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Pressebericht
Rheinische Post, Montag, 4. März 2002
Mönchengladbach/Lokales Feuilleton
Sahra Wagenknecht las im "Theater Spielplatz"
aus ihrem Buch "Mythen der Modernisierer"
Visionen aus einer anderen Welt
Von LARS BJÖRN GUTHEIL
"Mythos" steht für Göttersage und -dichtung. Daher mag es auf den ersten Blick verwirren, dass Sahra Wagenknecht, PDS-Politikerin und Buchautorin, den Titel ihres jüngsten Werks "Die Mythen der Modernisierer" getauft hat. Um Götterwelten geht es Wagenknecht nicht, wohl aber um Sage und Illusion. Unsere Demokratie, so ihre These, basiere auf Worthülsen, sei Schall und Rauch. Im allgemeinen Modernisierungswahn blieben die wahren Bedürfnisse des Menschen auf der Strecke.
Eine Traditionalistin
Aussagen, die aus dem Munde Wagenknechts nicht verwundern. Bundesweit hat sich die 1969 in Jena geborene Sprecherin der Kommunistischen Plattform der PDS mit provokanten Thesen einen Namen gemacht. Sich selbst sieht Wagenknecht als Traditionalistin, die das Trugbild der modernen Mythen entzerrt.
Am Freitagabend stellte Wagenknecht ihre Thesen im Gladbacher "Theater Spielplatz" zur Diskussion. Acht "Mythen" fasst ihr im Oktober erschienenes Buch zusammen: Demokratie, Markt, Kapital, US-Wirtschaft, New Economy, kapitalgedeckte Rente, Eigeninitiative sowie Frieden und Menschenrechte. Hinter dem Lesetischchen, die Beine entspannt übereinander geschlagen, beschränkte sich Wagenknecht darauf, Teile des Vorworts und dreier Kapitel zu lesen.
Ruhig und bestimmt erscheint die Autorin bei der Vorstellung ihres Buchs: So sachlich und selbstverständlich der Ton, dass die Ironie der Thesen, die Provokation der Schlussfolgerungen eher unterschwellig wirken. "Nichts kann bleiben wie es ist", zitiert Wagenknecht die "Modernisierer" im Vorwort - und zieht doch die "plüschige Vision" einer Welt vor, in der nicht die Produktivität vorgibt, was zu tun ist. Doch wo liegt die Welt der Sahra Wagenknecht? So plakativ die Autorin die "gesellschaftlichen Nutznießer auf der Shareholder-Seite" oder die "Verantwortlichkeit der Konzerne und Großbanken für die Arbeitslosigkeit" kritisiert: Das Ziel ihrer eigenen Ideen bleibt an diesem Abend undeutlich.
1989 trat Sahra Wagenknecht in die SED ein. Noch immer ist sie der Ansicht, dass die Menschen in der DDR "in mancher Weise eine höhere Lebensqualität genossen haben als in der Bundesrepublik". Utopie und ein Stück "Ostalgie" schwingen mit, wenn Wagenknecht im abschließenden Kapitel ihr Szenario einer gerechten Gesellschaft entwirft. Ein Bote aus der Zukunft reist per Zeitmaschine ins Hier und Jetzt. Auf einer Studienreise will er das Zeitalter kennen lernen, "in dem Berufszocker die Entscheidungen treffen und Konsum kein Genuss, sondern neurotischer Kaufzwang ist". In Wagenknechts Zukunftswelt sieht es anders aus. Basisdemokratische Zirkel regeln alles, was sie betrifft, selbst", wirtschaftliche Fragen "werden von der Politik entschieden" und Geld ist abgeschafft worden. Das ist in der Tat ein wenig plüschig.
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Eine Reizfigur war im "Theater Spielplatz" zu Gast: Sahra
Wagenknecht, Sprecherin der kommunistischen Plattform in der PDS, stellte in Mönchengladbach ihr aktuelles Buch vor.
RP-Foto: Detlef Ilgner
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