Rheinischer Merkur - 29.9.2005 Grenz-Echo (Belgien) - 8.9.2005 Kirchenzeitung Aachen - 25.9.2005 |
Thomas Kreft |
Grundsanierung des Aachener Doms bald abgeschlossen
Matthias- und Annakapelle sollen bis Jahresende fertig sein
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Aachen. Noch verdecken Planen und Gerüste Teile des Aachener Doms, werkeln Bauleute emsig an Mauerfugen, Figuren und Dächern. Das soll sich zum kommenden Jahreswechsel ändern, hofft Dompropst Dr. Herbert Hammans. Denn mit Abschluss der Restaurierung von Anna- und Matthiaskapelle am Münsterplatz geht auch die Jahrzehnte lange Grundsanierung des Weltkulturdenkmals insgesamt ihrem Ende entgegen. Was keineswegs heißt, dass die Handwerker arbeitslos werden. "Wir werden ständig kontrollieren und reparieren müssen", betont Dombaumeister Helmut Maintz. Auf der Baustelle gab er Pressevertretern die Gelegenheit, sich vom Fortgang der Arbeiten zu überzeugen. Acht hohe Gerüststockwerke sind per einfacher Leiter zu überwinden. Ob manch einem Journalisten oder Fotographen wegen der Sommerhitze oder der luftigen Höhe schwindlig wurde, mochte niemand zugeben. Gelohnt hat sich der Blick hinter die Kulissen dennoch allemal.
Saurer Regen und schlechte Wasserabführung haben der steinernen Oberfläche arg zugesetzt. "Dabei wird Kalkstein in Gips umgewandelt, der sich als schwarze Schicht absetzt", erläutert der Dombaumeister. Nicht allein, dass es hässlich aussieht. Schlimmer sei, dass die Schicht den Stein luftdicht verschließe und dieser dann erst recht zerfalle. So ist die Substanzsicherung oberstes Gebot vor jeder Schönheitsreparatur. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem figürlichen Schmuck, lässt sich ein verwittertes Gesicht doch nicht mehr so leicht ersetzen. Kieselsäure-Ester soll die Skulpturen wieder stabilisieren. Nur Noah und Sem waren dem Wetter derart ausgesetzt, dass nur noch eine Acrylharz-Volltränkung hilft. Sehr viel handwerkliches Geschick und Geduld verlangt die Restaurierung der Kunstwerke den Steinmetzen ab.
Kaputte Steine werden ganz oder teilweise durch neue ersetzt, die nach den Regeln des Denkmalschutzes stets dem alten Material entsprechen müssen. In diesem Falle ist dies der Herzogenrather Sandstein. Oft sind die Stellen aber sehr klein. Dann kommt der Spezialmörtel zum Zuge, den die Technische Hochschule Aachen hierfür entwickelt hat. Mörtel wird auch für die Fugen benötigt, deren die beiden Kapellen insgesamt 2000 laufende Meter vorzuweisen haben.
Verheerende Wirkung haben schließlich Eisenteile, wenn sie feucht werden und zu rosten beginnen. Meist geschieht das, weil das Regenwasser nicht hinreichend abfließen kann und sich andere Wege sucht. Rost dehnt sich gegenüber dem Eisen aus und sprengt so das Mauerwerk. Aus Eisen bestehen in den Kapellen Klammern sowie mittelalterliche Ringanker. Der oberste Anker der Annakapelle hat durch Rost so schlimm gewütet, dass sich die steinerne Maßwerkbrüstung drei bis vier Zentimeter hob. Die Eisenstangen wurden deshalb völlig freigelegt und wasserdicht in Blei gegossen. Die statische Aufgabe können sie trotz des Rostverlustes aber weiterhin wahrnehmen, versichert der Dombaumeister.
Viele der Mängel sind erst durch die Restaurierungen seit dem 19. Jahrhundert entstanden. So ist die Basis einer Fiale -ein Ziertürmchen - im Originalzustand des Mittelalters fest in die Mauer eingelassen, während die Steine darüber vor hundert Jahren einfach hochgestapelt wurden. Nun werden Stahldübel jeden einzelnen ans Mauerwerk binden.
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Zu den interessantesten Elementen gehören die Dachstühle, die beide noch vom Wiederaufbau nach dem großen Stadtbrand von 1656 stammen. Jener auf der Annakapelle besteht aus Holz. Um in seine Substanz nicht eingreifen zu müssen, entschieden sich die Experten dafür, einfach neues Gebälk darüber zu konstruieren. Die Matthiaskapelle schließt einzig am Dom mit einem Steindachstuhl ab, gemauert aus Ziegelsteinen sowie Blaustein an den Firsten. So sollte der Dachraum Archivalien und andere Werte sicher lagern können.
Anderthalb Millionen Euro verschlingen die Arbeiten an Anna- und Matthiaskapelle, knapp ein Zehntel davon kosten allein die Figuren. Gravierende neue Schäden befürchtet Maintz in Zukunft aber nicht mehr. Die Luft sei sauberer geworden, was sich an den vor etwa 15 Jahren restaurieren Skulpturen bemerkbar mache.
Hintergrund: Anna- und Matthiaskapelle am Aachener Dom
Kapellenanbauten am Aachener Münster haben schon seit der Karolingerzeit Tradition und geben dem Dom heute noch einen geheimnisvollen Charme. Die meisten von ihnen sind zweigeschossig. Im Winkel von Oktogon und Chorbau steht am Münsterplatz die Matthiaskapelle. Vollendet 1420, dient ihr Erdgeschoss seitdem als Sakristei. Bei Krönungen kleideten sich dort auch der König und die Bischöfe um. Dem Obergeschoss waren besondere Aufgaben beschieden, weshalb der Raum diebes- und feuersicher gebaut worden war. Schätze, Archivalien und sogar die berühmten Aachener Heiligtümer waren hier untergebracht. Das doppelte Gewölbe trotzte 1656 dem großen Stadtbrand. Nach der Feuersbrunst ließ das Stift auch das Dach feuersicher aus Stein mauern. Etwas jünger ist links der Matthiaskapelle die Annakapelle, die der Bischof von Lüttich 1449 weihte. Der eigentliche Kapellenraum lag oben, das Untergeschoss war bis vor etwa 200 Jahren offen.
Beide Kapellen sind außerordentlich reich an Verzierungen und Skulpturen. Insgesamt 37 Statuen schmücken die zierlichen Bauten, Engelfiguren nicht mitgerechnet. St. Matthias präsentiert die vier Evangelisten und die zwölf Apostel. St. Anna zeigt in der oberen Reihe zehn Personen des alten Testaments, in der mittleren Reihe sieben Persönlichkeiten der heiligen Sippe und unten vier weitere Heilige. Hinzu kommen unzählige Türmchen und Baldachine, Fenstermaßwerke, Gesimse, Brüstungen und Wasserspeier.