Im letzten Jahr lag ein besonderer Schwerpunkt der
Aktivitäten in unserer Pfarrei und dem Dekanat Göttingen in der Arbeit
für die Aktion "Erlassjahr 2000". Es wurden bei allen
Gelegenheiten Unterschriften gesammelt. Sogar auf eigenen Ständen in
der Fußgängerzone wurde dafür geworben. Diese wurden dann zusammen
mit den übrigen Unterschriften aus ganz Europa im Juni beim G8-Gipfel
in Köln den dort versammelten Regierungschefs der wichtigsten
Industrieländer überreicht.
An die Regierungen wurden die folgenden
Forderungen gestellt:
1. Es sollten möglichst viele arme Länder in
den Schuldennachlass einbezogen werden.
2. Die durch den Wegfall der Kapitaldienste frei
gewordenen Gelder sollten für die Bekämpfung der Armut in diesen
Ländern ausgegeben werden. An der Entscheidung über den Einsatz
dieser Mittel sollte nicht nur die jeweilige Regierung, sondern auch
die Zivilgesellschaften (Kirchen, Gewerkschaften usw.) der Länder
sowie international tätige Organisationen wie etwa Misereor beteiligt
werden.
Nun stellt sich sicher bei einigen die Frage: Was
ist daraus geworden?
Auf dem G8-Gipfel in Köln wurden zunächst einmal
die Kriterien für die Aufnahme von Ländern in das
Schuldenerlassprogramm ganz wesentlich erweitert. Somit sind 30 Länder
von dem Programm betroffen. Dies war zwar weniger als von uns gefordert,
aber erheblich mehr als ursprünglich vorgesehen war. Die Beschlüsse
von Köln sind in der Zwischenzeit auch formalrechtlich durch den
Internationalen Währungsfond (IWF) und die Weltbank, also den beiden
Institutionen, die sich bis zuletzt vehement dagegen gewehrt haben,
abgesegnet.
Es zeichnet sich nunmehr die folgende
Vorgehensweise ab:
Das betroffene Land zahlt die Mittel, die für
Zinsen und Tilgung aufgewendet werden mussten, in einen
Armutsbekämpfungsfond. Gleichzeitig muss das Land, unter Beteiligung
der Zivilgesellschaften, eine Armutsbekämpfungsstrategie entwickeln,
für deren Verwirklichung das Geld verwendet werden soll.
Bolivien, das Partnerland der Diözese Hildesheim,
wurde als Modell ausgesucht. Hier soll dieses Konzept zum ersten Mal
verwirklicht werden. Schon im Sommer 2000 sollen erste Ergebnisse
international vorgestellt werden. Diese Eile ist natürlich
begrüßenswert, es hat sich jedoch gezeigt, dass diese Entwicklung zu
schnell für eine sinnvolle Mitarbeit der Zivilgesellschaften verläuft.
Die Schwierigkeiten, die beide Seiten, die Regierung und die
Zivilgesellschaften, im Umgang miteinander haben und die Spannungen und
das gegenseitige Misstrauen beeinflussen diesen Prozess ganz erheblich.
Das erste Strategiekonzept zur Armutsbekämpfung
wurde ohne Beteiligung der Zivilgesellschaften ausschließlich von der
Regierung erstellt. Massive Proteste insbesondere der Kirche haben
jedoch dazu geführt, dass im Mai ein nationaler Dialog stattfindet, auf
dem die Armutsbekämpfungsstrategie gemeinsam entwickelt werden soll.
Die Vorbereitungsarbeit der Kirche soll dabei berücksichtigt und die
Kirche an der Ausarbeitung des Konzepts hinreichend beteiligt werden.
Die Kirche wurde sogar von der Regierung gebeten,
bei diesem nationalen Dialog als Mitveranstalter aufzutreten. Hierzu war
sie nicht bereit, da sie eine zu große Staatsnähe und
Feigenblattfunktion befürchtete. Die nationalen Gewerkschaften nehmen
an dem Dialog gar nicht teil, weil sie der Regierung zu sehr misstrauen.
Eine direkte Beteiligung internationaler Organisationen ist im
Augenblick nicht vorgesehen.
Zusammenfassend kann man ganz eindeutig
festhalten, dass sich der Aufwand der Erlasskampagne gelohnt hat. Es
wird, und das ist das Wichtigste, wesentlich mehr Ländern geholfen, als
ursprünglich vorgesehen war. Die Art und Weise, wie nun die Mittel
ausgegeben werden, entspricht zwar nicht ganz genau dem, was wir uns
gewünscht hatten, andererseits sind hier gute Ansätze gegeben, auch
wirklich den Armen in diesen Ländern zu helfen.
Von unserer Seite aus sind in dieser Phase
öffentlichkeitswirksame Aktionen wenig hilfreich. Jetzt muss die
weniger auffällige Detailarbeit geleistet werden. Hier ist eine
doppelte Strategie notwendig. Einerseits müssen die Zivilgesellschaften
bei ihren Verhandlungen mit den Regierungen durch Sachverstand
unterstützt werden. Zudem muss der Dialog mit den Fachebenen der
Regierungen der G8-Länder verstärkt werden, um auch von der Seite aus
entsprechend Druck auf die Regierungen der Empfängerländer auszuüben.
Diesen Regierungen waren die Armen in ihren Ländern ja bisher relativ
gleichgültig. Nur durch andauernden Druck und Kontrollen von außen
können sie dazu gebracht werden, entsprechend umzudenken und die Mittel
in ihrem Lande umzulenken.
In dieser Situation kann und wird die Katholische
Kirche in Europa, ganz besonders aber auch die in Deutschland, einen
ganz wichtigen Platz einnehmen. Einmal haben wir die gleiche Religion,
wie die Mehrzahl der Bevölkerung in vielen der betroffenen Länder. Zum
andern sind die Werke Missio, Adveniat und Misereor, die von den
deutschen Katholiken getragen werden, seit langem in diesen Ländern
segensreich tätig. Darüber hinaus werden durch den KAAD, dem
Stipendienwerk der deutschen Bischofskonferenz, Tausende von Akademikern
aus den armen Entwicklungsländern bei uns ausgebildet, die jetzt in
ihren Heimatländern wichtige Funktionen haben. Somit hat sich über
lange Zeit ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das unerlässlich ist,
wenn solche Aktivitäten von hier aus begleitet werden sollen.
Bei dem Prozess, der jetzt in Bolivien anläuft,
spielt das Bistum Hildesheim aufgrund seiner langjährigen
Partnerschaftsbeziehungen eine ganz besonders wichtige Rolle.
Aloys Hüttermann
Mitglied im Diözesanrat, Sachausschuss
"Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung"
Im letzten Jahr lag ein besonderer Schwerpunkt der
Aktivitäten in unserer Pfarrei und dem Dekanat Göttingen in der Arbeit für
die Aktion "Erlassjahr 2000". Es wurden bei allen Gelegenheiten
Unterschriften gesammelt. Sogar auf eigenen Ständen in der Fußgängerzone
wurde dafür geworben. Diese wurden dann zusammen mit den übrigen
Unterschriften aus ganz Europa im Juni beim G8-Gipfel in Köln den dort
versammelten Regierungschefs der wichtigsten Industrieländer überreicht.
An die Regierungen wurden die folgenden Forderungen
gestellt:
1. Es sollten möglichst viele arme Länder in den
Schuldennachlass einbezogen werden.
2. Die durch den Wegfall der Kapitaldienste frei
gewordenen Gelder sollten für die Bekämpfung der Armut in diesen Ländern
ausgegeben werden. An der Entscheidung über den Einsatz dieser Mittel sollte
nicht nur die jeweilige Regierung, sondern auch die Zivilgesellschaften
(Kirchen, Gewerkschaften usw.) der Länder sowie international tätige
Organisationen wie etwa Misereor beteiligt werden.
Nun stellt sich sicher bei einigen die Frage: Was ist
daraus geworden?
Auf dem G8-Gipfel in Köln wurden zunächst einmal die
Kriterien für die Aufnahme von Ländern in das Schuldenerlassprogramm ganz
wesentlich erweitert. Somit sind 30 Länder von dem Programm betroffen. Dies war
zwar weniger als von uns gefordert, aber erheblich mehr als ursprünglich
vorgesehen war. Die Beschlüsse von Köln sind in der Zwischenzeit auch
formalrechtlich durch den Internationalen Währungsfond (IWF) und die Weltbank,
also den beiden Institutionen, die sich bis zuletzt vehement dagegen gewehrt
haben, abgesegnet.
Es zeichnet sich nunmehr die folgende Vorgehensweise ab:
Das betroffene Land zahlt die Mittel, die für Zinsen und
Tilgung aufgewendet werden mussten, in einen Armutsbekämpfungsfond.
Gleichzeitig muss das Land, unter Beteiligung der Zivilgesellschaften, eine
Armutsbekämpfungsstrategie entwickeln, für deren Verwirklichung das Geld
verwendet werden soll.
Bolivien, das Partnerland der Diözese Hildesheim, wurde
als Modell ausgesucht. Hier soll dieses Konzept zum ersten Mal verwirklicht
werden. Schon im Sommer 2000 sollen erste Ergebnisse international vorgestellt
werden. Diese Eile ist natürlich begrüßenswert, es hat sich jedoch gezeigt,
dass diese Entwicklung zu schnell für eine sinnvolle Mitarbeit der
Zivilgesellschaften verläuft. Die Schwierigkeiten, die beide Seiten, die
Regierung und die Zivilgesellschaften, im Umgang miteinander haben und die
Spannungen und das gegenseitige Misstrauen beeinflussen diesen Prozess ganz
erheblich.
Das erste Strategiekonzept zur Armutsbekämpfung wurde
ohne Beteiligung der Zivilgesellschaften ausschließlich von der Regierung
erstellt. Massive Proteste insbesondere der Kirche haben jedoch dazu geführt,
dass im Mai ein nationaler Dialog stattfindet, auf dem die
Armutsbekämpfungsstrategie gemeinsam entwickelt werden soll. Die
Vorbereitungsarbeit der Kirche soll dabei berücksichtigt und die Kirche an der
Ausarbeitung des Konzepts hinreichend beteiligt werden.
Die Kirche wurde sogar von der Regierung gebeten, bei
diesem nationalen Dialog als Mitveranstalter aufzutreten. Hierzu war sie nicht
bereit, da sie eine zu große Staatsnähe und Feigenblattfunktion befürchtete.
Die nationalen Gewerkschaften nehmen an dem Dialog gar nicht teil, weil sie der
Regierung zu sehr misstrauen. Eine direkte Beteiligung internationaler
Organisationen ist im Augenblick nicht vorgesehen.
Zusammenfassend kann man ganz eindeutig festhalten, dass
sich der Aufwand der Erlasskampagne gelohnt hat. Es wird, und das ist das
Wichtigste, wesentlich mehr Ländern geholfen, als ursprünglich vorgesehen war.
Die Art und Weise, wie nun die Mittel ausgegeben werden, entspricht zwar nicht
ganz genau dem, was wir uns gewünscht hatten, andererseits sind hier gute
Ansätze gegeben, auch wirklich den Armen in diesen Ländern zu helfen.
Von unserer Seite aus sind in dieser Phase
öffentlichkeitswirksame Aktionen wenig hilfreich. Jetzt muss die weniger
auffällige Detailarbeit geleistet werden. Hier ist eine doppelte Strategie
notwendig. Einerseits müssen die Zivilgesellschaften bei ihren Verhandlungen
mit den Regierungen durch Sachverstand unterstützt werden. Zudem muss der
Dialog mit den Fachebenen der Regierungen der G8-Länder verstärkt werden, um
auch von der Seite aus entsprechend Druck auf die Regierungen der
Empfängerländer auszuüben. Diesen Regierungen waren die Armen in ihren
Ländern ja bisher relativ gleichgültig. Nur durch andauernden Druck und
Kontrollen von außen können sie dazu gebracht werden, entsprechend umzudenken
und die Mittel in ihrem Lande umzulenken.
In dieser Situation kann und wird die Katholische Kirche
in Europa, ganz besonders aber auch die in Deutschland, einen ganz wichtigen
Platz einnehmen. Einmal haben wir die gleiche Religion, wie die Mehrzahl der
Bevölkerung in vielen der betroffenen Länder. Zum andern sind die Werke
Missio, Adveniat und Misereor, die von den deutschen Katholiken getragen werden,
seit langem in diesen Ländern segensreich tätig. Darüber hinaus werden durch
den KAAD, dem Stipendienwerk der deutschen Bischofskonferenz, Tausende von
Akademikern aus den armen Entwicklungsländern bei uns ausgebildet, die jetzt in
ihren Heimatländern wichtige Funktionen haben. Somit hat sich über lange Zeit
ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das unerlässlich ist, wenn solche
Aktivitäten von hier aus begleitet werden sollen.
Bei dem Prozess, der jetzt in Bolivien anläuft, spielt
das Bistum Hildesheim aufgrund seiner langjährigen Partnerschaftsbeziehungen
eine ganz besonders wichtige Rolle.
Aloys Hüttermann
Mitglied im Diözesanrat, Sachausschuss "Frieden,
Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung"