myrite maduse überlebensfreude
der medusa-zyklus stand am ende meiner polytoxischen zeit und am beginn der entdeckung der schrecken meiner kindheit. sie sind meine analyse von einigem gewesen, was mich hinderte, hinzuschauen und zu urinnern, vor allem meiner coabhängigkeit. aber auch die bereitschaft mich neu einzulassen und die dinge anders zu sehen und anzupacken ist teil des zyklus

Aus:   "Ursprünglich   war   alles   da"

In ursprünglich cover „Ursprünglich war alles da - Texte und Gedichte von Lesben mit sexuellen Gewalterfahrungen " (Hrsgin: Constance Amaci; Frühlings Erwachen, Hamburg 1993, 1. Auflage) sind auch texte von mir erschienen. das buch ist mittlerweile vergriffen. Vielleicht gibt es noch antiquarische Möglichkeiten. „verfolgt von der kindheit" gibt es bei mir erstmals ohne die vertauschten textabschnitte der druckversion.


MOÉVE MYRITE MADUSE

ICH GEBE DIE SCHULD ZURÜCK (1/91 -4/93)

wie ein stein vom herzen fällt mir die urkenntnis,die urinnerung, um die ich euch begleiterinnen/ schützende/ liebende gebeten habe heute nacht. all das, was jenseits vom inzest mein verhalten ausmacht, alles ,was loszulassen überlebensnotwendig geworden ist:
die befreiung spüre ich, den weg ,den ich schritt für schritt gehen werde, auf dem ich bin tag für tag. jede minute meines lebens, ihr zeigtet mir, bezeugtet mir den roten faden meines beinahe zerstörten, selbstquälerischen l(i)ebens:
die schuld, mit der ich beladen wurde, beladen werde, immer wieder, von den eltern, den mitschülerinnen, den heteras und heteros, von denen sowieso, deren norm ich nicht urfüllen konnte/ wollte. aber auch die lesben und strikt gleichgeschlechtlichen, männerhassenden - zu denen ich selbst zähle im grunde meines herzens -, auch sie luden schuld auf mich, meine eigene sprachlosigkeit, mein eigenes urstarren angesichts meiner ausbrüche, die ich mir übelnahm - wie sie, wenn sie´s wüßten -, übelnahm als verrat aus dem haß und der gleichgültigkeit gegenüber männern in ein menschen annehmen, freundlichkeit und angenommen sein spüren jenseits meines nicht-verständnisses für heterosexualität, für liebe zu fremdkörpern:
ein akt der verrenkung, den ich leiste, wenn ich mit heteros, mit männern arbeiten muß, in selbsthilfe- und therapiegruppen auf sie angewiesen sein soll.
- und ich grenze mich wieder nicht ab genügend, fühle mich vereinnahmt wieder und wieder, hasse mich selbst, weil ich mich schuldig spreche.
ich weise jede schuld ab: die schuld schwach zu sein und wehrlos/ hilflos, wie ich´s vor dem inzest & durch den inzest gemacht worden bin, gebe die schuld an die zurück, die die sexuelle gewalt einleitend, begünstigend oder durchführend gewirkt haben, mich für die folgen ihres tuns verurteilten; gebe die schuld meinen eltern zurück: ihre schuld, mich für ihre psychospiele körperlich-seelisch zu mißbrauchen, zu mißhandeln, wie ich´s nicht anders von ihnen kenne.
ich bin nicht schuldig, daß ich nicht verzeihen und sie nicht ehren kann, bestrafe mich nicht mehr.
und ich bin nicht schuldig, weise jede schuld ab, daß ich liebe zu fremdkörpern ablehne, heterosexualität, männliche sexualität schmutzig finde und ekelhaft.
ich weise jede schuld ab, daß ich meinen körper gehaßt habe und nur auf umwegen fähig bin ganz zu sein und heile - und meinen körper, mich zu mögen.
ich weise jede schuld ab, daß ich lesbisch bin und vorher ohne identität war:
sie war mir genommen, mein körper verwehrt; mein geist, meine seele, die verstümmelten schrien nach heilung - und mein körper ist ohne makel wie eurer -ich weise jede schuld ab.
ich weise jede schuld ab, daß ich noch vor den drogen, schon vor dem alkohol, und immer noch nach dem loslassen dieser angeblich notwendigen überlebensmittel, gehirn-auf/lösungsstoffe all diese schuld angenommen habe, immer wieder anderen geglaubt und vertraut habe, wider besseres wissen über meine kräfte gegangen bin und mich verloren habe:
meine grenzen, meine rechte, weil ich auf eure doppelzüngigkeit, die widersprechenden signale gehört habe, re-agiert habe, den nie vergessenen code von kindheitsbefehlen, die doublebinded waren, ob ihr sie gerade lebt oder ich.
falsches spiel nicht verstehen machte mich schutzlos, genauso wie die nicht immer falsche rücksicht auf die ehrlichkeit, die auch doppeldeutig sein kann, widersprüchlich, weil ihr nicht alles sagen könnt, mich zwischen den zeilen lesen läßt, interpretieren, damit mir ja nicht das wirklich gemeinte, ungesagte entgeht - und dadurch überhörte ich mich selbst, überging, überforderte.
ich gebe meine schuld zurück an mich:
für meine sucht nach anurkennung und für die maßlose selbstüberforderung, mich gering zu achten, daß ihr auf mich nie eingehen könnt, ihr wichtiger seid.
ich gebe meine schuld ab für die sucht nach selbstbestrafung, selbstverletzung, daß ich eure schuld, euer mich schuldigsprechen angenommen habe, jede verletzung aus sucht nach eurer liebe und anurkennung geschluckt habe, - lange mir jeden protest verbot - nur einer leisen andeutung fähig und keiner wahren durchsetzung, wie wachs knetbar und ohne form.
ich gebe meine schuld zurück: an die therapeuten, die mir mein zeitweises nicht-annehmen meines körpers, meinen selbsthaß mein jenseits meines körpers gewesen sein, meine ungewöhnlichen heilweisen als schuld auslegen, die mir mein ausgrenzen von männern, meinen versuch, menschlich anzunehmen und doch nachdrücklich sexuell abzugrenzen, als schuld auslegen, die meine verweigerung und nichtanurkennung von patriarchalen spielregeln übelnehmen als in nischen leben, als vermeidung, denn meine mühsam urhaltene lebenskraft nicht für die bestätigung von männern als menschliche, von mir wahrgenommene wesen zu vergeuden macht mich unmenschlich; ihre ästhetik nicht zu teilen, männer seien menschlich und schön und nicht durch ihre sexualität entstellt und verstümmelt, legen sie als krankhaft aus.
ich kann ihre fremdheit akzeptieren wie sie mich respektieren in meiner eigenheit.
und ich verzeihe mir- endlich - immer wieder und brauche mein mich schuldig sprechen, mich bestrafen nicht mehr, heile mich trotz alten verhaltens stück für stück.

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