N E H E I M

START    •    E-Mail    •    IMPRESSUM     www.kulturserver-nrw.de
Stadtwappen Neheim,   Modifikation ©gpwd 1998-2002

was war...?

12.06.2002

Vor 50 Jahren mit 37 km/h erstmals Stadtmeister

© WRNeheim-Hüsten. Seifenkistenrennen waren der Publikumsmagnet Anfang der fünfziger Jahre. Organisiert von der WESTFÄLISCHEN RUNDSCHAU, zogen sie Tausende von Zuschauern an. Vor 50 Jahren wurde der heute 62-jährige Gerd Schulte am Steuer seiner Seifenkiste zum ersten Mal Neheim-Hüstener Stadtmeister.

"6000 Zuschauer säumten Neheim-Hüstens Avus", berichtete die Neheim-Hüstener Rundschau am 14. Juni 1952 über das 3. WR-Seifenkistenrennen in Neheim-Hüsten. Die "Avus" (Rennstrecke in Berlin) war in diesem Fall der Herdringer Weg in Hüsten. Insgesamt 48 Teilnehmer im Alter von sieben bis fünfzehn Jahren, darunter zwei Mädchen, waren als tollkühne Piloten mit ihren rasenden Kisten am Start.

Der Gesamtsieger der beiden Altersklassen hieß Gerd Schulte. Der 12-jährige aus der Friedensstraße hatte sogar die ältere Konkurrenz deklassiert und war als einziger Teilnehmer unter vierzig Sekunden geblieben. Die WR errechnete daraus eine Geschwindigkeit von 37km/h. Schulte erhielt dafür den Hauptpreis, ein Fahrrad. "Das habe ich noch lange gefahren", erinnert er sich.

Der selbständige Handelsvertreter, Inhaber der Firma OBJEKTLICHT, hat fast alles aus jener Zeit verwahrt: von der Bauanleitung der Seifenkiste über die Rennausschreibung bis zu den Schleifen der Siegerkränze. Die seinerzeit nicht unerhebliche Summe von 57,39 DM, so besagen seine handschriftlichen Aufzeichnungen (noch in etwas ungelenker Schülerschrift), hat seine erste Seifenkiste gekostet. "Das hat natürlich mein Vater bezahlt. Ich weiß gar nicht, ob ich damals schon Taschengeld bekam."

Schultes Vater erfuhr erst aus der WR, dass sein Sohn ein "kleiner Caracciola" (ein berühmter Rennfahrer jener Zeit) werden wollte. Gerd hatte sich nämlich bei der WR die Rennunterlagen geholt. "Da hat mich der Redakteur gefragt, ob ich denn schon etwas gebaut habe. Kurze Zeit später war er bei uns auf dem Hof und hat mich mit meinem Gefährt fotografiert."

Als Vater Schulte das Brett mit Lenkrad und vier Speichenrädern sah, stellte er fest: "Das geht so nicht." Über die Firma Opel Rose wurden zwei spezielle Achsen mit Rädern bezogen, die allein mit 30 Mark zu Buche schlugen. Die Schreinerei Schepp in Neheim lieferte ein stabiles Bodenbrett für 13 Mark dazu.

Zu Rennreglement gehörte auch eine Gewichtslimitierung. Komplett mit Fahrer durfte die Kiste nicht mehr als 113 Kilo wiegen. "Weil ich ein Spargeltarzan war, haben wir zusätzlich noch ein paar Blechplatten eingebaut", erinnert sich Schulte an den (zulässigen) Trick. "Und kurz vor dem Start wurden natürlich noch einmal ordentlich die Kugellager geölt."

Das zunächst für Pfingstmontag, den 2. Juni 1952 geplante Rennen wurde zwei Tage vorher abgesagt. Wegen einer Kinderlähmungsepidemie war eine Veranstaltungssperre erlassen worden. Es fand dann am 12. Juni 1952 (Fronleichnam) statt.

Stadtmeister Schulte erhielt nicht nur ein Fahrrad, er durfte einige Wochen später auch an den Bundesmeisterschaften in Duisburg teilnehmen. "Das war phantastisch", schwärmt er noch heute von seiner ersten großen Reise. Vor 20000 Zuschauern schied er allerdings schon in der Vorrunde aus. "Da habe ich hinter der Tribüne erst ´mal ge- heult", gesteht er. Der Sieger fuhr immerhin zur Weltmeisterschaft in die USA und erhielt eine Ausbildungsbeihilfe von 5000 Mark.

Mit aerodynamisch verbesserter Kiste, "vorn wie ein Schnabel hochgezogen", versuchte Schulte im Jahr darauf erneut sein Glück. Er wurde zwar wieder Stadtmeister, hatte aber in Duisburg trotz zweitbester Zeit erneut das Nachsehen. "Danach hat es die Seifenkistenrennen hier bei uns nicht mehr gegeben", begründet er das Ende seiner Rennfahrerkarriere.

Doch die Leidenschaft für den Rennsport war bei ihm geweckt. Und sie ließ ihn nicht mehr los. So wandte er sich nach dem Erwerb des Führerscheins dem Rallyesport zu. "Ich weiß gar nicht mehr, wohin mit all den Pokalen und Plaketten", berichtet er über seine sportlichen Erfolge. Im Jahre 1962 wurde er Mitglied des Automobil- und Motorradclubs (AMC) Neheim-Hüsten, 1964 auch des ADAC. Nachdem er zunächst als Sportleiter fungierte, war er von 1971 bis 1994 1. Vorsitzender des Vereins.

Und noch etwas ist aus jenen fernen Tagen bis in die Gegenwart herübergekommen: die Vorliebe für die Marke Opel, die seinerzeit die Seifenkistenrennen fachlich begleitete. "Mein Vater fuhr schon Opel", verrät Schulte, "und ich habe jetzt den neunten, nachdem ich einige Male fremdgegangen bin." Das muss im Blut liegen, denn Schultes Sohn Olaf war wohl nicht von ungefähr lange Zeit als Ingenieur in der Motorenentwicklung bei Opel tätig.

Quelle : WR-Lokalredaktion Neheim, 10.08.2002


[ oben ]


  © 2002 GERD PATER   •   gpwd@gmx.net