Theater Spielplatz

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Pressebericht

Rheinische Post, Mittwoch, 25. September 2002
Mönchengladbach/Lokales Feuilleton

Samir Kandil erzählt
Auf der Flucht vor der Realität

Von FRANK ZIMMERMANN

Nur eine Person steht auf der Bühne, aber zahlreiche Figuren sind mit von der Partie: der "storyteller", der Königsmacher, Johnny Weissmüller, Sisyphos, seine Frau Dolores und noch einige mehr. Wie das möglich ist? Nun, der junge Schauspieler Samir Kandil schlüpft in mehrere Rollen. Jetzt präsentierte er sein Stück "der storyteller" auf der Bühne des Theaters Spielplatz. 1994 hat er zum ersten Mal an dem Stück gearbeitet, 1998 war es endlich bühnenreif. Da auch die Inszenierung von ihm stammt, ist es nur konsequent, dass der Düsseldorfer das Einpersonenstück auch selbst spielt.

Nach seiner Flucht aus der Landesklinik ist der "storyteller" in einem belgischen Hotel gelandet. Hier erzählt er die Geschichte seiner Flucht. In Rückblenden flicht er dabei zahlreiche Storys ein. So entsteht ein Puzzle aus Anekdoten, Geschichtsfragmenten, Hosentaschenphilosophien und Schicksalsschnipseln, die in ihrer Summe trotzdem kein Gesamtbild abgeben. Zu sehr bleibt der storyteller im Unbestimmten: "Ich hatte sechs gute Freunde oder sieben oder vielleicht acht." Zu oft verschwimmt die Realität mit der Phantasie, der storyteller kommt von Hölzchen auf Stöckchen. Dann scheint er für einen Moment greifbar, wenn er zum Beispiel die Atmosphäre der frühen Morgenstunden auf einem Bahnhof beschreibt: "Die junge Luft ist verwebt mit dem Geschmack von Stahl und Kälte." Doch als würde er spüren, dass er seine Anonymität gefährdet, bricht er in der Schilderung ab und erzählt einen Witz.

Inventar der Popliteratur

Viele Elemente des Stücks erinnern an das Inventar der Popliteratur: ein junger Mensch vagabundiert durch das Leben, auf der Suche nach sich selbst. Allerlei Bekanntes und Bekannte werden zitiert: Macbeth und Greta Garbo, der Existentialismus und alte Tarzanfilme aus der Sonntagsmatinee des Dorfkinos. Doch nichts bietet Halt, alles bleibt Oberfläche. Die Storys sind bloße Projektionen und der storyteller bietet ihnen die Projektionsoberfläche.

Samir Kandil besticht durch ein beachtliches schauspielerisches Können. Obwohl ihm auf der Bühne neben zwei Stühlen und einem Tisch nur noch einige Flaschen und Gläser als Requisiten zur Verfügung stehen, schafft er es überzeugend, verschiedenste Situationen vorzuführen. Scheinbar mühelos schlüpft er in verschiedene Rollen und Charaktere. Theaterinteressierte sollten sich den Namen merken.

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