23.
Juni:
Schweigsam
fährt der Facharzt für Pränataldiagnistik
mit dem Ultraschallkopf im kühlen Gel auf meinem Bauch herum.
Ich
sehe mein Kind schwarzweiß auf dem Bildschirm:
alles ist dran... es gefällt mir, wie es sich bewegt,
den Messungen des Arztes ausweicht,
ein stiller Einklang.
Nachher
werde ich aus der Praxis gehen
mit der Gewißheit, daß alles in Ordnung ist.
Der
Arzt antwortet einsilbig auf meine Fragen,
vertröstet mich auf später.
Ich bleibe arglos.
Hinterher
erfahre ich,
daß der Arzt ein völlig anderes Kind gesehen hat, als ich
selbst:
Er
hat einen dem Tod geweihten Fötus untersucht,
mit vielfältigen Störungen, wie er sie so nur selten diagnostiziert.
Ich
habe mein Kind gesehen, mit Freude und Stolz,
das für mich vollkommen war,
weil ich seine Abweichungen vom Normalen
im Bild des Monitors nicht erkennen konnte.
Im
ersten Moment bin ich entsetzt
über diese zwei verschiedenen gleichzeitigen Wirklichkeiten.
"Warum
haben Sie mir das nicht sofort gesagt?"
Der
Arzt bietet mir eine zweite Ultraschalluntersuchung an.
Ich
möchte 4 Tage später wiederkommen,
um alle Details seiner Diagnose
im Ultraschallbild direkt mit eigenen Augen zu sehen.
Am
Ende schenkt er mir das Video-Band
mit diesen Aufzeichnungen von seiner Untersuchung.
Im Nachhinein weiß ich:
die beiden unterschiedlichen Sichtweisen sind erhalten geblieben.