Wir leben in einer Zeit großer gesellschaftlicher Veränderungen, die
jeden von uns betreffen auch unsere Gemeinde. Wie können wir als
Einzelne und als Gemeinde in Göttingen unseren christlichen Glauben
leben? Welche Schwerpunkte und Zielsetzungen haben wir in St. Paulus?
Um auf diese und ähnliche Fragen hilfreiche Antworten zu finden, sind
wir seit zwei Jahren mit zwei Gemeindeberatern auf dem Weg. Jede und jeder
in der Gemeinde ist herzlich eingeladen, auf diesem gemeinsamen Weg
mitzudenken, mitzureden und mitzuhandeln.
Ausgangspunkt dafür ist eine realistische Bestandsaufnahme unserer
Gemeinde. Im Pfarrgemeinderat und in der Steuerungsgruppe, die für den
Gemeindeentwicklungsprozess eingerichtet wurde, haben wir viele Stunden
mit fruchtbaren Gesprächen, Planungen und Absprachen verbracht. Ziele
waren die Beschreibung des gegenwärtigen Gemeindezustandes und
grundsätzliche Gedanken für die Zukunft: "Wie sieht die Realität
in unserer Gemeinde, im Leben der Gemeindemitglieder und für die Menschen
um uns herum aus?" Diese Frage war dabei immer wieder Ausgangspunkt.
Bei aller Arbeitsdisziplin gab es auch viel Spaß und lustige Momente.
Besonders wenn wir versuchten, unsere Gemeinde als Flusslandschaft, Biotop
oder ähnliches bildlich darzustellen.
Gespräche geführt
Für den ersten großen Schritt halfen Fragebögen, die in der Gemeinde
verteilt wurden. Außerdem wurden persönliche Interviews mit Menschen
innerhalb und außerhalb der Gemeinde durchgeführt. Bei den Interviews,
zum Beispiel mit dem benachbarten evangelischen Geistlichen, Vertretern
der Politik oder dem "Kaufmann um die Ecke" wurde gezielt danach
gefragt, wie unsere Gemeinde wahrgenommen wird. Erwartungen an die
Gemeinde sollten erfragt werden oder auch was die Interviewten an St.
Paulus stört. Bei den Fragebogen ging es vor allem darum, wie St. Paulus
in den Grundbereichen der Kirche "Glaube und Gottesdienst",
"Verkündigung", "geschwisterliche Gemeinschaft" und
"Dienst an den Benachteiligten" erlebt wird. Doch auch nach
besonderen Formen des Glaubens- und Gemeindelebens, nach wichtigen
Aufgabenfeldern von Kirche und nicht zuletzt nach der eigenen Bereitschaft
mitzumachen, wurde gefragt.
Der Versuch, unserer Gemeinde eine glaubwürdige Gestalt für die
Zukunft zu geben, konnte so seinen Anfang nehmen, ein erster Meilenstein
war erreicht. Elf Gemeindemitglieder hatten sich auf den Weg gemacht und
sind bei interessanten, oft mehrstündigen Gesprächen nah und fern
stehenden Menschen in unserer Gemeinde begegnet. Auf beiden Seiten gab es
viel Neues zu entdecken und viel positive Resonanz.
Überraschend gute
Ergebnisse
Auch der Rücklauf der Fragebögen war ein voller Erfolg. Von 700
ausgegebenen Fragebögen sind 104 Stück zurückgegeben worden. Das ist
(verglichen mit ähnlichen Aktionen anderer Gemeinden) mehr als erwartet.
Nicht nur zahlenmäßig, auch inhaltlich betrachtet brachten diese
Aktionen viele tolle Ergebnisse, die nun für den weiteren Prozess
bedeutsam sein sollen. Diese engagierte Teilnahme an verschiedenen Stellen
und die dabei erkennbare Bereitschaft, an irgendeiner Stelle im
"Getriebe Gemeinde" mitzutun, machte die Entscheidung des
Pfarrgemeinderates, den Prozess fortzusetzen, leicht.
Ein zweiter wichtiger Meilenstein war eine Zukunftswerkstatt, die wir
durchgeführt haben. Dieser Gedankenaustausch war ein tolles Erlebnis. Mit
vielen Gemeindemitgliedern konnte so über Zustand und Möglichkeiten der
Gemeinde, wo sie steht, wie sie sich entwickeln kann, gesprochen werden.
Gemeinde hat gutes
Image
Am Tag der Zukunftswerkstatt wurden unter anderem die Ergebnisse der
Umfrage präsentiert: So hat St. Paulus bei den befragten Menschen ein
gutes Image. Die Mehrheit der Befragten ist in den letzten Jahren in einem
guten Kontakt mit der Pfarrei geblieben, beziehungsweise hat die Beziehung
zur Pfarrei noch verbessert.
Die Pfarrei spricht besonders Familien und Kinder an. Als Stärken der
Pfarrei werden erlebt: eine Pastoral, die Freiräume für Beziehungen
schafft, Gespräch und Kommunikation, die Gottesdienste und die Katechese
rund um die Kommunionvorbereitung.
Veränderungsbedarf wird vor allem in den Grunddiensten der Koinonia
(Gemeinschaft) und der Diakonie angemeldet. Befragte, die die Gemeinde gut
kennen (Hauptberufliche, Pfarrgemeinderatsmitglieder, engagierte
Ehrenamtliche) schildern übereinstimmend, dass viele Menschen wenig
übereinander wissen, die Gruppen wenig Kontakt untereinander haben und
zuweilen die Arbeit des Pfarrgemeinderates und das Leben der Gemeinde
aneinander vorbei laufen. Vernetzung ist ein Thema, das uns deshalb in der
zweiten Hälfte des Gemeindeentwicklungsprozesses weiter beschäftigen
wird.
Am Nachmittag vertieften wir in Gruppen spezifische Themen:
Jugendarbeit, Gottesdienste und Ökumene ebenso wie Vernetzung nach innen
und außen, Gemeinde als Ort der Begegnung sowie Katechese und
Glaubensvertiefung.
Viele Ideen sind
vorhanden
Auch über Menschen, die zu wenig im Blick sind, und die Situation von
Eltern wie Familien wurde gesprochen. Wir stellten fest, dass vieles gut
gelingt und auch sehr viele gute Ideen vorhanden sind. Aber auch Grenzen
wurden sichtbar: Wie waren doch Jesu Worte über die fehlenden Arbeiter,
wenn die Ernte so groß ist?
Erste praktische Konsequenzen aus der Gemeindeanalyse und der
Zukunftswerkstatt setzten an drei Bereichen an:
u Schon länger wollten wir am Glauben interessierte, aber mit dem
Gemeindeleben nicht verbundene Menschen ansprechen. Das ist jetzt bereits
zweimal in einem sogenannten Alpha-Kurs geschehen: Wir haben Interessierte
fast 100 Personen! zehn Abende lang zu einem guten Essen eingeladen
und anschließend Glaubensgespräche geführt. Das war viel Arbeit für
die Beteiligten, aber ein voller Erfolg.
u Im gottesdienstlichen Leben haben wir einige Neuerungen eingeführt.
u Ein schwieriges Feld ist das der Jugendarbeit. Es gibt einige wenige
Jungendliche in unserer Gemeinde; unser Gemeindeassistent engagiert sich
mit neuer Kraft. Wir haben gelernt, dass wir hier mit dem Dekanat
kooperieren müssen. Da bringen begrenzte Projekte wie eine Ferienfahrt
aber auch Erfolg.
Wie geht es nun
weiter
Im letzten halben Jahr ist es von außen her besehen ruhiger geworden.
Kritische Stimmen haben schon nachgefragt, was aus dem
Gemeindeentwicklungsprozess geworden ist. Die Steuerungsgruppe hat sich
für die nächste Etappe neu konstituiert.
Die Frage war und ist: Wie kann Vernetzung in unserer Gemeinde
aussehen? Zugegeben, anfangs waren wir recht hilflos. Die Gemeindeberater
haben uns aber zur Suche ermutigt.
In einer ersten Phase haben wir neue Ideen gesammelt. Jetzt setzen wir
an diesen konkreten Schritten an:
u Beim Pfarrfest werden erstmals
Gruppen, die bisher nichts miteinander zu tun hatten, gemeinsam Aktionen
starten.
u Der Pfarrgemeinderat wird sich in
Kürze, von den Beratern begleitet, ein Wochenende lang mit Vernetzung
beschäftigen.
u Die Begleitung der ehrenamtlichen
Multiplikatoren der "Brückenbauer" ist neu in den Blick
gerückt.
u In der zweiten Jahreshälfte wollen
wir eine Vernetzungsinitiative in der Gemeinde starten.
So geht der Prozess manchmal schnell, manchmal mühsam voran. Konflikte
sind nicht ausgeblieben in einer Großstadtgemeinde, die einem starken
Wechsel unterworfen ist und viele Gesichter zeigt bleiben Unstimmigkeiten
nicht aus.
Immer wieder wird uns dabei deutlich:
Was macht das Profil von St. Paulus in unserer Stadt aus? Wir werden uns
noch deutlicher unserem spirituellen Leitbild stellen müssen.
Das ist der aktuelle Stand. Wir sind gespannt auf Neues.