Industriegeschichte in Böhmen, Mähren und Schlesien

- Edgar Bergstein und Christian Brünig -

1. Einleitung

Die Erkundungsfahrt, über die wir im Folgenden berichten, kam auf Bitte des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Industriekultur zustande. Sie führte im April 1994 über kurze Zwischenstopps im Kali - Revier Werra, Erzgebirge, dem mittelböhmichen Buntmetallrevier bei Pribram (hierzu Kapitel 2) vor allem in die montaninstriellen Reviere von Ostrau - Kravina (hierzu Kapitel 3), Rybnik in Oberschlesien ( hierzu Kapitel 4), dem Oberschlesischen Ballungsraum (hierzu Kapitel 5) und Waldenburg(hierzu Kapitel 6) in Niederschlesien. Zweck der Fahrt konnte bei der Knappheit der Zeit nur sein, erste Eindrücke zu gewinnen, wobei der Schwerpunkt in der - naturgemäß unvollständigen - fotografischen Dokumentation sowie Gesprächen über aktuelle Projekte lag _. Die Erlebnisse am Rande sollen freilich in diesem Bericht auch nicht zu kurz kommen.

 

2. Werra - Revier, Erzgebirge und Pribram - Revier

2. 1 Werra - Revier

Am 1.4.1994 legten wir den ersten Zwischenstopp im Werra - Kali - Revier ein. Trotz der flächendeckenden Stillegungen und des strengen Regimes der Abrißbirne im thüringischen Teil werden die Halden, wenn auch im einen oder anderen Fall in vergrünter Mutation, als landschaftsprägende Denkmale erhalten bleiben (Foto 1). Die Stillegungen im ehemals ostdeutschen Teil des Reviers haben zwischenzeitlich auch zu einer Entlastung bei der Salzfracht in Werra und Weser geführt. Freilich sind dabei auch früher unter Naturschutz gestellte Werra - Wiesen mit extrem ans Salz angepaßtem Naturhaushalt gefährdet. In Heringen auf der hessischen Seite ist ein kleines Museum der Kali - Industrie im Aufbau, das u.a. einen Faltblatt - Führer durchs hessische Revier und eine Ausstellung mit SW - Fotografien einschl. Katalog  organisiert hat.

2. 2 Erzgebirge

Auf der Weiterfahrt besuchten wir kurz die früheren, nunmehr restaurierten und als Museum zugänglichen Kalköfen in Lengefeld (Erzgebirge), 40 südöstlich von Chemnitz.

In Marienberg hatten wir Gelegenheit, einen Beleg für das Aufblühen ostdeutscher Landschaften zu bewundern. Am Rand des - im Zentrum gut erhaltenen - Städtchens riesige Discounter mit begrenztem Warensortiment und jedenfalls am Ostersamstag völlig überlasteten Zu- und Abfahrten; im Ort Dauerstau. Nächster Schritt wird gewiß eine Umgehungsstraße mit landschaftsgerecht gestalteten Lärmschutzwänden sein.

Kurz vor Grenzübertritt nach Böhmen eine Begegnung mit einer allseits beliebten Vor- oder Unterform des Industrietourismus. Dampf - Sonderfahrt auf der Strecke Marienberg - Reitzenhain. Nicht nur vollbesetzter Zug, sondern Scharen von Autoverfolgern auf der unmittelbar neben den Gleisen verlaufenden Straße. Dem Vernehmen nach hat die Verkehrsministerkonferenz der Bundesländern bereits eine Kommission mit der Aufgabe betraut, die Aufnahme eines mit einem geeigneten Piktogramm versehenen Verkehrsschildes "Achtung Autoverfolger" in die StVO zu prüfen. Den Stau an der Grenze konnten wir jedenfalls zu einem Belegfoto nutzen.

Auf der böhmischen Seite, hoch im Erzgebirge und nahe dem Tourismuszentrum Fichtelberg, liegt die Ortschaft Kupferberg (Medenec), die ein historisches Zentrum des Buntmetallbergbaus ist. Geboten werden eine kleine Ausstellung mit Souvenireinkauf, Broschüren sowie Einfahrt in 220 m Teufe. Die Einfahrt zu einem Teil des Altbergbaus soll demnächst ebenfalls möglich sein. Einige Fördergerüste stehen heute noch und sind wegen verbreiteten Waldsterbens gut zu sehen. Hier wie auch an den folgenden Stationen ist uns das ausgeprägte Bewußtsein für Industrie- und speziell Bergbaugeschichte in Tschechien aufgefallen.

Im wenige km weiter westlich, in einem steil aufsteigenden Tal gelegenen Joachimsthal (Jachymov) sind ebenfalls noch einige Förderanlagen erhalten. Noch heute wird dort für die Kuranlagen Radon gefördert. Der Ort verfügt über eine Überland - Trolleybusverbindung.

Der Vermieter des Privatzimmers im nahe gelegenen Dorf bei Klasterec an der Eger begrüßte uns am Abend nach kurzem Blick auf das Autokennzeichen mit "Hallo Duisburg". Grund: ein Verwandter arbeitete einmal im Nachbarort.

2. 3 Pribram

Das nordböhmische Braunkohlen- und Kladnoer (30 km westlich von Prag) Steinkohlen- und Hüttenrevier auslassend, galt der nächste Besuch dem alten Buntmetallrevier von Pribram, 50 km südwestlich von Prag. Auch hier wurde die Geschichte in einem kleinen Museum mit beeindruckender geologischer Sammlung zugänglich gemacht (Foto 2). Es soll zu einem "Ecomuseum" weiterentwickelt werden. In der Nachkriegszeit erlangte das Revier wirtschaftliche Bedeutung durch Uran-Abbau. Fördergerüste, Aufbereitungsanlagen und Halden prägen heute die Landschaft. Der Buntmetallbergbau wurde 1981 eingestellt; bei Bohunin stehen noch Bauten und Fördergerüste dieser letzten Periode.

Auch die Stadt Kuttenberg (Kutna Hora) 100 km östlich von Prag ist geprägt durch alte bergbauliche Tradition und Reichtum (Buntmetalle und Silber). Ein Besucherstollen mit restauriertem Göpel in der Innenstadt, ein Ausstellungsraum im Museum und die spätgotische Barbarakirche mit zahlreichen Baudetails zeugen heute davon. Ein Schacht in der N@Dhe existiert nach seiner Stillegung 1986 noch.

 

3. Montanrevier Ostrau - Kravina

Im Ostrauer Revier waren wir zu Gast bei OKD, dem Ostrauer Gegenstück zur Ruhrkohle AG. Wir hatten Gelegenheit, nicht nur historische Anlagen zu besichtigen, sondern auch Kontakte zu knüpfen mit den industriehistorischen Initiativen. Besonders hervorzuheben sind hier das

3. 1 Bergbau - Museum Anselmschacht

mit einer kleinen Ausstellung von Werkzeugen, Maschinen, Fotos und Faksimiles in der früheren Direktorenvilla. Leider ist die Anlage des Anselmschachtes von Abrißarbeiten betroffen, so ist z.B. das Kesselhaus nur noch Ruine. Im Museum werden über die Ausstellung hinaus Dokumentationsarbeiten begleitet, bei der auch das

3. 2 Projekt Industrie- Ecomuseum Ostrava

beteiligt ist. Diese Dokumentation ist bis zu einem Zwischenbericht gediehen, der eine Liste der vorhandenen Anlagen mit jeweils kurzer Baubeschreibung, Grundriß, Maschinenverzeichnis incl. Farbfotos besonders bemerkenswerter Anlagen und Maschinen enthält _. Das Industriemuseum selbst soll als Ecomuseum aus 4 in situ zu erhaltenen Anlagen bestehen. Die Finanzierungsidee mit einer Kombination aus ministerieller Förderung und Spende der rechnerischen Abrißkosten in einem Fonds könnte auch Modell für andere Projekte sein. Von großem Wert für die industriegeschichtliche Forschung ist auch das 3. 3 OKD - Archiv mit einer großen Sammlung historischer Fotos, Planzeichnungen, Monographien und vor allem sehr bemühten und hilfsbereiten Mitarbeitern.

Im Revier existieren darüber hinaus viele einzigartige Denkmäler der Industriekultur; nur beispielsweise seien über die Anlagen für das Ecomuseum hinaus genannt:

3. 4 Schacht Jindrich

im Stadtzentrum Ostrau, stillgelegt und als Denkmal mit Fördergerüst und Schachthalle restauriert. Unmittelbar angrenzend auf dem früheren Zechengelände übrigens das Hotel gleichen Namens mit Gemälden aus der Arbeit im Bergbau in der Empfangshalle. 3. 5 Kompressorhalle in der Kokerei Svobada (Ostrau)

mit AEG- bzw. CKD Kompressoren aus den 40er Jahren (Foto 3).

3. 6 Grube J. Fucik

(stillgelegt), Peterwald mit 2 - Zylinder - Dampffördermaschine aus der Maschinenbaufabrik Prag - Karolinenthal von 1913 (Vorgänger von CKD). In der Nähe sehr geschlossene Siedlung aus derselben Zeit. 3. 7 Bergbaulandschaft zwischen Sucha und Karvina mit gewaltigen Klärteichen und Rohrleitungen, unterbrochen durch teils neugebaute, auf Dämmen ebenfalls aus Bergematerial verlaufenden Straßen, Halden und Bergwerken. In dieser Region liegt heute der Schwerpunkt der Abbautätigkeit, der aus dem Stadtgebiet Ostrau nach Osten gewandert ist. Gegenüber der Region zwischen Emscher und Lippe wirkt diese Landschaft konsequent und ehrlich (Foto 4). In einem der Spülfelder ragen die Spitzen der Stromleitungen noch aus dem schwarzen Sediment (Foto 5).

3. 8 Zeche Zavod bei Sucha

mit Jugendstil - Fördermaschinenhaus und elektrischer Zentrale mit Uhrturm auf Dachreiter und Siedlung.

3. 9 Siedlung bei den Zechen Frantisek und 9. Kvetem

zu beiden Seiten der Zechenbahn. Deutlich sichtbare Bergsenkungen, z.T. Häuser aus der Vorkriegszeit, z.T. auch Holzhäuser aus 40er/50er Jahren (Foto 6).

3. 10 Montanlandschaft östlich von Vitkovice

ähnlich der "moderneren" oben beschriebenen, allerdings mit historischen Anlagen, z.B. Zeche Alexander, Hütte Vitkovice, Zeche Vitkovice, Bahnanlagen.

3. 11 Zeche Odra

OKD bot uns auch eine Grubenbefahrung in der Zeche Odra, Ostrau, kurz vor der für sen Sommer 1994 geplanten Schließung. Wie üblich durfte unter Tage nicht fotografiert werden. Uns begleitete aber ein Fotograf, der ansonsten Dokumentationsarbeiten für die Grubensicherheit macht. Das von uns besuchte Flöz war für Besucher geeignet: zwar 32 Grad steil gelagert, aber immerhin 1,50 hoch ("Salonbergbau"). Zusätzlich durften wir den Streb über 150 m abwärts passieren. Temperatur in unserer Teufe von 700 m 24 Grad Celsius. Unsere Gastgeber sprachen zu Recht von "historischem Bergbau": Abbau mit Preßluft - Bohrhammer, Holzausbau, Panzerförderer und Dieselloks, Förderung mit Hunten, alle 20 m unter Tage wird ein Mann benötigt. Beim Abschlußbier erkannten wir, daß auch die Sozialräume mit durchgehend Pin - Up - tapezierten Wänden im gepflegten Vergilbungszustand, Trockenleinen an der Decke und wuchtigen Waschmaschinen den internationalen Standard einerseits repräsentieren, in ihrer Geschlossenheit andererseits übertreffen.

3. 12 Städtebauliche Situation

Die Stadt Ostrau selbst war im Süden abgeriegelt durch das Gelände von Hütte, Kokerei, Zeche und ehemaliger Maschinenbaufabrik, die schon im Stadtgebiet Vitkokivice liegen, vergleichbar vielleicht mit Essen und Krupp. Heute ist die Kokerei abgerissen. Die Folge ist ein gewaltiges Brachgelände mit ungeklärter Altlastensituation unmittelbar südlich der City - sozusagen ein vergiftetes städtebauliches Filetstück.

Bemerkenswert ist schließlich ein Bekenntnis zur Industrieromantik in einer Publikation der Stadt von 1985, von der wir noch ein Exemplar erwerben konnten. Diesr Bildband zeigt voller Stolz Plattenbausiedlungen neben Sonnenuntergängen hinter rauchenden Schloten und dampfenden Klärteichen. Einen weiteren Bildband von OKD in ähnlicher Aufmachung von 1980 konnten wir einsehen.

 

4. Revier Rybnik

Der Steinkohlenbergbau in der Wojwodschaft Kattowitz - nur wenige km nördlich des Ostrauer Reviers macht eine vergleichbare Wanderung durch, wie sie bereits für das mährische Revier beschrieben wurde. Historisch bestand das Revier aus 2 Teilen: dem nördlichen Ballungsgebiet um Sosnowitz - Kattowitz - Königshütte - Beuthen - Zabrze - Gleiwitz ( GOP ), und im Süden das Gebiet um Rybnik, ca. 50 km entfernt. In der Nachkriegszeit bis heute wandert der Bergbau aus den beiden Teilgebieten aufeinander zu, verbunden mit höheren Förderteufen. In der Region zwischen den beiden historischen Teil - Revieren sieht man heute einige neue oder im Bau befindliche Bergwerke.

Das Revier Rybnik bietet dem bergbauhistorisch Interessierten nicht nur Archtitektur und Maschinerie, z.B. in den Zechen Rymer (Römer), Anna, Rydoltowy. Vielmehr ist hier, mehr noch als in GOP, eine bergbautypische Landschaft mit klassisch kegelförmigen Halden, Siedlungen (z.T. sehr gepflegt), Bahn- und Bergbauanlagen zu sehen, vergleichbar mit Nordfrankreich und Hennegau in Wallonien. Durch Erosion, Bewuchs und Abtrag zur Verwertung der Restkohle haben die Halden sich freilich in den letzten 15 Jahren stark verändert. Ein Vergleich war uns möglich, da wir vom "Haldenexperten" Michael Cala begleitet wurden. Michael hatte bereits 1978 gemeinsam mit seinem Freund Krysztof Pilecki in einer Serie außergewöhnlicher Schwarz - Weiß - Fotos den eigenartigen, z.T. melancholischen, z.T. formal - ästhetischen Reiz dieser Landschaft eingefangen. Die DGfI beabsichtigt, einen Teil dieser Fotografien anzukaufen, um sie auch bei uns bekanntzumachen.

Highlight dieser Region sind gewiß die Halden und Zechen bei Cerwionka (Foto 7). Eine der Halden brennt und wird im Minutentakt über Loren weiter angeschüttet. Die Geräuschkulisse vom Rattern der Waggons über den Schienenweg, Abkippen und Herunterrollen des Gesteins je nach Größe bis an den Haldenfuß verbindet sich mit dem Sound der Dampffördermaschine der benachbarten Zeche Rydoltowy. In der Nähe eine neugebaute Kirche, die in ihrer Dachform die Perspektive der drei symmetrischen, kegelförmigen Halden ästhetisch wiederaufzunehmen versucht.

 

5 Oberschlesien

5. 1 Allgemeines

Der anschließende 9-tägige Aufenthalt in Oberschlesien begann in in einem für die Alltagskultur dieser Region recht typischen Ambiente. Wir übernachteten in einem Hotel auf dem Gelände des Fußball - Stadions von Ruch (=Vorwärts) Chorzow. Der Verein war mehrfach polnischer Meister und spielt auch heute in der der polnischen Liga ganz vorn mit. Während der Halbzeitpause des Spitzenspiels gegen Lodz mußten wir ins Hotel. Die Kartenabreißer und Ordner ließen uns erst nach lebhafter Diskussion ohne Tickets herein. Dafür konnten wir die 2. Halbzeit von der Hoteltoilette aus verfolgen; das Zimmerfenster bot andererseits einen unverbaubaren Blick auf Kühltürme und Huta Florian. Auch andere Hotelgäste waren interessant, etwa Adam, polnischer Fußball - Nationalspieler aus den 50er Jahren, heute in Köln lebend und jährlich ein Revival mit seinen oberschlesischen Gefährten feiernd.

Aktuell ist das Revier wie das von Rybnik von einer Stillegungs- und Abrißwelle bedroht oder schon betroffen. Dies hat etwa dazu geführt, daß in den Kernstädten des GOP keine Hochöfen mehr in Betrieb sind; sie sind konzentriert in der Huta Katowice in Dabrowa Gornicza ganz im Osten. In jüngster Zeit stillgesetzt wurden die Öfen der Friedenshütte in Ruda Sl.- Nowy Bytom sowie in Beuthen - Bobrek. Eine ähnliche Entwicklung gilt auch für die Kokereien: die Kokereien Wawel in Ruda Sl., Zabrze, Gliwice und Jawiga in Zabrze - Biskupice sind stillgelegt, letztere teilweise, und z.T. abgerissen. Möglichwerweise steht die Region am Beginn einer Entwicklung, die gleichsam im Zeitraffer die Umstrukturierung der montandustriellen Reviere in den westeuropäischen Ländern nachvollzieht. Kapital und Zeit waren aber die Ressourcen, die diesen Strukturwandel etwa im Ruhrgebiet abgefedert haben. Gleichwohl lassen sich noch heute Landschaften, Arbeitsbedingungen und technische Ausstattungen finden, die in Westeuropa fast verschwunden sind, etwa Gestellförderungen, Dampffördermaschinen und - wegen Platzmangels - Schiebebühnen auf den Grubenbahnhöfen. Viele dieser Denkmale sind akut gefährdet und werden bei Wiederholungsresien verschwunden sein.

Die ökologische Situation hat als Ergebnis der Stillegungen gegenüber bisher deutlich verbessert; bes. spürbar ist das in Bobrek. Dies gilt freilich nur für die Luftqualität; die Situaion in Boden und beim Grundwasser ist nach wie vor kritisch. Bei der Wasserversorgung ist man daher im Revier dazu übergegangen, sie durch Fernwasser aus den Beskiden durchzuführen. Zu diesem Zweck sind am Oberlauf der Weichsel große Speicherbecken gebaut worden, die die Rückhaltung für die dann folgende Aufbereitung leisten sollen. Diese Art der Wasserversorgung ist der 2. Schritt, nachdem schon kurz nach der Jahrhundertwende genossenschaftliche Versorgungssysteme mit Bezug aus dem Norden des Reviers installiert wurden.

Wir hatten die Gelegenheit insb. zu folgenden Besichtigungen:

5. 2 Huta Florian

Stabwalzwerk mit anspruchsvoller Arbeit der Umwalzer (Foto 8) sowie Siemens - Martin - Stahlwerk. 1 Ofen von früher 8 ist noch in Betrieb, ein weiterer wurde seinerzeit gerade renoviert. Im Walzwerk weitere historische Maschinen.

5. 3 Ammoniakfabrik Chorzow

Die Ammoniakfabrik im Norden von Chorzow verfügt über 6 Kompressoren in Reihe, 4 aus dem Jahr 1915, sowie je eine aus 1917 und 1928, alle von AEG (Foto 9). Stillegung und Abriß sind für Herbst 1995 geplant.

5. 4 Huta Szopenice

Höhepunkte der von Gysche gegründeten Hütte im gleichnamigen Stadtteil von Kattowitz sind die Zinkwalzanlagen mit Dampfantrieb. Die 4 Zweizylinder - Antriebsmaschinen sind beitriebsbereit (Foto 10), auf 2 Walzen wird gearbeitet. Für das Walzen ist jeweils ein Team von mindestens 2 + 2 Leuten erforderlich, die die Werkstücke mit entsprechend groß dimensionierten Zangen wechselseitig der Walze zuführen müssen (Foto 11) . Von großer Bedeutung ist auch die Sammlung historischer Glasnegative z.T. aus dem 19. Jahrhundert im Werksarchiv über das Werk und die Stadt, das gemeinsam mit dem Werksmuseum verwaltet wird.

 

5. 5 Siedlung Gyschewald

Die südlich von Kattowitz gelegene Gartenstadtsiedlung Gyschewald, benannt nach ihrem Bauherrn, entstand vor dem 1. Weltkrieg und beinhaltet eine komplette Infrastruktur mit zentraler Platzanlage, Versorgungseinrichtugungen incl. großer Gartenkneipe mit Bühne für die Musik - Kapelle. Die Siedlung wurde um 1980 teilweise abgerissen zugunsten von Großplattenbauten. Aus Kapitalmangel blieb der Rest stehen, der jetzt in einer eher herben Ästhetik von den Betonburgen umrahmt erscheint (Foto 12).

5. 6 Siedlung Fanow

Die zur Zeche Wiecorek im Südosten von Kattowitz gehörende Werkssiedlung Fanow ist städtebaulich sozusagen das Gegenstück zu Gyschewald, von der sie nur ca. 2 km entfernt liegt. Um die gleiche Zeit entstanden, repäsentiert sie das Konzept einer urban verdichteten, aber ebenfalls geschlossenen und mit allen Versorgungseinrichtungen und daher "

autarken" Stadt in der Stadt. Blockbebauung mit Tordurchfahrten, ein zentraler Platz mit Arkadengängen, Kirche und Wasserturm kennzeichnen dieses städtebauliche Ensemble (Foto 13). Wegen der einzigartigen Geschlossenheit und recht guten Erhaltungszustandes begehrt als Filmkulisse.

5. 7 Zeche und Siedlung Michowiece

Das Bergwerks Michowiece in eineiem westlichen Stadtteil von Beuthen ist ein ziemlich geschlossenes Ensemble aus den 20er Jahren in einem schon sehr funktionellen Baustil (Skelettbauten mit vorgehängen Stahlfachwerkfassaden).

Die dazugehörende und sich nördlich anschließende Siedlung besteht u.a.aus einer Vielzahl von sog. "Finnhäusern". Wie der Name andeutet, sind diese Holzhäuser aus Finnland geliefiert worden. Sie waren Bestandteil eines Aufbauprogramms des jungen polnischen Staats nach dem 2. Weltkrieg, um dem Wohnungsmangel abzuhelfen, der entstanden war durch den massenhaften Zuzug von Polen aus den östlichen Regionen, die nunmehr zu Weißrußland bzw. zur Ukraine gehörten. Verschärft wurde dieser Wohnungsmangel noch durch die Werbekampagne, die Polen in Westeuropa durchführte, um polnische Arbeitsemigranten egal welcher Auswanderergeneration, zum Aufbau der industriellen Basis des Nationalstaatszurückzugewinnen. Nach Flucht und Vertreibung der deutschstämmigen Arbeiter ergab sich ein Mangel an Fachleuten gerade im industrialisierten Oberschlesien, der naturgemäß durch die nachrückenden Ostpolen nicht aufzufangen war. Der Erfolg war dieser Aktion war freilich mäßig.

5. 8 Kraftwerk Szombierki

Das Kraftwerk Szombierki (Foto 14) im Westen der Stadt Beuthen wurde nach Angaben des Werkspersonals 1917 gebaut, zuerst als Munitionslager, Architekt der Berliner Hilgers. Die originale Maschinerie wurde nach 1945 demontiert und in die Sowjetunion gebracht, jetzt sind Skoda - Turbinen von ca. 1955 in Betrieb. Das KW läuft zur Zeit nur noch als Heizkraftwerk für die umliegenden Siedlungen. Südlich des Kraftwerks Siedlungsreste, die auch sog. "Finnhäuser" umfassen.

5. 9 Zeche Katowice

Die unmittelbar nördlich der Innenstadt gelegene Zeche beeindruckt durch ihre geschlossene, historistische Architektur in einer für den Betriebsablauf hinderlichen extremen Gemengelage. Das Grubenholz wird mühsam auf Schmalspurgleisen zwischen den Gebäuden transportiert, so daß zwischen Waggon und Wand evtl. Fußgänger keinen Platz mehr hätten. Der Schacht verfügt über Gestellförderung mit seit Jahrzehnten unveränderten Arbeitsbedingungen.

Höhepunkt der Anlage ist freilich die 2 - Zylinder - Dampf - Fördermaschine von 1892, die für Förderung noch in Betrieb ist (Foto 15).

 

5. 10 Verbundzeche Semianowice

Das Bergwerk Semianowitz förderte zur Zeit unseres Besuch 60000 Tagestonnen mit einer Belegschaft von 3000 Leuten. Ab Juni 1994 soll die Förderung auf 4500 TaTo mit 1500 - 2000 Mann reduziert werden. Abbau in steil gelagerten Flözen von ca. 1,80 bis 2 m Dicke mit Schrämmaschinen im Bruchbausystem bei einer Teufe von 320 bis 540 m. Das Verbund

- Bergwerk besteht aus folgenden Anlagen :

Richtergrube mit 2 Fördergerüsten, eines davon mit Dampf - Fördermaschine (Foto 16) und einem Förderturm sowie der Aufbereitung.

Die beiden Schächte der Grube Ficinus wurden vor 2 Jahren verfüllt. Beide Dampffördermaschinen sind erhalten, aber in schlechtem Zustand (undichtes Dach). Es handelt sich um eine Zwillings - Heißdampf - Maschine und eine Tandem - Verbund - Zweillingsmaschine. Letztere soll ins Bergbaumuseum Zabrze verbracht werden, bislang ist dies aus verschiedenen Gründen gescheitert. Die Zechenhalle im Historismus - Stil mit Barbara - Altar ist ebenfalls noch erhalten.

Die Maxgrube verfügt über drei Fördergerüste, von denen 2 in jeweils einem früheren Malakoff - Turm im Jahr 1924 bzw. 1950 eingebaut wurden. Gleichzeitig wurden die Dampffördermaschinen gegen elektrische ausgetauscht. Ein Kolbenkompressor mit 2 Kolben und Drehstrommotor sowie 3 baugleiche Kompressoren aus der Nachkriegszeit vervollstängigen das Bild.

Bemerkenswert bei diesm Besuch über die einmalige Sammlung von Denkmälern des Bergbaus die Hilfsbereitschaft und Gelduld unseres Gastgebers, der uns auch Fotos von der Gesamtanlage aus dem benachbarten Hochhaus ermöglichte.

5. 11 Zeche Pstrowski

Diese Zeche in Zabrze - Biskupice ist nach einem Bergmann benannt worden, der im Rahmen der vorerwähnten Rückkkehraktion nach dem 2. Weltkrieg aus Frankreich nach Oberschlesien umgesiedelt war. Pstrowksi lieferte eine mustergültig vorbereitete Überplanschicht zur Stimulierung des Arbeitseifers seiner Kollegen bzw. Senkung der Akkordlöhne ähnlich wie die bekannte 7 - Tonnen Schicht von Hennecke in Oelsnitz/Sachsen. Bemerkenswert hier neben den Schmalspur - Übertageanlagen und anderen architektonsichen Einzelheiten die Zechenhalle mit dem üblichen Barbaraaltar (Foto 17). Nach dem Krieg wurde die Anlage mit einem zusätzlichen Schacht und einer Aufbereitung erweitert.

Die Besichtigung dieser Anlage erfolgte übrigens in 2 Etappen: nachdem uns auf einer Nebenanlage 2 junge, dynamische Werkschützer "ertappt", als Pfand unsere Stative einbehalten hatten und mit diesen in der Hand uns zum Hauptportal vorgeradelt waren, gab es im dortigen Pförtnerhaus heftige Telefonate, die schließlich mit unserer "Befreiung" endeten, freilich ohne die gewünschte Innenbesichtigung - ein lästiger Zeitverlust also. Die holten wir einige Tage später nach, nachdem wir im Vorzimmer des Direktors vorgesprochen hatten.

5. 12 Zeche Gleiwitz

Die Zeche Gleiwitz wurde ab 1910 erbaut. Technisch und architektonisch represäntierte sie seinerzeit den "state of the art". Dies ist heute bei weitgehend erhaltenem Ensemble aus Zechen- und Fördermaschinenhaus durchaus noch spürbar (Foto 18). Die unmittelbar anschließende Kokerei befindet sich im Abriß.

5. 13 Weitere Siedlungen

Auch wenn einige Siedlungen in Oberschlesien teilweise oder ganz abgereissen sind und Plattenbauten weichen mußten, so gibt es noch eine Vielzahl, die an das Ruhrgebiet in den 50er Jahren erinnern. Dies gilt auch für das Leben dort. Auffällig für uns die Vielzahl von Kindern, die in Deutschland schon seit geraumer Zeit großenteils durch Hunde substituiert wurden; Nutz- statt Ziergärten, Hühnerhaltung, improvisierte Sport- und Spielmöglichkeiten statt architektonisch durchgestylter und vom TÜV abgenommener richtlinienkonformer Sport- und Spielplätze. Fußball wird z.B. gespielt auf Tore, die mit Kreide an Hauswände gemalt sind. Ein Hausbewohner hat diesen Sport zu unterbinden versucht durch schlichte Anlage eines Vorgärtchens vor dem Kreidetor. Ob dieser den fußballerischen Belangen wieder- und auf Dauer bestehen bleiben kann, müßte freilich auf der nächsten Forschungsreise verifiziert werden. Ausgemusterte Felgen von Kinderfahrrädern werden zu Basketballkörben folgegenutzt . Die Stallanlagen für Karnickel und Bergmannskuh befinden sich aber in Umnutzung als Kellerersatz oder Abriß; zu Garagen als Ersatzbau hat es allerdings noch nicht in vielen Fällen gereicht.

Die Lebensbedingungen sind freilich alles andere als romantisch; die vorgenannten Beobachtungen sind nichts weiter als Armutsindikatoren. Abriß und Umzug in eine Neubau - Geschoßwohnung erscheinen unter den gegebenen Fällen mithin als erstrebenswert und die Bewunderung der Siedlungen durch westeuropäische Ausländer als Spinnerei reicher Leute, die dort nicht leben müssen.

Die interessantesten Siedlungen auf unserer Fahrt waren:

- Siedlung Friedenshütte (Pokoj) neben dem inzwischen stillgesetzten Hochofen in Ruda Sl. - Nowy Bytom (Foto 19)

- Siedlung Biskupitz in Zabrze

- Siedlung Bobrek in Beuthen, die nach der Stillegung von Hochöfen und Siemens - Martin - Stahlwerk in der Nachbarschaft deutlicher ihre architektonsche Qualität zeitg

- Kolonia Zgorle an der Stadtgrenze Beuthen - Schwientochlowitz

- Ruda in Ruda Sl.

5. 14 Weitere Industrie- und Bergwerksanlagen

Da uns für weitere Besichtigungen die Zeit fehlte, seien hier nur als auf den ersten Blick bemerkenswerte Denkmäler der Industriegeschichte erwähnt:

- Kokerei Jadwiga in Zabrze - Biskupitz mit Verwaltungsbäude aus der Jahrundertwende mit Uhr auf Dachreiter, leider im Abriß begriffen

- Industrielandschaft im nördlichen Königshütte mit Hochofenresten der Hütte, der Zeche Barbara, dem Bahnhof Chorzow Stary, Gasbehältern, darunter ein ummauerter, Kraftwerk mit Kühltürmen und landschaftsprägenden Rohrleitungen - Zeche Andaluzja in Piekary Sl.- Brzeziny mit Panoramablick von westlich über die Verladung führender Straße

- Wassertürme in Bedzin (voll blechverkleidet), Kattowitz - Schopenitz ("expressionistisch"), Zabrze

- Zeche Kazimierz - Juliusz in Sosnowitz - Kazimierz, auch etwas für Freunde der Dampfloks

- Zeche Grodzies mit Panoramaweg am Grubenbahnhof entlang. Bis auf einen nachgerüsteten Förderturm stammt die Anlage aus den 20er Jahren.

- Zeche Makroszowy in Zabrze, eine großzügig angelegte Anlage aus den 20er Jahren mit 2 Doppelstrebengerüsten, deren Förderseile einen Winkel von 90 Grad bilden und Mittelpunkt eines fast symmetrischen Aufbaus bilden.

 

6 Revier Waldenburg

6. 1 Allgemeines

Das Steinkohlerevier Waldenburg ist gewiß eines der kompaktesten und daher landschaftlich beeindruckendsten in Mitteleuropa. Auf wenigen Quadratkilometer befinden sich 4 Kokereien, davon noch 2 in Betrieb, und ca. 20 Förderanlagen, davon 7 in Betrieb, Halden und Sedimentationsteiche.

Die zur Anlage Walbrzych gehörenden Absetzteiche und Halden bilden das Zentrum der Bergbaulandschaft Waldenburgs. Der Bahnhof W.- Fabricny liegt inmitten dieser so stark industriell überformten Landschaft (Foto 20). Er ist von den benachbarten Siedlungen durch schmale und z.T. wild ausgetretene Fußwege erreichbar, die sich zwischen Haldenfuß und Klärteich entlangschlängeln. Diese Wege sollen - so ein Denkmodell - die verschiedenen Teile des beabsichtigten Ecomuseums Waldenburg verbinden. Die Bahnstrecke legt im Stadtgebiet Waldenburgs zwischen dem Bahnhof W.- Miasto (=Stadt) und W.- Glowny (=Hbf.) einen Höhenunterschied von über 100 m zurück und benötigt zu diesem Zweck 2 gewaltige S - förmige Schleifen, die mitten durch das vorher beschriebene Gelände mit z. T. beeindruckenden Viadukten mit Stahlfachwerkträgern führen.

Im wesentlichen wird heute Kokskohle gefördert. Hinzu kommt ca. 30 km südöstlich der Bergbau bei Nova Ruda mit einer Halde, die das Ortsbild beherrscht und mehreren Förderanlagen.

Kehrseite diese geschlossenen Landschafts- und Siedlungsbildes ist die Monostruktur mit - abgesehen von den ökologischen - verheerenden sozialen Folgen: ca. 30 % Arbeitslosigkeit. Der Tourismus ist nicht besonders entwickelt; im Gegenteil: seit dem Brand im Kurzentrum des benachbarten Bad Salzbrunn ist auch der Strom der Kurgäste zurückgegangen. Individuell müssen die Bürger nach alternativen Erwerbsquellen suchen. Beliebt ist Saisonarbeit in Deutschland. Es besteht ein täglicher Busdienst nach allen wichtigen Regionen dort. Bahnfahrten sind zu teuer.

Die Abbaubedingungen sind bei steiler Lagerung und dünnen Flözen schwierig. Schon in sozialistischer Zeit gab es Überlegungen, die auf ein Auslaufen des Bergbaus in diesem Revier zielten. Große Hoffnung setzte man dann allerdings auf eine Restrukturierung des Bergbaus durch den gewaltigen neuen Kopernikus - Schacht, zu Abteufbeginn einer der modernsten der Welt mit einem geplanten gewaltigen Fördervolumen von ca. 20000 TaTo, der die gesamte Förderung des dann zu einem Verbund zusammengeschlossenen Reviers übernehmen und einer einheitlichen Aufbereitund zuführen sollte. Zugleich sollte der untertägige Bergbau konzentriert und durchgreifend modernisiert werden. Heute steht vom Kopernikus - Schacht eine Bauruine; 1988 wurde die Modernisierung eingestellt. Insoweit ist die Region nicht nur Opfer der objektiv schwierigen Bedingungen, sondern auch sprunghafter, zu später und halbherziger Planungen.

 

6. 2 Zeche Julia

Die Zeche Julia mit ihren 2 Fördergerüsten, Aufbereitung, Fördermaschinen hat nach dem 2. Weltkrieg bis auf den weitgehenden Abriß der zugehörigen Kokerei nur wenige architektonische Veränderungen erfahren und bildet daher für sich und einschließlich der zugehörigen Halden einen insgesamt denkmalwerten Komplex (Fotos 21, 23). In den Schächten Julia Ost und West laufen elektrische Fördermaschinen von SSW mit Leonhardt - Umformern aus dem Jahr 1927, am Schacht Sobotka aus dem Jahre 1911; lediglich die Seiltrommel wurde zur Koepescheibe umgebaut. Die schon etwas zugewachsene Halde bildet einen der besten Aussichtspunkte über das Waldenburger Revier.

6. 3 Bergbauanlage Victoria

Bereits beim ersten Blick auf Waldenburg fallen dem Besucher die gewaltigen Halden der Zeche Victoria im Süden der Stadt auf. Sie überragen einen teilweise dicht bebauten Komplex aus 4 Fördergerüsten bzw. -türmen, davon 2 noch in Betrieb, der Aufbereitung, der Kokerei und dem Kraftwerk (Foto 22). Der südliche Teil des Geländes liegt brach; auf ihm stehen etwas verloren ein Scheiben - Gasbehälter und die Bauruine des Kopernikus - Schachtes. Die elektrischen Fördermaschinen stammen aus den 20er Jahren. Die Turbinen des Kraftwerks stammen aus den 40er Jahren. Daß seit etlichen Jahren wenig in die Anlage investiert worden ist, kann man mit einem Blick auf die Arbeitsweise des Wagenumlaufs feststellen. Die Arbeiten werden mit einer Grubendiesellok durchgeführt. Die Loren, die leer vorm Schacht stehen, werden zu jeweils 15 lose über Ketten zu Zügen gekuppelt. Die Wagen werden nur in ein Ladegleis gedrückt und dort mit einem Lader mit Sand und Kies als Verfüllmaterial beladen. Da die Schaufel breiter als ein Wagen lang ist, werden zwischen die Loren Keilbleche gelegt, die verhindern, daß Matreial zwischen die Wagen fällt. Die beladenen Züge werden von der Diesellok wieder abgezogen und in das Gleis der beladenen Loren am Schacht gedrückt.

Personalaufwand: 1 Laderfahrer, 1 Lokführer, 1 Weichensteller, der auch verklemmte Loren und Schienen zurechtrückt, 1 Werkstattarbeiter, 2 Mann an den Gleisen.

6. 4 Zeche Walbrzych (Chrobry)

Die Anlage der Zeche Walbrzych umfaßt neben der Förderung mit 3 Fördergerüsten Aufbereitung und Kokerei. Die drei Fördergerüste stehen eng und im Winkel beieinander. Hier fanden wir die ersten beiden Nachkriegsfördermaschinen aus den 70er Jahren, eine davon mit Trommelförderung. Auch der Wagenumlauf in der Schachthalle wurde in den 70er Jahren modernisiert, aber heute muß auch hier viel manuell nachgeholfen werden.

Wir konnten uns von den wahrhaft historischen Arbeitsbedingungen in der Kokerei von fern überzeugen. So wurden die Klappen zwischen der schrägen Fläche, auf denen das Löschwasser verdampft, und dem Förderband zum Abtransport, von Hand bedient; die Arbeiterin dort war in den Dampfschwaden phasenweise nicht mehr zu erkennen. Die Kokereien von Viktoria und Walbrzych sind gesellschaftsrechtlich von den Bergwerken getrennt worden und sollen nach der Umstellung der Förderung auf Anthrazit von anderen Revieren beliefert werden. 6. 4 Weitere Anlagen

Stillgelegt und bereits weitgehend abgerissen ist die Förderanlage mit eingeschlossener Kokerei von Miesko. Sie liegt auf einer Anhöhe, um die sich die Bahn in einer der oben beschriebenen S - Kurven windet. Auf den heute noch stehenden Förderturm wurde nachträglich in einem betonierten Haus eine neue Fördermaschine gesetzt.

Auch die Schachtanlage Barbara im Süden Waldenburgs verfügt über Fördermaschinen aus der Vorkriegszeit, hier elektrische Maschinen von 1938 bzw. 1940 in Gebäuden und Gerüsten aus der gleichen Zeit.

Besonders beeindruckend das Fördermaschinenhaus des Jan - Schachtes im Westen der Stadt. Wände und Dach sind aus Holz.

Die Zeche Withold in Gorce von 1908, einem südwestlich gelegenen Nachbarort, verfügt über eine Besonderheit. Beim Einbau der neuen Fördermaschine (übrigens mit Trommelförderung) hat man gleich ein neues Maschinenhaus hinter das vorhandene und nun überflüssig gewordene gesetzt. Die nun in flacherer Neigung verlaufenden Förderseile laufen zunächst durch die alte Halle und verlassen diese in Richtung Fördergerüst über nachträglich angebrachte Luken im Dach.

Hier folgten wir einer spontan ausgesprochen Einladung der mit der Verwahrung beschäftigten Arbeiter zur Einfahrt unter Tage und besichtigten den Füllort sowie die elektrischen Pumpen in 300 m Teufe. Sinngemäß hieß es vor der Einfahrt auf unsere Frage nach einem Helm: ach ja, dies könne wohl nicht schaden. Im übrigen erhielten wir dort als Souvenir das handgemalte, nunmehr überflüssig gewordenen Fotografierverbotsschild vom Pförtnerhaus.

Die flächenmäßig gewaltige Anlage Ludvikovice 30 km südöstlich von Waldenburg ist weitgehend abgerissen. Reste wie der Holzplatz und der Wasserturm sind noch erkennbar.

 

6. 5 Eisenbahn

Die Eisenbahn von Waldenburg nach Nova Ruda verfügt über beeindruckende Kunstbauten wie Viadukte und Tunnel. Eine der beeindruckendsten touristischen Unternehmungen dürfte hier eine Bahnfahrt von W.- Miasto (=Stadtbahnhof) über W.-Fabricny (s.o.), W.-Glowny(Hbf) nach Nova Ruda sein. Im übrigen lohnt sich Waldenburg als touristisches Ziel auch wegen der landschaftlich sehr schönen und für Rad- und Fußtouren sehr geeigneten Umgebung. So gibt es im Süden von Waldenburg eine recht bequeme Höhenwanderung auf gut markierten Wegen, die verschiedene Auusichtspunkte aufdas Stadtgebiet erschließt.

 

7 Fazit

Die insgesamt 3 1/2 - wöchige Reise war für unsere Gesellschaft ein Erfolg über alle Erwartung. Dies nicht nur wegen der Vielzahl der besichtigten und dokumentierten Industriedenkmäler, sondern auch wegen der vielen neu gewonnener Kontakte und Erfahrungen im Umgang mit diesen Denkmälern. Der Ankauf der Fotoserie aus Rybnik, Waldenburg und Oberschlesien gehört dazu ebenso wie die Vielzahl der mitgebrachten Geschenke sowie des reichhaltigen gedruckten Informationsmaterials. Anregungen für künftige Unternehmungen gab es reichlich; sie stehen freilich auch und gerade in diesen Revieren im Wettlauf mit der Abrißbirne.

Für die Autoren waren andere Erfahrungen genauso wichtig: die Erlebnisse am Rande, die hier nur zu einem Bruchteil wiedergegeben sind, machen die Reise isgesamt unvergeßlich und so nicht wiederholbar. Bewußtsein für Industriegeschichte und Bemühen um sorgsamen Umgang mit diesen Kulturgütern waren trotz teilweise schwierigster Bedingungen immer wieder feststellbar. Interessante und fortschrittliche Ideen zur weiteren Nutzung trafen wir ähnlich häufig an. Und schließlich für uns kaum vorstellbare Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft, Offenheit und Geduld sowie Freude an unserem Interesse. So haben wir nicht nur Adressen mitgebracht, sondern auch Freundschaften.

 

Adressen : Edgar Bergstein, Altstraße 110, D - 52066 Aachen;

Christian Brünig, Am Golfplatz 30, D - 47260 Duisburg

_ Dank an dieser Stelle für engagierte Unterstützung auf dieser Fahrt. Stellvertretend für viele Erwin Siminski. Edward Becker, Adam Bebenek, Boguslaw Bobrowski, Jan Kaspercyk, Alfons Hanusik, Wilhelm Gorecki, Eufrozyna und Zygryd Piatek, AndrzejKazimierz Kmak, Szumann, Karel Ptak, Milos Matej, Pavla Bruskova, Marcela Mlcuchova, Michael Cala,

Stanislav Paluchki, Stanislav Vopasek

_ Sämtliche während dieser Reise gesammelte und hier zitierte Literatur sowie Faltblätter, Broschüren etc. sind in der Geschäftsstelle der DGfI, Emscherstraße 71, 47137 Duisburg, Telefon Q()203-426482, einsehbar. Aus Raumgründen wird nicht an jeder Reisestation eigens hierauf hingewiesen; auch werden die jeweiligen Monographien nicht im Einzelnen zitiert. Auf die Wiedergabe technischer Daten wird im Rahmen dieses Aufsatzes weitgehend verzichtet; sie sind über das DGfI - Büro abrufbar

_ Myriam Vollmershausen, Kali, Eine Industrie an der Werra, Bad Hersfeld 1993

_ Vgl. im Einzelnen den Aufsatz der beiden Projektmitarbeiter Milos Matej und Karel Ptak im kürzlich erschienenen Sonderheft der Zeitschrift "Stadtbauwelt"

_ die poln. Bezeichnung für das engere Oberschles. Revier wird im Folgenden hierfür verwandt