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was ist...?

Schmuisken

Ärger mit dem Schmuisken

Ihr Gelage feierten die Schützenbrüder in alten Zeiten im Rathaus. Dort brauten auch einige hiermit beauftragte Mitglieder unter der Aufsicht der Scheffen das Festbier. (...)

Beim Gelage trugen die Mitglieder der Bruderschaft ihre blauen Sonntagskittel aus selbstgesponnenem Leinen. Einen meist schwarzen Tuchrock trugen nur die Mitglieder des ortsansässigen Adels und nach den ersten Fabrikgründungen auch die Fabrikherren, die meist aus der Mark stammten. Bei den steigenden Bareinnahmen leisteten sich auch die "Pöhle" einen schwarzen Tuchrock, den sie ihr Leben lang als Sonntags- u. Festtagsrock trugen. Dieser wurde dann mit leichten Änderungen an die Söhne vererbt. Schwierigkeiten machte jetzt das Hemd. Früher wurde das Leinenhemd unter dem bis an den Hals geschlossenen blauen Kittel getragen.

Das ging jetzt nicht mehr, da der neue Tuchrock wie auch die zugehörige Weste vorn geöffnet waren. Zwangsläufig musste jetzt ein neumodisches Oberhemd her. Ein solches war im Handel als "Chemisette" (franz. = Hemdchen) zu haben. In der Neheimer Mundart wurde "Chemisette" zu "Schmuisken".

Es war eine verkürzte Form des heutigen Oberhemdes und bestand fast nur aus der Hemdbrust mit festem Halskragen. Das vorne zu öffnende Schmuisken wurde über den Kopf gezogen und mit zwei Leinenbändern auf dem Rücken in seiner Lage gehalten. Ein 10cm breiter Leinenstreifen umgab das kleine Oberhemd. Die Hemdbrust wurde mit Hoffmanns Stärke steif wie Brett gebügelt. Da sie einem Pferdekummet ähnlich war und ebenso über den Kopf gezogen wurde, bekam sie im Volksmund auch dessen Namen: "Hamersiel" (Hamen = Kummet, siel = Sielengeschirr).

So wie es nicht einfach war, einem Pferd das Kummet umzuhängen, so hatte auch die Männerwelt jeden Sonntagmorgen vor der Frühmesse Schwierigkeiten mit dem "Schmuisken". Von den 5 Knöpfen (Kragenknopf vorn und hinten sowie drei Zierknöpfe aus Perlmutt auf der Brust) fehlte bestimmt immer einer. Bis er seinen "Hamersiel" endlich in Ordnung hatte, brauchte der Papa eine halbe Stunde, die Anlage des Fallkragens und des schweren Schlipses nicht gerechnet.

Auf jeden Fall gab es jeden Sonntagmorgen in jedem Hause stürmische Szenen, aber die Pöhlefrauen ließen nicht locker, sie wollten doch zumindest bei den Festen einen modischen Mann präsentieren, einen "Halfhäären" (Halbherren), der mit der Zeit ging. ("Halfhääeren" ist noch heute der Neckname für Mitglieder eines Neheimer Vereins.)

Bei einem Schützenfest gab es in einem Haus im Strohdorf einen gewaltigen Spektakel, als der Papa mit seinem "Schmuisken" nicht fertig werden konnte.

Er schimpfte: "Schmuit dat verdammte Dingen wiäg, ik daue et nit mehr ümme!"

De Frau saggte: "Mann, bat söllt de Luie denken, wann Diu ohne Schmuisken in de Halle kümmest?"

De Vatter saggte: "Diäm ist licht afftehelpen, menske, hang jeden Saoterdag alle muine Schmuisken oppen Gaorentiun, dann könnt de Luie saihn, darr ek (daß ich) säss Stück häwwe!"

Nach der Jahrhundertwende wurde die Schmuiskenfrage immer einfacher. es bestand jetzt nur noch aus einer festen Hemdbrust, die unten am Hosenbund festgehalten wurde, und dann war es nur noch eine verkürzte Hemdbrust unter dem Westenausschnitt. Schließlich kam dase Oberhamd in den Gebrauch, das dann auch die losen Manschetten (Röllchen( ablöste).

Fest steht, daß es im Strohdorf kein Haus gab, in dem nicht das Schmuisken bzw. der Hamersiel den häuslichen Frieden jeden Sonntag erheblich beeeinträchtigte. Als sonntägliche Kopfbedeckung kam schon in der "Kittelzeit" eine schwarzseidene Schirmmütze in Gebrauch. Diese wurde nicht nur am Sonntag und beim Schützenfest getragen, sondern auch von anderen Vereinen (z.B. Kriegerverein) übernommen.
Noch heute ist sie die offizielle Kopfbedeckung des Neheimer Jägervereins.

Quelle:  Ca. Wi.


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