Sitzend ' was bewegen:
Immer mehr Roboter lassen sich über das Netz steuern
von Thomas Wegmann

Anfangs geisterten Roboter nur durch die Literatur: Der tschechische Schriftsteller Karel Capek machte das Wort populär. In seinem Drama 'R.U.R.' von 1921 lassen sich intelligente Maschinen, sogenannte Roboter, von ihren menschlichen Erfindern zunächst prächtig herumkommandieren. Nachdem ihnen aber ein wenig Gefühl implantiert wird, proben die vermeintlichen Knechte den Aufstand gegen ihre Herren. Mit Erfolg: am Ende bleibt nur der obligatorische menschliche Held unter lauter Robotern übrig.

Mit solch einem phantastischen Gemenge aus Mensch und Maschine haben die Roboter aus den real existierenden Labors bis heute nur wenig gemein. Während Capeks Androiden noch mit menschenähnlicher Erscheinung ausgestattet waren, gibt die wissenschaftliche Robotik bei ihren Geschöpfen den Blick frei auf Greifer, Gelenke und Kabel. Ihre mechanische Herkunft versuchen sie erst gar nicht zu vertuschen. Verwechslungskomödien und -tragödien sind damit ausgeschlossen; die Grenze bleibt gewahrt, auch wenn die Roboterentwicklung längst in Generationen rechnet.

Eines aber haben fast alle Roboter gemein: Immer müssen sie arbeiten gehen, das war schon bei Capek so. Sie fristen ihr Dasein als Schweißer und Lackierer in der Automobilindustrie oder finden Verwendung in Militär, Medizin und Weltraumforschung. Und auch per Internet nehmen sie inzwischen Befehle entgegen. Der Klassiker dort heißt 'Xavier', stammt aus der Pittsburgher Carnegie-Mellon-Universität und läßt sich von jeder und jedem übers WorldWideWeb in Bewegung setzen. Immer werktags zwischen 19 und 21 Uhr (MEZ) führt er aus, was tagsüber an Wünschen eingegangen ist. Mit den Augen eines Roboters erhält man so Einblick in die Labors der amerikanischen Robotik. Vor allem aber erzählt Xavier auch Witze weiter, die ihm von der weltweiten Netzgemeinde zuvor eingegeben wurden. Das verbessert allmählich seinen Humor, denn Xavier ist ein lernfähiger Roboter. Das Internet ist dabei seine Bildungsanstalt und der User ein wichtiger Teil des Lernprozesses. Er beschäftigt, befehligt und kontrolliert ihn, so daß der Roboter zeigen kann, was er kann, nämlich zuverlässig in unterschiedlichen Situationen agieren.

Zu einer gewissen Berühmtheit brachte es im letzten Jahr auch ein Bonner Roboter. Stundenlang ließ sich Rhino von seinen Gästen via Internet durch die Außenstelle des Deutschen Museums in Bonn scheuchen, präsentierte und erläuterte je nach Wunsch diverse Ausstellungsstücke und brachte mit seinem Kameraauge die entsprechenden Bilder auf den heimischen Monitor. Derzeit kündet nur ein umfangreiches Archiv von Rhinos Aktivitäten. Doch noch in diesem Sommer, so versichert Wolfram Burgard von der Universität Bonn, wird es eine ähnliche Aktion geben, diesmal im National Museum of American History.

Auch den Fans des virtuellen Gärtnerns kann geholfen werden. Im 'Telegarden' steht ein Roboter zum Bewässern, Pflanzen oder einfachem Betrachten bereit. Der Zugang erfolgt nach dem Prinzip, wer als erster kommt, läßt zuerst gießen, was aber mitunter ganz schön dauern kann. Dafür besteht dann die Möglichkeit, mit anderen Besuchern in Kontakt zu treten und über Roboter oder Pflanzen zu fachsimpeln. Ein wenig strenger geht es hingegen an der Fachhochschule Konstanz zu. Dort kann man einen Roboter nach bestimmten Regeln unterschiedlich große Scheiben von einem Turm zum anderen stapeln lassen. Das ganze geht zurück auf die Legende vom Turm zu Hanoi, ein besonders in Mathematikerkreisen berühmt-berüchtigtes Rätsel.

Immer nur Arbeit und kein Spiel? Zumindest für die Teleroboter des hierzulande viel zu wenig bekannten kanadischen Künstlers Garnet Hertz gilt das sicher nicht. Seine Installationen kreisen oft um Maschinenkörper, die sich über das Netz steuern lassen. Dem Besucher wollen sie so Erfahrungen in der Spannung von Telepräsenz und physischen Körpern vermitteln: Ich sitze hier und bewege mich doch - wenn auch weit weg und nur als Roboter. Derzeit arbeitet Hertz an einer Zeichenmaschine, die sich gleichzeitig von vier Leuten im Netz bewegen und bedienen läßt. 'Coredump' soll demnächst ins Web gehen. Bis dahin schreiben Theorie-Appetizer schon mal vor, was man künftig erfahren soll und kann.