Katholische Gemeinde St. Paulus in Göttingen
 
(Beitrag aus unserem Pfarrbrief März  2000)  

Was wurde aus der Aktion 
"Erlassjahr 2000"?

 

Im letzten Jahr lag ein besonderer Schwerpunkt der Aktivitäten in unserer Pfarrei und dem Dekanat Göttingen in der Arbeit für die Aktion "Erlassjahr 2000". Es wurden bei allen Gelegenheiten Unterschriften gesammelt. Sogar auf eigenen Ständen in der Fußgängerzone wurde dafür geworben. Diese wurden dann zusammen mit den übrigen Unterschriften aus ganz Europa im Juni beim G8-Gipfel in Köln den dort versammelten Regierungschefs der wichtigsten Industrieländer überreicht.

An die Regierungen wurden die folgenden Forderungen gestellt:

1. Es sollten möglichst viele arme Länder in den Schuldennachlass einbezogen werden.

2. Die durch den Wegfall der Kapitaldienste frei gewordenen Gelder sollten für die Bekämpfung der Armut in diesen Ländern ausgegeben werden. An der Entscheidung über den Einsatz dieser Mittel sollte nicht nur die jeweilige Regierung, sondern auch die Zivilgesellschaften (Kirchen, Gewerkschaften usw.) der Länder sowie international tätige Organisationen wie etwa Misereor beteiligt werden.

Nun stellt sich sicher bei einigen die Frage: Was ist daraus geworden?

Auf dem G8-Gipfel in Köln wurden zunächst einmal die Kriterien für die Aufnahme von Ländern in das Schuldenerlassprogramm ganz wesentlich erweitert. Somit sind 30 Länder von dem Programm betroffen. Dies war zwar weniger als von uns gefordert, aber erheblich mehr als ursprünglich vorgesehen war. Die Beschlüsse von Köln sind in der Zwischenzeit auch formalrechtlich durch den Internationalen Währungsfond (IWF) und die Weltbank, also den beiden Institutionen, die sich bis zuletzt vehement dagegen gewehrt haben, abgesegnet.

Es zeichnet sich nunmehr die folgende Vorgehensweise ab:

Das betroffene Land zahlt die Mittel, die für Zinsen und Tilgung aufgewendet werden mussten, in einen Armutsbekämpfungsfond. Gleichzeitig muss das Land, unter Beteiligung der Zivilgesellschaften, eine Armutsbekämpfungsstrategie entwickeln, für deren Verwirklichung das Geld verwendet werden soll.

Bolivien, das Partnerland der Diözese Hildesheim, wurde als Modell ausgesucht. Hier soll dieses Konzept zum ersten Mal verwirklicht werden. Schon im Sommer 2000 sollen erste Ergebnisse international vorgestellt werden. Diese Eile ist natürlich begrüßenswert, es hat sich jedoch gezeigt, dass diese Entwicklung zu schnell für eine sinnvolle Mitarbeit der Zivilgesellschaften verläuft. Die Schwierigkeiten, die beide Seiten, die Regierung und die Zivilgesellschaften, im Umgang miteinander haben und die Spannungen und das gegenseitige Misstrauen beeinflussen diesen Prozess ganz erheblich.

Das erste Strategiekonzept zur Armutsbekämpfung wurde ohne Beteiligung der Zivilgesellschaften ausschließlich von der Regierung erstellt. Massive Proteste insbesondere der Kirche haben jedoch dazu geführt, dass im Mai ein nationaler Dialog stattfindet, auf dem die Armutsbekämpfungsstrategie gemeinsam entwickelt werden soll. Die Vorbereitungsarbeit der Kirche soll dabei berücksichtigt und die Kirche an der Ausarbeitung des Konzepts hinreichend beteiligt werden.

Die Kirche wurde sogar von der Regierung gebeten, bei diesem nationalen Dialog als Mitveranstalter aufzutreten. Hierzu war sie nicht bereit, da sie eine zu große Staatsnähe und Feigenblattfunktion befürchtete. Die nationalen Gewerkschaften nehmen an dem Dialog gar nicht teil, weil sie der Regierung zu sehr misstrauen. Eine direkte Beteiligung internationaler Organisationen ist im Augenblick nicht vorgesehen.

Zusammenfassend kann man ganz eindeutig festhalten, dass sich der Aufwand der Erlasskampagne gelohnt hat. Es wird, und das ist das Wichtigste, wesentlich mehr Ländern geholfen, als ursprünglich vorgesehen war. Die Art und Weise, wie nun die Mittel ausgegeben werden, entspricht zwar nicht ganz genau dem, was wir uns gewünscht hatten, andererseits sind hier gute Ansätze gegeben, auch wirklich den Armen in diesen Ländern zu helfen.

Von unserer Seite aus sind in dieser Phase öffentlichkeitswirksame Aktionen wenig hilfreich. Jetzt muss die weniger auffällige Detailarbeit geleistet werden. Hier ist eine doppelte Strategie notwendig. Einerseits müssen die Zivilgesellschaften bei ihren Verhandlungen mit den Regierungen durch Sachverstand unterstützt werden. Zudem muss der Dialog mit den Fachebenen der Regierungen der G8-Länder verstärkt werden, um auch von der Seite aus entsprechend Druck auf die Regierungen der Empfängerländer auszuüben. Diesen Regierungen waren die Armen in ihren Ländern ja bisher relativ gleichgültig. Nur durch andauernden Druck und Kontrollen von außen können sie dazu gebracht werden, entsprechend umzudenken und die Mittel in ihrem Lande umzulenken.

In dieser Situation kann und wird die Katholische Kirche in Europa, ganz besonders aber auch die in Deutschland, einen ganz wichtigen Platz einnehmen. Einmal haben wir die gleiche Religion, wie die Mehrzahl der Bevölkerung in vielen der betroffenen Länder. Zum andern sind die Werke Missio, Adveniat und Misereor, die von den deutschen Katholiken getragen werden, seit langem in diesen Ländern segensreich tätig. Darüber hinaus werden durch den KAAD, dem Stipendienwerk der deutschen Bischofskonferenz, Tausende von Akademikern aus den armen Entwicklungsländern bei uns ausgebildet, die jetzt in ihren Heimatländern wichtige Funktionen haben. Somit hat sich über lange Zeit ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das unerlässlich ist, wenn solche Aktivitäten von hier aus begleitet werden sollen.

Bei dem Prozess, der jetzt in Bolivien anläuft, spielt das Bistum Hildesheim aufgrund seiner langjährigen Partnerschaftsbeziehungen eine ganz besonders wichtige Rolle.

Aloys Hüttermann

Mitglied im Diözesanrat, Sachausschuss "Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung"

 

Im letzten Jahr lag ein besonderer Schwerpunkt der Aktivitäten in unserer Pfarrei und dem Dekanat Göttingen in der Arbeit für die Aktion "Erlassjahr 2000". Es wurden bei allen Gelegenheiten Unterschriften gesammelt. Sogar auf eigenen Ständen in der Fußgängerzone wurde dafür geworben. Diese wurden dann zusammen mit den übrigen Unterschriften aus ganz Europa im Juni beim G8-Gipfel in Köln den dort versammelten Regierungschefs der wichtigsten Industrieländer überreicht.

An die Regierungen wurden die folgenden Forderungen gestellt:

1. Es sollten möglichst viele arme Länder in den Schuldennachlass einbezogen werden.

2. Die durch den Wegfall der Kapitaldienste frei gewordenen Gelder sollten für die Bekämpfung der Armut in diesen Ländern ausgegeben werden. An der Entscheidung über den Einsatz dieser Mittel sollte nicht nur die jeweilige Regierung, sondern auch die Zivilgesellschaften (Kirchen, Gewerkschaften usw.) der Länder sowie international tätige Organisationen wie etwa Misereor beteiligt werden.

Nun stellt sich sicher bei einigen die Frage: Was ist daraus geworden?

Auf dem G8-Gipfel in Köln wurden zunächst einmal die Kriterien für die Aufnahme von Ländern in das Schuldenerlassprogramm ganz wesentlich erweitert. Somit sind 30 Länder von dem Programm betroffen. Dies war zwar weniger als von uns gefordert, aber erheblich mehr als ursprünglich vorgesehen war. Die Beschlüsse von Köln sind in der Zwischenzeit auch formalrechtlich durch den Internationalen Währungsfond (IWF) und die Weltbank, also den beiden Institutionen, die sich bis zuletzt vehement dagegen gewehrt haben, abgesegnet.

Es zeichnet sich nunmehr die folgende Vorgehensweise ab:

Das betroffene Land zahlt die Mittel, die für Zinsen und Tilgung aufgewendet werden mussten, in einen Armutsbekämpfungsfond. Gleichzeitig muss das Land, unter Beteiligung der Zivilgesellschaften, eine Armutsbekämpfungsstrategie entwickeln, für deren Verwirklichung das Geld verwendet werden soll.

Bolivien, das Partnerland der Diözese Hildesheim, wurde als Modell ausgesucht. Hier soll dieses Konzept zum ersten Mal verwirklicht werden. Schon im Sommer 2000 sollen erste Ergebnisse international vorgestellt werden. Diese Eile ist natürlich begrüßenswert, es hat sich jedoch gezeigt, dass diese Entwicklung zu schnell für eine sinnvolle Mitarbeit der Zivilgesellschaften verläuft. Die Schwierigkeiten, die beide Seiten, die Regierung und die Zivilgesellschaften, im Umgang miteinander haben und die Spannungen und das gegenseitige Misstrauen beeinflussen diesen Prozess ganz erheblich.

Das erste Strategiekonzept zur Armutsbekämpfung wurde ohne Beteiligung der Zivilgesellschaften ausschließlich von der Regierung erstellt. Massive Proteste insbesondere der Kirche haben jedoch dazu geführt, dass im Mai ein nationaler Dialog stattfindet, auf dem die Armutsbekämpfungsstrategie gemeinsam entwickelt werden soll. Die Vorbereitungsarbeit der Kirche soll dabei berücksichtigt und die Kirche an der Ausarbeitung des Konzepts hinreichend beteiligt werden.

Die Kirche wurde sogar von der Regierung gebeten, bei diesem nationalen Dialog als Mitveranstalter aufzutreten. Hierzu war sie nicht bereit, da sie eine zu große Staatsnähe und Feigenblattfunktion befürchtete. Die nationalen Gewerkschaften nehmen an dem Dialog gar nicht teil, weil sie der Regierung zu sehr misstrauen. Eine direkte Beteiligung internationaler Organisationen ist im Augenblick nicht vorgesehen.

Zusammenfassend kann man ganz eindeutig festhalten, dass sich der Aufwand der Erlasskampagne gelohnt hat. Es wird, und das ist das Wichtigste, wesentlich mehr Ländern geholfen, als ursprünglich vorgesehen war. Die Art und Weise, wie nun die Mittel ausgegeben werden, entspricht zwar nicht ganz genau dem, was wir uns gewünscht hatten, andererseits sind hier gute Ansätze gegeben, auch wirklich den Armen in diesen Ländern zu helfen.

Von unserer Seite aus sind in dieser Phase öffentlichkeitswirksame Aktionen wenig hilfreich. Jetzt muss die weniger auffällige Detailarbeit geleistet werden. Hier ist eine doppelte Strategie notwendig. Einerseits müssen die Zivilgesellschaften bei ihren Verhandlungen mit den Regierungen durch Sachverstand unterstützt werden. Zudem muss der Dialog mit den Fachebenen der Regierungen der G8-Länder verstärkt werden, um auch von der Seite aus entsprechend Druck auf die Regierungen der Empfängerländer auszuüben. Diesen Regierungen waren die Armen in ihren Ländern ja bisher relativ gleichgültig. Nur durch andauernden Druck und Kontrollen von außen können sie dazu gebracht werden, entsprechend umzudenken und die Mittel in ihrem Lande umzulenken.

In dieser Situation kann und wird die Katholische Kirche in Europa, ganz besonders aber auch die in Deutschland, einen ganz wichtigen Platz einnehmen. Einmal haben wir die gleiche Religion, wie die Mehrzahl der Bevölkerung in vielen der betroffenen Länder. Zum andern sind die Werke Missio, Adveniat und Misereor, die von den deutschen Katholiken getragen werden, seit langem in diesen Ländern segensreich tätig. Darüber hinaus werden durch den KAAD, dem Stipendienwerk der deutschen Bischofskonferenz, Tausende von Akademikern aus den armen Entwicklungsländern bei uns ausgebildet, die jetzt in ihren Heimatländern wichtige Funktionen haben. Somit hat sich über lange Zeit ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das unerlässlich ist, wenn solche Aktivitäten von hier aus begleitet werden sollen.

Bei dem Prozess, der jetzt in Bolivien anläuft, spielt das Bistum Hildesheim aufgrund seiner langjährigen Partnerschaftsbeziehungen eine ganz besonders wichtige Rolle.

Aloys Hüttermann

Mitglied im Diözesanrat, Sachausschuss "Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung"

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03/2000