Katholische Gemeinde St. Paulus in Göttingen
 
(Beitrag aus unserem Pfarrbrief Advent 2001)  
    

   Gemeinde als Netzwerk    

  1. Der Ausgangspunkt in St. Paulus
  2. Die Gemeindeanalyse in St. Paulus ergab sehr schnell: viele Menschen ziehen vom Pfarreigebiet weg, viele zu. Um einen harten Kern von Gemeindemitgliedern – die nicht unbedingt im Gemeindegebiet wohnen - gibt es viele Menschen, die einen lockeren Kontakt zu St. Paulus haben. Die unterschiedliche Kirchenbindung bewirkt, dass der Sonntagsgottesdienst schon lange nicht mehr die selbstverständliche Mitte des Gemeindelebens ist. Die bisherige Vorstellung einer Pfarrgemeinde, deren Mittelpunkt der Gottesdienst ist, und deren Mitglieder am Engagement gemessen werden, kommt als Modell heute an eine Grenze. Kann da die Idee eines Netzwerkes weiterhelfen?

  3. Was ist ein Netzwerk?
  4. In einem Netzwerk verbindet sich eine größere Anzahl von Personen oder Gruppen. Sie haben untereinander ganz verschiedene soziale Beziehungen. Menschen knüpfen untereinander ein Netz, weil sie ein gemeinsames Anliegen um Fragestellungen herum haben, die für ihr persönliches Leben wichtig sind: Erziehung der Kinder, Geselligkeit, Engagement im Stadtteil, Freude am Singen oder anderes. Die Kontakte sind oft sehr vertrauensvoll. Die Menschen pflegen eine punktuelle Mitgliedschaft; oft ruhen die Beziehungen und werden aus bestimmten Anlässen aktiviert. Die Zugehörigkeit ist frei gewählt. Wird das persönliche Interesse andernorts besser gestillt, kann es schnell zu einem Wechsel kommen. Ein Netzwerk ist somit ein recht offener Lebensraum mit mehr als einem Zentrum. Die Liturgie, aber auch ein Eine-Welt-Kreis, eine Gruppe oder ein bestimmtes Fest kann für den einzelnen der Ort werden, an dem er Gemeinde sucht. Netzwerke sind eine große Herausforderung für die Beteiligten.

  5. Konsequenzen für die Gemeindearbeit von St. Paulus

Die flächendeckende Pfarrei, in der alle Mitglieder versorgt werden, ist in einer mobilen Pfarrgemeinde wie St. Paulus nicht mehr lebbar. Eher wird das Netz von Gruppen und überschaubaren Gemeinschaften, die untereinander möglichst vielschichtig in Beziehung stehen, ein Weg für die Zukunft sein. Damit ist für alle ein Lernprozess verbunden:

  • dass Menschen sich mit anderen auf Austausch einlassen über den Glauben, der sie trägt,
  • dass die Gemeinde es zulässt, wenn Menschen mit unterschiedlichen Zugehörigkeiten zu St. Paulus leben – von verantwortlich Engagierten bis hin zu freundlichen Sympathisanten - ,
  • dass es gleichzeitig noch deutlicher gemeinschaftliche und hierarchische Bestrebungen im Gemeindeleben geben wird,
  • dass Gottesdienste wieder mehr gemeinsame Feiern werden statt anonyme, auf den Sakramentenempfang konzentrierte Tischgesellschaften,
  • dass weniger die formale Zugehörigkeit und mehr die persönliche Glaubensüberzeugung eine tragende Rolle spielen,
  • dass Glauben und Alltagserfahrungen ein Zusammenspiel ergeben, auch in praktischen Lebensfragen vor Ort.

Die Herausforderung an die Gemeindeleitung und an Gremien wie den Pfarrgemeinderat ist groß; zusätzliche Formen der Führung sind nötig...:

  • ... wie runde Tische für Absprachen,
  • ... wie eine Veränderung in der Gremienarbeit, um noch mehr auf die persönlichen Anliegen der Menschen in der Gemeinde zu hören,
  • ... wie Menschen, die als Multiplikator(inn)en Brücken zur Gemeinde hin bauen oder zwischen Gruppen, die bisher nichts miteinander zu tun hatten,
  • wie Orte, an denen das Ganze der Gemeinde erlebt werden kann, so z.B. beim Gemeindefest,
  • ....

Als Gemeindemitglied haben Sie die Chance, beim Netzwerken mitzumachen. Wir laden Sie ein, dass Sie bewußt Haltungen einüben:

  • aufeinander hören,
  • mit Offenheit auf Menschen zugehen, die sie noch nicht kennen,
  • einmal das Gespräch suchen mit Menschen, die Sie nicht im Alltag treffen,
  • einmal Gastfreundlichkeit wagen und eine Gruppe einladen, mit der Sie bisher noch nichts zu tun hatten.

Dr. Peter Abel

 


12/2001 
  (Hintergrundfoto K.Wehr, Spinnennetz bearbeitet)