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einladung

Weltserie : The Shrine

Mehrwert 129 : Neue kritische Diskothek #12.01
17.09.09, ab 21.00 Uhr, Raststätte, Aachen, Lothringerstr. 23

lp cover

The Shirine
Lagos, Nigeria, 1971

Die Republik Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas. Trotz reicher Erdölvorkommen verhindern bis heute Korruption, der Verfall der Landwirtschaft, ethnische und religiöse Konflikte eine nachhaltige Entwicklung. Schon die ersten 10 Jahre der Unabhängikeit waren bestimmt durch innere Unruhen, die Übernahme der Macht durch das Militär und einen drei Jahre währenden Bürgerkrieg um Biafra, den Süden des Landes, der sich 1967 unabhängig erklärt hatte. Nach dem Friedensschluss 1970 lässt der Ölreichtum noch auf eine bessere Zukunft hoffen.

Im darauffolgenden Jahr eröffnet Fela Kuti den Afrika Shrine, in dem Wellblech gedeckten Aussengelände eines ehemaligen Clubs hinter dem Empire Hotel in Lagos, wo er dann mehrfach die Woche mit seiner Band Africa 70 auftritt (1). Seine Musik, die westafrikanische Rhythmen mit Jazz, Funk und progressiver Rockmusik verbindet, mit zunehmend politischer werdenden Texten, gewinnen ihm eine treue Anhängerschaft und machen ihn auch international bekannt. Ihm wird auch zugeschrieben in dieser Zeit den Begriff Afrobeat geprägt zu haben.

Fela Kuti ist wichtigster Vertreter diese Genres, als er 1997 stirbt ist jedoch die prägende Stilrichtung der jungen Musikszene Nigerias die Rap-Musik. Man wird auch vor dem Jahr 2000 kaum fündig, wenn man nach Sammlungen von Musik unter dem Label Afro- sucht. Abgesehen von wenigen prominenten Vertretern war die Musik der späten 1960er und der 1970er Jahre eine vergessene Musik geworden. Dann jedoch interessieren sich junge DJs in England, oft afrikanischer Abstammung, für die Musikszene Lagos zu dieser Zeit und eine Reihe Zusammenstellungen erscheint. Es wird nach Platten gesucht, mit Musikern und Produzenten gesprochen, die musikalische Geschichte Westafrikas wird sozusagen von Aussen her wiederentdeckt und dokumentiert.

Afrobeat

Schon früh im vergangenen Jahrhundert gibt es in Afrika eine lebendige Musikszene in der die verschiedenen traditionellen Musikstile mit Marschmusik und südamerikanischen Rhythmen verschmelzen, grossen Einfluss hat auch der von im 2. Weltkrieg stationierten alliierten Soldaten eingeführte Bigband-Swing. Gegen Ende der 1950er Jahre findet dann westliche populäre Musik weite Verbreitung, zunächst Rock'n'Roll, dann Soul und Funk, aber auch progressive Rock-Musik.

Der in der us-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung geprägte Begriff Afro-(American) erfreut sich in den 1960er Jahren grosser Beliebtheit als Ausdruck schwarzen Selbstwertgefühls. Auch westafrikanische Musiker greifen ihn auf, so betitelt Julius Orlando sein 1966 erscheinendes Album "Super-Afro-Soul" und ändert den Namen seine Band "Modern Aces" 1967 um in "Afro Sounders". Erwähnenswerte Musiker sind unter anderen auch der aus Sierra Leone stammende und stark von James Browns Funk Musik beeinflusste Geraldo Pino oder Segun Beckonor der seine Band "Soul Assembly" 1969 in "Revolution" umbenennt.

Fela Kuti hat schon in den 1960er Jahren jazzbeeinflusste Musik gespielt, aber erst eine Tournee durch die Vereinigten Staaten 1969, der Kontakt zu Bürgerrechtsbewegung und Black Power, führt ihn dazu sich auf seine musikalischen Herkunft zu beziehen und den eigenen Stil zu finden. Noch auf der Tournee gibt er seiner Band den Namen "Nigera 70", in Lagos dann eröffnet er den Club Afro-Spot, aus "Nigeria 70" wird "Africa 70" und aus Afro-Spot nach Umzug der "Afrika Srine", der unter dem Namen "The Shrine" berühmt wird.

In den 60er Jahren berufen sich auch farbige Musiker des Westens, Jazzer vor allem, auf ihre Wurzeln, experimentieren mit afrikanischen Rhytmen. In Nordamerika haben die aus Südafrika stammenden Miriam Makeba und Hugh Masekela Erfolg, und gegen Ende des Jahrzehnts prägen die in London lebenden und aus Ghana stammenden Osibisia das Genre Afro-Rock. So ist nun auch der richtige Augenblick für Fela Kutis Musik. Der internationale Erfolg afrikanischer Musik lässt auch die Musikszene Nigerias aufblühen, 1973 etwa nimmt Paul McCartney in Lagos das "Wings"- Album "Band on the Run" auf. (2)

Das reiche Erbe westafrikanischer Musik aus dieser Zeit können wir dank der Arbeit von Plattenlabeln wie Strut oder Soundway heute wieder für uns entdecken.
| 2w

| (1) nach: Michael E. Feal. Fela: The Life & Times of an African Music Icon. Temple University Press. 2000. S.99
| (2) das Kapitel Afrobeat beruht in Teilen auf John Collins ausführlichen Begleittext zur Kompilation "Nigeria 70: Lagos Jump" (Strut Records) in der er einen sehr lesenswerten Überblick über die Geschichte der populären Musik Nigerias von 1920-1970 gibt.

Plattentipps

Dies ist eine persönliche Auswahl - und, weil mich seine Musik nicht so anspricht, ohne Fela Kuti - mit einem Schwerpunkt auf eher funklastigen Aufnahmen, die alle noch, auf CD zumindest, erhältlich sind. Die Alben können, auf Amazon.de etwa, vorangehört werden.

Afro-Rock
Kona Records, 2001
Eine der erst Zusammenstellungen westafrikansicher Musik, noch unter dem Namen Afro-Rock.

Nigeria 70
Strut-Records, 2001
Grundlegende Veröffentlichung, mit umfangreichem Begleittext. Für die Zusammenstellung ist ein Team von drei Leuten extra nach Nigeria gereist und hat vor Ort recherchiert.

Afro Baby
Soundway Records, 2004
Gute Zusammenstellung mit Arobeat aus Nigeria.

Ghana Soundz Vol.2
Soundway Records, 2004
Ghana Soundz Vol 1. hingegen gefiel mir nicht so gut.

African Scream Contest
Analog Africa, 2008
Zusammenstellung mit Afrobeat aus dem Benin und ebenfalls vor Ort recherchiertem Begleittext.

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