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- »... Für einen Artikel brauche ich Issas Lebensdaten. Doch wenn nach dem Buerschaper-Buch (1987)(79) [...], S. 52f., Issa von 1763
bis 1827 lebte, so ist das etwas anders als bei Higginson, dem nach Issa »1762-1826« lebte (Handbook, Tokyo: Kodansha, 1989, 16). Und da mich Ihr Brief wegen Pounds »Sinn«-Stelle heute
ohnehin zur Bibliothek gebracht und ich den Beleg zu »Große Literatur ist einfach Sprache, die bis zu den Grenzen des Möglichen mit Sinn geladen ist« schnell gefunden hatte, setzte ich meine
älteste Tochter und mich auf Issas Lebensdaten an. Und siehe da: Der Große Brockhaus (1955): 1763-1826 (Buerschaper, Higginson: je ein halber Punkt!); die New Catholic Encyclopedia (1967):
1763-1828 (Lang lebte Issa!); und dann die Kodansha Encyclopedia of Japan (1983): 1763-1827 (die Japaner lassen ihn nicht so lange leben wie die Katholiken, länger jedoch als Der Große
Brockhaus; und Buerschaper bekommt Hilfe aus Japan direkt!); und The Jewish Encyclopedia (o.J.): »ISSA. See Jose« (danach war Issa Jude and hat nie ein Haiku geschrieben). Da die Bibliothek
schloß, vertagte ich meine weitere Forschung. Aber zu Hause schlug ich meine Encyclopedia Americana von 1957 auf,
die mir im Trödel des Besitzers einmal für $10.- angeboten worden war, was ich jedoch, weil sie noch sehr neu aussah, auf $7.- heruntergehandelt hatte (»Aber ich hab sie doch kaum benutzt!« -
»Eben! Das heißt doch, daß sie Ihnen soviel gar nicht wert war! Wieso soll sie jetzt auf einmal $10.- wert sein?« [Sehen Sie, solcherart sind die Koan eines Minnesota-Haijin!]):
1763-1827 (Buerschaper! Ra-ra-ra! [minnesotanisch für »Hurra! Hurra! Hurra!«]). Mehrheit ist Unsinn, sagten wir Halbstarke zwar zu Zeiten,
als meine Americana noch richtig neu war and sicher wenigstens 500 Dollar kostete, Verstand ist stets bei wenigen nur gewesen. Aber die wenigen sind hier nicht einer Meinung! Unsres Issas
Lebenszeit unsicher grüße ich Sie in später Nacht! ...
- Ein neuer Tag in der Bibliothek. Da, die Encyclopedia Americana, (»Deluxe Library Edition«, prachtvoller
geht's gar nicht, und neu, 1993, wie die schon in der Hand liegt; verglichen mit der ist meine eigene alte keine 10 Dollar wert!) zu Issa: 1763-1823! Das kann doch nicht wahr sein! Dagegen eine
ältere Encyclopedia Britannica, von 1973: 1763-1828! Nanu, sollte das höchste katholische Lehramt, die New Catholic Encyclopedia, erneut einen englischen defensor fidei gefunden haben? Und also
der Buerschaper-Vorsprung sich in nichts auflösen? Ha, The New Encyclopædia Britannica, neu, handlich, glänzend mit bunten Bildern and sogar einer Ligatur im Titel zum Zeichen – und
Vorzeigen – zuverlässigster solider britischer Gelehrsamkeit auch am Ende des 20. Jahrhunderts, 1995: 15. Juni 1763 bis 5. Januar 1828! Danach bleibt Buerschaper wohl der halbe Punkt, und
Higginson, ja der müßte seinen wohl aberkannt bekommen. – Und ich, ja ich freue mich, daß Issa zweifellos gelebt hat, und besonders, daß er in seinen Haiku weiterlebt. ... Aber glaube ich,
wann er geboren ist? Weiß ich, wann er gestorben ist?«
- Rudolf Thiem(80), dem ich deshalb mein also enzyklopädisch erweitertes Wissen zur Issa-Kenntnis mitteilte und
der der letzte wäre, der mir einen beunruhigten Schlaf wünschte, schrieb mir daraufhin folgendes: »Was Issa angeht [...]: 1763-1827 stehen außer Zweifel, und alle anderen Jahreszahlen dürfen
wir getrost vergessen: – von den [von Thiem hierzu] konsultierten Quellen weicht eine einzige so eklatant ab, daß das Todesjahr ›1852‹ offenbar auf einen ja üblen Fehler zurückgeht.
Sowohl Jan Ulenbrook in seinen Haiku-Ausgaben (Insel 1960/62 und Reclam 1995, auch die Heyne-Taschenbücher) als auch der Japanologe G. S. Dombrady im Nachwort zu einer guten Ubersetzung von »Ora-gaharu/Mein
Frühling« (Manesse 1983) sind in voller Übereinstimmung mit dem von Horst Hammitzsch edierten Japan-Handbuch (im Franz Steiner Verlag 1983) und Gero von Wilperts Lexikon der Weltliteratur (Kröner
1963 and dtv 1981) sowie dem Literatur-Brockhaus (1988), und Lewis Mackenzies »The Autumn Wind: Introduction to Classic Japanese Literature« der Kokusai Bunka (Kodansha 1957/1984) gibt die
beiden Jahreszahlen ebenso an wie meine japanische Haiku-Anthologie und die Angaben zur japanischen Issa-Sondermarke von Mai 1984, die ich gerade in die Hand bekam. Fünf dieser Quellen geben
zudem den Geburtstag als 5. Mai und den Todestag mit 19. November an, so daß ich keinerlei Zweifel hege und auf weitere Recherchen verzichten kann ...« Und so ist jetzt sicher alles klar.
- Aber auch Margret Buerschaper kommentierte meine Forschungen und wies darauf hin(81), daß nach der
Dombrady-Übertragung von Issa: Mein Frühling and der Issa-Ausgabe von Hachiro Sakanishi(82) der Dichter von 1763-1827 lebte und daß nach Dombrady in »Issa, Die letzten Tage meines Vaters«
»am 5. Tag des 5. Monats [...] Issa in Kashiwabara geboren« wird, und am »19. des 11. Monats stirbt er.«(83) Und Tsutomu Ito nenne dieselben Daten, wenn seine »Kurze Biographie von Issa«
den »5. Mai 1963« als den Geburtstag und in dem Satz »Am 18. November wurde es ihm unwohl, und er starb am 19. November« 1827 den genauen Todestag bezeichnet.(84)
- Ich vermutete, daß hier ein Übertragungsfehler von Daten nach dem alten japanischen Kalender in den
gregorianischen vorliegen mußte (obwohl ja auch die Daten auf Rudolf Thiems japanischem Ersttagsbrief [Kashiwabara, 2. Mai 1994] 1763-1827 als Issas Lebenszeit angeben, – falls die Jahre da
gregorianisch bezeichnet waren; dessen bin ich aber nicht sicher), und hatte mich inzwischen an die Herausgabe-Büros der Encyclopædia Britannica mit der Frage gewandt, wie sie zu ihrem so
genauen Todesdatum im Jahre 1828 gekommen waren. Und ich bekam jetzt diese Antwort (meine Ubersetzung):
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- ENCYCLOPAEDIA BRITANNICA, INC.
- Herausgabe-Büros, 27. Januar 1998.
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- Sehr geehrter Herr Professor Ludwig!
- Bitte verzeihen Sie, daß sich unsere Antwort auf Ihren Brief zu Informationen über Issa (Kobayashi Yataro) in
der Encyclopaedia Britannica so lange verzögert hat.
- Die Issa-Biographie (6:425) gibt als Todestag den 5. Januar 1828 an. Andere Quellen – und darauf weisen Sie
ja hin – nennen hierzu das Datum 19. November 1827, – wie es übrigens auch einst in der Britannica der Fall war. Die Herausgeber wurden auf den Fehler vor Jahren aufmerksam, als sie unsere
japanischen Biographien durchgingen. Wie wir es sehen, soll Issa am 19. Tag des 11. Monats des Jahres Bunsei (1727-28) gestorben sein, und das stimmt mit dem gregorianischen Datum überein, das
jetzt in der Biographie steht.
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- Vielen Dank dafür, daß Sie uns hierzu geschrieben haben.
- Mit freundlichen Grüßen
- (Unterschrift)
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- Ähnlich wie bei Büchners Drama Woyzeck, wo der erste Herausgeber das ›y‹ als ein ›z‹, mit einer
Schleife unten, las (und Alban Bergs Oper »Wozzeck« legt heute noch davon Zeugnis ab!), haben wir es hier also mit dem falschen ›Lesen‹ eines Datums zu tun. Die» New Catholic
Encyclopedia« hat das offenbar zuerst richtig gesehen. Nicht nur in der westlichen Issa-Forschung, sondern auch in der japanischen wird deshalb Issas Todesjahr in vielen Arbeiten jetzt neu, d.
h. gregorianisch richtig, eingesetzt werden müssen.
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- (Nachdruck aus THE JOURNAL OF INTERCULTURAL STUDIES, No.
25, 1998.)
- 79 Margret Buerschaper: Das deutsche Kurzgedicht in der Tradition japanischer Gedichtformen. Göttingen: Graphikum, 1987.
- 80 Ein ausgezeichneter deutscher Haiku-Kritiker, der auch japanisch liest and sich in der
Geschichte des japanischen Haiku auskennt.
- 81 Margret Buerschaper: Wann lebte Issa?. In: Vierteljahresschrift der Deutschen
Haikugesellschaft, 38 (Sept. 1997), 53f.
- 82 Hachiro Sakanishi, unter Mitarbeit von Shôzô Miyawaki and Horst Hammitzsch, Berlin:
Ostasien Verlag, 1985, 7.
- 83 Mainz: Dieterich, 1985, 153 and 167.
- 84 Gifu, 1991, 1.
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