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Der Moresneter Viadukt, hier mit der Alensburg, ist über einen Kilometer lang.
Mit dem Drahtesel auf den Spuren der Eisenbahn Tunnel, Brücken, Schienenwege zwischen Hergenrath, Bleyberg und Aachen Wer sich für Eisenbahnen interessiert, der kommt im Grenzraum zwischen Kelmis, Aachen, und Bleyberg auf seine Kosten. Denn Göhltal und Aachener Wald stellten sich den Bauingenieuren als landschaftliche Hindernisse in den Weg. Tunnel und Viadukte mussten her, um sie zu überwinden. Ehrgeizige Pläne des Deutschen Militärs im ersten Weltkrieg sowie der rege Bergbau in Kelmis und Bleyberg sorgten für weitere Bauaktivitäten. Die Gelegenheit, sich selbst einen Überblick vor Ort zu verschaffen, bietet am kommenden Sonntag der Rheinische Verein für Denkmalschutz und Landschaftspflege. Mit dem Fahrrad geht es in Aachen-Preuswald los. Auch der weniger trainierte Geschichtsfreund braucht weder die rund 25 Kilometer Streckenlänge noch die Steigungen zu scheuen - die zahlreichen Zwischenstopps an interessanten Bauwerken bieten genügend Verschnaufpausen.
Die erste internationale Bahnverbindung der Welt Im Jahre 1825 ging in England die erste Eisenbahn mit Dampflokomotive auf Reisen. 1835 folgte die erste Eisenbahnstrecke auf dem europäischen Kontinent: Sie verband Brüssel mit Mechelen. Nach wenigen Jahren waren auch Antwerpen und Verviers daran angeschlossen. Als sich von Köln aus ein Bautrupp anschickte, eine Linie nach Belgien zu bauen, schufen sie die erste internationale Strecke weltweit. 1843 schloss sich die Lücke zwischen Aachen und Verviers. Diese Bahnlinie erfüllt heute noch ihren Dienst. Mehr noch: Sie wird zur Zeit für Hochgeschwindigkeitszüge ausgebaut. Buschtunnel und Göhltalviadukt sind die baulichen Höhepunkte im Grenzland. Ursprünglich sollte die Route von Köln über Stolberg und Eupen nach Lüttich laufen, um die Steigung im Aachener Wald zu meiden. Dagegen intervenierte der preußische Abgeordnete David Hansemann im Namen der Aachener Industrie - mir Erfolg, wie man heute weiß. Die Steigung ist geblieben, knapp 3 Prozent mutete man den alten Dampflokomotiven zu. Als erste Lösung diente einige Jahre lang eine dampfgetriebene Zugwinde auf der Ronheide, dann versuchte man es mit Schiebeloks. Anfang des 20 Jahrhunderts gingen die Bauingenieure daran, die Strecke tiefer zu legen. Ein neuer, längerer Buschtunnel sollte gegraben werden. Als die Mineure auf Fließsand stießen, mussten sie das Projekt aufgeben. In Bildchen aber sorgen noch heute die schon fertigen und seither nutzlosen Bahndammstücke für Verwunderung. Sehenswert sind die beiden mit Buckelquadern gewölbten Straßendurchlässe. Erztransporte und Kriegsbahn Die Erzgruben von Bleyberg und die Aachener Industrie konnten sich kaum besser ergänzen. 1872 eröffnete die Eisenbahnstrecke vom Bahnhof Aachen-West durch den Gemmenicher Tunnel nach Bleyberg. Von dort ging es weiter nach Welkenraedt und Kelmis. Die Strecke wurde 1956/57 auf belgischer Seite stillgelegt. Vom Gemmenicher Tunnel aus führt aber noch die Güterstrecke nach Montzen weiter. Die Deutschen bauten diese Route mitten im ersten Weltkrieg neu. Weil ein Zug vom Aachener Hauptbahnhof aus erst umständlich zum Westbahnhof fahren und die Lok ans andere Ende setzen musste, baute man ab Bildchen von der Herbesthaler Strecke her einen Abzweig zur neuen Montzener Linie. Weil die Strecke Hauptbahnhof-Bildchen-Montzen in Friedenszeiten zur zivilen internationalen Hauptverbindung werden sollte, baute man hier besondert großzügig. Alle Abzweige waren mittels Brücken kreuzungsfrei. In Buschhausen zwischen Kelmis und Moresnet-Chapelle zeugt noch ein Betontorso von einem eleganten Umsteigebahnhof mit zwei Ebenen. In Bildchen wird das Brückenbauwerk seit dem Rückbau des Abzweigs dazu benutzt, die Züge vom deutschen Rechtsverkehr auf den belgischen Linksverkehr zu überführen. Im Rahmen des Hochgeschwindigkeitsausbaus wird es demnächst abgerissen. Tunnel im Aachener Wald Zwei Tunnel unterqueren heute den Aachener Wald. Der Buschtunnel mit 696 Metern Länge entstand 1843 im Zuge der Strecke Aachen-Lüttich. Er ist der älteste Eisenbahntunnel Deutschlands. Zwei schöne Portale rahmen seine Enden. Um 1840 atmete noch der Geist des Klassizismus in den Architekturbüros. Von den runden Tunnelöffnungen abgesehen ist alles entsprechend kubisch und rechtwinklig gehalten. Zwei Vorlagen säumen die Portale, oben schließen sie mit Sims und Brüstung ab. Zur Zeit wird eine zweite Tunnelröhre gegraben, um die Strecke für den TGV fitzumachen. Hochgeschwindigkeitszüge, so will es das Gesetz, dürfen sich nicht in derselben Tunnelröhre begegnen. Die Belgien zugewandte Seite läst sich gut einsehen von der Brücke am unteren Entenpfuhler Weg oder von der ehemaligen Zollsiedlung aus (Zufahrt am Meilenstein, Lütticher Straße).
Einige hundert Meter weiter befand sich in Bildchen der kleine Buschtunnel. Weil aber bald große Reparaturen nötig wurden, ersetzte man das 150 Meter kurze Tünnelchen durch einen Geländeeinschnitt. Kaum ein Besucher auf dem Dreiländerpunkt ahnt, dass er über dem Gemmenicher oder Bozelaerer Tunnel steht. Diese Röhre misst 870 Meter. Sie entstand 1871 bis 1872 und verband Aachen mit Bleyberg. Als weiland die Bauarbeiten begannen, stritt man sich in Aachen noch darüber, ob dort für das Vorhaben die Stadtmauer durchbrochen werden dürfe. Der Schienenanschluss lag also noch fern, kein Zug konnte den Aushub abfahren. So kippte man den Schutt kurzerhand auf einer Wiese beim Gut Reinhartskehl ab, wo die Halde heute noch zu sehen ist. Das Tunnelportal auf der Aachener Seite ist aufwendig in Rheinburgenromantik gestaltet - mit zinnenbekrönten Seitentürmchen und Schießschartenattrappen. Der beste Blick bietet sich von der Brücke, die von Reinhartskehl her über die Gleise führt. Wegen der Grenzlage avancierte der Gemmenicher Tunnel zum Schmugglerpfad. Als schwarzer Passagier auf Güterzügen ließ sich der Kaffee leicht nach Deutschland bringen. Der Spielfilm "Sündige Grenze" mit Dieter Borsche nahm sich 1951 des Themas an. Dramatik gab es reichlich. Zwei junge Menschen starben sogar, als sie zwischen zwei entgegen kommende Güterzüge gerieten. Brücken über das Göhltal Drei Eisenbahnlinien überquerten auf belgischem Gebiet die Göhl. Der markanteste Brückenschlag ist der Viadukt von Moresnet. Auf 21 Betonpfeilern ruhen Stahlfachwerkelemente, auf deren Oberseite die Schienen verlaufen. 1150 Meter ist das Bauwerk lang, das von August 1915 bis Oktober 1916 errichtet wurde. Nach Aachen hin bilden gut 300 Meter eine leichte Kurve. In Richtung Montzen hat die Brücke ein Gefälle von 0,2 Prozent. 2004 wurde sie gründlich renoviert. Göhlabwärts überquerte in Bleyberg ein Viadukt mit acht Bögen das Tal. Er ging 1772 in Betrieb und führte nach Gemmenich. 1944 sprengten deutschen Truppen bei Rückzug die Brücke. Die Amerikaner bauten sie zwar wieder auf, um den Nachschub zu sichern. Nach Stilllegung der Strecke aber fiel sie 1957 dem entgültigen Abbruch anheim. Die jüngste Eisenbahnbrücke überspannt am Oberlauf die Göhl. Es ist die Hammerbrücke, die im Zuge des TGV-Ausbaus zwischen Hergenrath und Astenet völlig neu gebaut wurde. Sie ist 40 Meter hoch und 220 Meter lang. An ihrer Stelle stand einst eine der ältesten Eisenbahnbrücken überhaupt. 1841 bis 1843 erbaut, besaß sie eine doppelstöckige Ziegelbogenreihe mit 17 Bögen im oberen Stockwerk. 1940 wurde sie von belgischen Soldaten gesprengt, danach von den Deutschen durch eine Not-Stahlbrücke ersetzt, 1944 wieder gesprengt und nach dem Krieg wieder mit Stahlelementen aufgebaut. Tragisch: Bei der ersten Sprengung 1940 kamen acht belgische Soldaten ums Leben, 1944 starben ebenso viele deutsche Soldaten dort bei einem Luftangriff. Eine Hinweistafel und ein Mahnmal erinnern heute an diese Vergangenheit. |