Edith Stein
    

   


Edith Stein lebte eine entscheidende Zeit in Göttingen.  
Gedenktafel:  Lange-Geismar-Str. 2  
 

Der Göttinger Edith-Stein-Preis  ".....würdigt über nationale, konfessionelle und religiöse Grenzen hinweg Persönlichkeiten, Gruppierungen und Institutionen, die sich durch ‚Grenzüberschreitungen´ in ihrem sozialen, politischen und gesellschaftlichen Engagement in hervorragender Weise ausgezeichnet und bewährt haben."

    
 

Bisherige Preisträger

 1995- Prof. Dr. Eduard Lohse / Göttingen

Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers (1971-1988),
Abt von Kloster Loccum (1977-2000),
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (1979-1985),
Auszeichnung für seine Bemühungen in der Ökumene.
 

1997- Prof Dr. Joop Bergsma / Hildesheim

Dechant des Dekanates Göttingen (1976-1986),
Propst und Regionaldechant von Hannover (1986-1996),
Vorsitzender der Diözesankommission zur Förderung der Ökumenischen Arbeit (1986-1997)
Auszeichnung für seinen Einsatz in der Ökumene.
 

1999- Prof Dr. Leonore Siegele-Wenschkewitz /Arnoldshain

Direktorin der Ev. Akademie Arnoldshain (1996-1999),
außerplanmäßige Professorin der J. W. Goethe-Universität Frankfurt a.M. / Fachbereich Evangelische Theologie (1997-1999),
verstorben 1999,
Auszeichnung für ihre Bemühungen um die christlich-jüdische Verständigung.

2001- Maximilian-Kolbe-Werk e. V. / Freiburg i. Brg. 

Hilfswerk für ehemalige KZ-Häftlinge und Ghetto-Überlebende,
Versöhnungsarbeit seit 1964/1973 im Verhältnis zum polnischen Volk,
inzwischen mit Ausdehnung auf weitere Länder Osteuropas,
Auszeichnung für diese Arbeit.

2003- Bruno-Hussar-Stiftung, / Sankt Augustin

Sie fördert das Lernen des friedlichen Zusammenlebens von Juden, Christen und Muslimen in dem Land, das von allen drei Religionen als „heilig“ bezeichnet wird.
Würdigung der Versöhnungsarbeit des Dominikaterpaters Bruno Hussar (1911-1996), Gründer des Friedensdorfes „Neve Shalom / Wahat al Shalom“ (Oase des Friedens).
Auszeichnung für Bemühungen um Frieden im Heiligen Land.

 

zum Text aus der Kirchenzeitung zur Edith-Stein-Preisverleihung 2001

zum Text aus den Göttinger Tageblatt zur Edith-Stein-Preisverleihung 1999


 

Edith-Stein-Preis 2001

(aus INTERNET , nur Format überarbeitet)   
Kirchenzeitung Bistum Hildesheim, Nr. 45 vom 11.11.2001

http://www.kiz-online.de/AktuelleKiZ/45-1.html

"Die letzte Gelegenheit, so etwas zu erleben"

Edith-Stein-Preis 2001 für die Versöhnungs-Arbeit des Maximilian-Kolbe-Werkes

"In Polen reden wir über unseren Alltag, über das, was jetzt ist. Hier in Deutschland reden wir über unsere Vergangenheit, unser Heilprozess ist hier. Ich habe noch schlimme Träume. Aber sie sind weicher geworden, sie verlieren immer mehr ihre Kraft." Das sagte Helena Rafalska, die von den Nazis im Frauen-KZ Ravensbrück inhaftiert worden war, als sie 1997 auf Einladung des in Freiburg ansässigen Maximilian-Kolbe-Werkes nach Deutschland gekommen war und an einer Begegnung zwischen ehemaligen Häftlingen und Deutschen teilgenommen hatte.

Seit 1964 überschreitet das Maximilian-Kolbe-Werk Grenzen: zwischen Opfern der Nazis und Menschen aus dem Täterland, zwischen Nicht-Vergessen-Können und Versöhnungsbereitschaft, zwischen Ländern wie Polen und Deutschland. Jetzt ist das "Hilfswerk für ehemalige KZ-Häftlinge im Dienste der Versöhnung", das als "Solidarität sparen" begann, in Göttingen mit dem Edith-Stein-Preis ausgezeichnet worden. Der Edith-Stein-Kreis Göttingen verleiht den Preis, der alle zwei Jahre vergeben wird, an Persönlichkeiten, Gruppen oder Institutionen, "die sich durch Grenzüberschreitungen in ihrem sozialen, politischen und gesellschaftlichen Engagement in hervorragender Weise ausgezeichnet und bewährt haben".

"Helfen, solange noch Zeit ist" steht auf einem Faltblatt des Maximilian-Kolbe-Werkes. Die Zeit für Versöhnung wird knapp, denn die ehemaligen KZ-Häftlinge werden älter, viele sind krank ­ auch, weil sie bis heute an den Folgen der Haft oder an Folgen medizinischer "Experimente" leiden, die mit ihnen gemacht wurden. Eines Tages wird es niemanden mehr geben, der das Grauen der Nazi-Ideologie selbst erlebt und überlebt hat. Der davon erzählen kann ­ als Erinnerung und als Mahnung für die Zukunft. Nicht nur die Dringlichkeit der Aufgabe wurde bei der Preis-Verleihung deutlich gemacht, sondern auch, dass die Arbeit des Hilfswerkes weiterhin nötig sein wird ­ trotz finanzieller Entschädigungen durch Regierungen und Industriebetriebe und trotz der sinkenden Zahl der Überlebenden. Denn nicht nur die Menschen, die in den Konzentrationslagern und in Ghettos eingesperrt waren, erhalten Hilfen, sondern auch ihre Angehörigen, darunter zum Beispiel behinderte Kinder.

Es sind vor allem individuelle Hilfen, die das Maximilian-Kolbe-Werk leistet; neben Geld werden auch Sach-Hilfen gegeben. Über 3000 Menschen erhalten im Jahresdurchschnitt Hilfe zwischen 300 und 1200 Mark. Allerdings gibt es allein in Polen nach Angaben des Hilfswerkes noch rund 25 000 ehemalige KZ-Häftlinge; hinzu kommen zum Beispiel Menschen in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Dorthin gehen regelmäßig Transporte mit Hilfsgütern.

Die Einzel-Hilfen sind nur ein Teil der Arbeit des Hilfswerkes. So unterhält das Maximilian-Kolbe-Werk ein Altenheim in Südpolen, finanziert Altenheim-Plätze sowie Kur-Aufenthalte und ermöglicht Pflege zu Hause. In Lodz und Krakau gibt es medizinische Zentren, die nicht nur ärztliche Hilfe vermitteln, sondern auch als Beratungsstellen und Treffpunkte dienen.

Ein Netz ehemaliger KZ-Häftlinge, die so genannten Vertrauensleute, arbeiten in Polen mit dem Hilfswerk zusammen. Sie halten unter anderem den Kontakt zu den früheren Häftlingen, informieren sie über die Arbeit des Maximilian-Kolbe-Werkes und dieses wiederum über die Nöte und Bedürfnisse der einzelnen NS-Opfer (NS steht für Nationalsozialismus).

Über 85 Millionen Mark hat das Maximilian-Kolbe-Werk seit seiner Gründung an Opfer des Nazi-Regimes bezahlt. Der derzeitige Vize-Präsident, Prälat Hellmut Puschmann, betonte bei seiner Rede in Göttingen, dass die Menschen nicht nur die Geld- oder Sach-Hilfen erhalten, sondern immer auch einen Brief des Maximilian-Kolbe-Werkes. "Ich weiß von vielen, dass sie diese Briefe oft Jahre lang aufbewahren und immer wieder lesen", sagte er.

Der persönliche Kontakt und ­ so weit möglich ­ persönliche Begegnungen sind das Herzstück der Arbeit. Seit einigen Jahren werden Begegnungen der NS-Zeitzeugen mit jungen Menschen, vor allem mit Schülern, immer wichtiger. Puschmann berichtete, dass viele der ehemaligen Häftlinge diese Begegnungen wünschen. "Sie wollen jungen Menschen deutlich machen, wie das NS-Regime funktionierte und wozu Hass führen kann."

Der Vize-Präsident zitierte auch Äußerungen von Schülern: Die Jugendlichen bewundern vor allem, dass die NS-Opfer weder Hass noch Wut zu empfinden scheinen, wie sie verzeihen können, wie stark sie zwischen der Generation der Täter und der jungen Generation unterscheiden können ­ eine Erfahrung, die auch viele andere Teilnehmer solcher Begegnungen gemacht haben. Puschmann erzählte auch, wie nachdrücklich solche Kontakte Jugendliche beeindrucken: "Es ist etwas anderes als im Fernsehen. Da siehst du zwar die schrecklichen Dinge, aber du hast eine Distanz. Wenn du mit den NS-Opfern in einem Raum bist, geht es dich etwas an." Und eine andere Stimme: "Wir haben als Letzte die Gelegenheit, so etwas zu erleben. Unsere Kinder werden das nicht mehr können. Wir müssen es ihnen erzählen."

Eine Begegnung stand auch am Anfang des Maximilian-Kolbe-Werkes: Mitglieder des deutschen Teils von Pax-Christi waren 1964 nach Auschwitz gereist, um ehemalige KZ-Häftlinge zu treffen. Deren Leben in Armut bewegte die Pax-Christi-Leute dazu, ihnen sofort finanziell zu helfen. Puschmann stellte heraus, dass dies zu einer Zeit geschah, als es keine politischen Verbindungen zu Polen gab und das Klima zwischen den Völkern von Misstrauen und Unversöhnlichkeit geprägt war. "Das Maximilian-Kolbe-Werk war sehr radikal und hat bedingungslos die Schuld auf der deutschen Seite bekundet, ohne sie gegen das Unrecht aufzurechnen, das beispielsweise den Vertriebenen widerfahren ist", so Puschmann.

Zunächst konnten die deutschen Christen in den 60er Jahren nur wenigen KZ-Opfern und ihren Familien helfen. Dann bekam das Engagement eine breitere Basis und 1973, als sich aus das politische Klima zu wandeln begann, wurde aus der Aktion "Solidarität sparen" das Maximilian-Kolbe-Werk. Gründer waren das Zentralkomitee der deutschen Katholiken sowie 13 katholische Verbände, die Propst Professor Dr. Joop Bergsma in seiner Lobrede auf den Preisträger benannte und würdigte: Pax Christi, Deutscher Caritas-Verband, Kolping, Katholische Arbeitnehmer-Bewegung, Katholische deutsche Frauengemeinschaft, Katholischer deutscher Frauenbund, Bund der deutschen Katholischen Jugend, Gemeinschaft berufstätiger katholischer Frauen, Gemeinschaft katholischer Männer, Katholischer deutscher Akademikerverband, Katholische deutsche Akademikerschaft, die deutschen Franziskaner und das Sozialwerk der Ackermann-Gemeinde.

Bergsma zog Parallelen zwischen Maximilian Kolbe und Edith Stein. Beide seien in ihrer geistigen Haltung "unglaublich radikal und konsequent gewesen". Und beide hätten an die göttliche Vorsehung für ihren Lebens- und dann für ihren Leidensweg geglaubt. Bergsma sprach über Versöhnung, zitierte die Seligpreisungen Jesu, in denen er Hinweise auf die KZ-Häftlinge und das Maximilian-Kolbe-Werk sah, sowie das Hochgebet und machte ­ auch im Blick auf das Maximilian-Kolbe-Werk klar: "Wir können lernen, wie Feindesliebe entstehen und wachsen kann. In einer Zeit des Terrors müssen wir sie neu entdecken und einüben." Bergsma betonte, dass die Arbeit des Maximilian-Kolbe-Werkes begann, "als es noch keine Anwälte gab, die Sammelklagen einreichten und dafür kräftige Honorare berechneten". Vielmehr hätten die Mitglieder in biblischem Auftrag gehandelt: "Jagt der Liebe nach, jagt dem Frieden nach."

Der Edith-Stein-Preis ist mit 10 000 Mark dotiert. Puschmann teilte mit, dass das Geld für die jährliche Weihnachtsaktion des Maximilian-Kolbe-Werkes verwendet werden solle. Alte, kranke und bettlägerige ehemalige Häftlinge werden von den Vertrauensleuten besucht. Sie erhalten ein Päckchen, in dem sich neben Dingen wie Weihnachtsgebäck ein Brief des Maximilian-Kolbe-Werkes befindet, um zu zeigen: "Wir vergessen euch nicht!".

Hildegard Mathies

Ihre Hilfe

Spenden für die Arbeit des Maximilian-Kolbe-Werkes sind möglich auf das Konto 30 34 900 bei der Darlehenskasse Münster, BLZ 400 602 65; Stichwort "Helfen, solange noch Zeit ist".

Kontakt zum Hilfswerk erfolgt unter der Adresse: Maximilian-Kolbe-Werk, Karlstraße 40, 79104 Freiburg, Telefon (07 61) 200 348, Fax (07 61) 200 596, 
e-mail: info@maximilian-kolbe-werk.de; Informationen im Internet gibt es unter der Adresse http://www.maximilian-kolbe-werk.de 

 

 

  (Text aus dem INTERNET, nur Formatierung überarbeitet)

Zwei Texte aus dem Göttinger Tageblatt vom 25.10.1999

Versagen während der NS-Zeit eingestehen

Göttingen (la). Die Theologin Prof. Leonore Siegele-Wenschkewitz hat am Sonntag den Edith-Stein-Preis 1999 erhalten. Ein angemessenes Gedenken an Edith Stein bedeute, dass die christlichen Kirchen auf jede Herabsetzung des Judentums verzichten und ihren Missionsanspruch aufgeben, sagte die Preisträgerin.

Das Verhältnis von Christen- und Judentum und kirchlicher Antisemitismus während der NS-Zeit sind Forschungsschwerpunkte der in Frankfurt lehrenden Theologin. "Antijudaismus ist Teil der christlichen Kirchengeschichte", betonte Siegele-Wenschkewitz. Ein Eingeständnis des Versagens bedeute, sich zur Erneuerung zu verpflichten. Die im Vorjahr vom Papst heilig gesprochene Edith Stein habe sich als Bindeglied zwischen Christen- und Judentum verstanden. Auch nach ihrer Konversion habe sie sich positiv mit ihrer jüdischen Tradition identifiziert. Sie könne von keiner Glaubensrichtung einseitig vereinnahmt werden.

Siegele-Wenschkewitz sei eine Frau, die "im Geiste Edith Steins der Kirche Gestalt gibt", sagte Domkapitular Prof. Joop Bergsma während seiner Laudatio in der voll besetzten Aula der Universität. Sie widme sich "so kritisch wie möglich und so solidarisch wie nötig" kirchlicher Zeitgeschichte. 

Mit ihrer Arbeit zur Rolle der Kirchen im Dritten Reich, aber auch über die Benachteiligung von Frauen in Kirche und Gesellschaft schaffe sie Voraussetzungen für verantwortungsbewusstes Handeln der Kirche, sagte der Vorsitzende des Kuratoriums, Dechant Norbert Hübner. Der Göttinger Edith-Stein-Preis wurde zum dritten Mal vergeben.

 

Grenzen überwinden

Der mit 10000 Mark dotierte Edith-Stein-Preis wird alle zwei Jahre verliehen. Er würdigt über nationale und religiöse Grenzen hinweg Persönlichkeiten und Gruppierungen, die sich durch "Grenzüberschreitungen" in ihrem sozialen, politischen und gesellschaftlichen Engagement ausgezeichnet haben. 

Der Preis pflegt das Andenken an Leben und Werk der Grenzgängerin Edith Stein: Als Tochter jüdischer Eltern 1891 in Breslau geboren, studierte sie von 1913 bis 1916 Philosophie in Göttingen und konvertierte 1922 zum Christentum. 1934 trat sie in den Kölner Karmel-Orden ein. 1942 wurde sie in Auschwitz-Birkenau ermordet.

Edith-Stein-Preisträger 1995 ist der emeritierte Landesbischof Prof. Eduard Lohse. 
1997 wurde der langjährige Dechant des Dekanates Göttingen, Joop Bergsma, mit dem Preis geehrt. 
Die Frankfurter Theologin Prof. Leonore Siegele Wenschkewitz *) ist Direktorin der Akademie Arnoldshain und forscht unter anderem über das Verhältnis von Christen- und Judentum. Das Preisgeld hat sie für osteuropäische Wissenschaftler am Tübinger Karmel bestimmt. la

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*) Frau Prof. Leonore Siegele Wenschkewitz ist im Dez. 1999 verstorben 

  weitere Webseiten:

Edith Stein

Karmel, Österreich

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 10/2003
 
   K. Wehr