinkt gehorchen?

   Der Maler beharrt darauf, eine Geschichte erzählen zu wollen von seinen Menschen, die niemals Täter, sondern alle auf irgendeine Weise Opfer sind und oft Spuren von Verletzungen tragen. Abstrakte Formen und Farben allein hält er nicht für aussagekräftig genug. Manchmal verschwinden die Figuren, aufs Umrisshafte reduziert, fast völlig in Farbnebeln und sind kaum noch als Reflexe wahrnehmbar. Sie irren durch Farbfelder, bewegen sich in hellen und dunklen Zonen, sie spüren das Licht und werden wieder in das Dunkel der Nacht getrieben. Sie sind unruhig, bis ein blaues Strahlen sie besänftigt, sie würden verzweifeln, wenn da nicht ein anheimelndes Rot wäre, das wohlige Erinnerungen in ihnen wachriefe. So schöpft der Mensch neue Hoffnung. Eine Sonne taucht auf, wärmende Strahlen, die alles beleben könnten, eine innere Sonne auch, die zu neuer Aktivität anregen mag.

Migranten - Figurenbild 3 © Ulrich Leive   Die verstümmelten Arme versuchen Kontakt aufzunehmen, um die Figuren aus ihrer Isolierung zu befreien und die Abkapselung zu beenden. Eine Art Kommunikation findet statt. Einzelne Figuren schließen sich zu Gruppen zusammen, die Gruppen weiten sich zu unabsehbaren Massen, von denen immer nur Ausschnitte sichtbar sind, der Rahmen verhindert den Blick auf das Ganze; die Figuren dringen von links ins Bild ein und verlassen es nach rechts wieder, und wenn man auch vermutet, dass sich alles auf ein Ziel zubewegt, so bleibt doch das Ziel selbst unsichtbar; innerhalb des Bildes von links nach rechts gehen, das heißt auch, sie kommen aus der Vergangenheit und gehen in die Zukunft; nur vereinzelt stellt sich eine Figur diesem Strom entgegen, sie ist rückwärtsgewandt, sie mag die Zukunft nicht, weil sie das Unbekannte bedeutet, sie will die Zukunft nicht kennen lernen, weil sie sich vor ihr fürchtet.

   Es kann geschehen, dass sich auch das Umrisshafte einer Figur in einem Farbfeld auflöst, gleichsam aufgesaugt wird und wie in einem Nichts verlöscht. Wo ist sie nun hin? Kann sie je in verwandelter Form neu entstehen? Woran liegt es, dass eine andere Figur plötzlich hell erstrahlt, als sei ihr so etwas wie Erleuchtung widerfahren? Die allgemeine Orientierungslosigkeit kann sie nicht mehr schrecken, sie fragt nicht mehr nach dem Sinn des Lebens, sie lebt einfach, und indem sie das tut, wird ihre Welt wieder bunt.

© Manfred Melles

   Dieser Artikel beruht auf Texten von Einführungsreden, wie sie zur Eröffnung früherer Einzelausstellungen von Ulrich Leive in Soest, Freiberg, Osnabrück, Bonn/St. Augustin, Lingen, Greifswald, Stralsund und anderswo vom Autor gehalten wurden.


Start

Zurück nach oben

Home | Neu


Und jeder Schritt des Wandrers ist bedenklich. (Goethe)

Copyright © Ulrich Leive