Fotografieren!, 
um historische Industrielandschaften zu dokumentieren

GLIEDERUNG

1. WARUM DOKUMENTATION ?

Tendenzen:

- Brachflächen,

- Entkernung,

- Neunutzung,

- Zerschneidung,

- Verschwinden von Halden

2. WARUM FOTOGRAFIE ?

kostengünstig

einfach

schnell

bildet räumliche und zeitliche Ausschnitte

standardisierbar

subjektiv

abstrahiert von anderen Sinnen

abstrahiert von Bewegung

abstrahiert von 3.Dimension

abstrahiert gegebenfalls von Farbe

manipulierbar

reproduzierbar

spurensichernd

3. PRAKTISCHE HINWEISE

Bildformat Kleinbild

geeignete Kameras

Dias als Standardmedium

Schwarz Weiß - Fotografie als Optimum

Hauptproblem technisch mangelhafte Bilder

Hauptfeind Dunst, Bekämpfung durch

- Auswahl klarer Tage

- Spezialwetterbericht nutzen

- Pol- und Rotfilter

Nebenfeind Vegetation

Nebenfeind Verzeichnung

Nebenfeind stürzende Linien

Nebenfeind schlechtes Licht

4. THESEN UND WÜNSCHE

Fotografie kein Ersatz für Erhalt

also beides tun: fotografieren und erhalten

Zeitreihen

standardisieren

Regionalvergleiche

sammeln

archivieren

Internet

 

rechtzeitig kommen !

fotografieren !

5. BUMMEL DURCH EUROPA

 

Ich gliedere mein Referat in 4 Teile. Im ersten Teil will ich einige Thesen über die Notwendigkeit der Dokumenttaion von Industrielandschaften vortragen, im zweiten über die Rolle des Mediums Fotografie dabei, im dritten einige technische Hinweise speziell für die Fotografie von Industrielandschaften geben, viertens einige Thesen und Wünsche zusammenfassend vortragen. Fünftens, wenn die Zeit reicht, anhand von einigen Dias durch einen Bummel durch Europa Lust auf die Ästhetik von Industrielandschaften vermitteln.

1. WARUM DOKUMENTATION ?

Industrielandschaft wird von mir verstanden als Landschaft, die durch Industrie und ihre Folgen sichtbar überformt ist. Also nicht nur unmittelbar durch Industrieanlagen wie Bergwerke, Tagebaue, Hochöfen, Textilfabriken besetzte Flächen; sondern auch Halden, Arbeitersiedlungen, Verkehrsanlagen, Rohrleitungen, spezifisch ausgeformte Brachflächen. Industrielandschaften sind großräumig und komplex. Sie machen die industrielle Entwicklung an vielen für sich genommen unauffälligen Einzelmerkmalen ablesbar und entwicklen sich historisch.

In den letzten 200 Jahren sind verschiedene Typen von Industrielandschaften gewachsen, von denen in den Referaten vorher schon zu hören und zu sehen war. Am auffälligsten natürlich die Montanlandschaften, die sich unabhängig von vorhandenen Siedlungsschwerpunkten entwickelt haben, aber auch die Industrietäler der Wasserkraftzeit mit Montan- und Textilindustrie sind hier zu nennen. Häfen und vielseitige Industriemetropolen mit Maschinenbau- und Elektroindustrie sind weitere Typen.

Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen ist die in vielen Referaten beschriebene Tendenz der Deindustrialisierung in Mitteleuropa. Sie führt zu einer raschen Überformung und zum Verschwinden nicht nur von industriellen Einzeldenkmälern, sondern von ganzen Landschaften, die sie geprägt haben.

Einige Tendenzen:

- Brachflächen: Stillegung von Industriebetrieben hinterlassen zunächst Brachflächen, die oft wegen Altlastenproblematik oder Standortnachteilen lange Zeit ungenutzt bleiben. Zum Teil handelt es sich um riesige Areale. Eine Spezialform nenne ich

- Entkernung: in historischen Industrietälern werden Fabriken und Bergwerke geschlossen, der Talgrund wird zur Brachfläche oder mit neuen Gewerbebetrieben, z.B. Discountern, übernutzt

- standardisierte Neunutzung als Gewerbegebiet mit riesigen eingeschossigen Produktions- oder Distributionshallen aus Profilblechwänden.

- Umgestaltung zu Park- und Grünlandschaften, z.T. mit Fragmenten der industriellen Vergangenheit als Landmarken oder Symbole.

- Verschwinden von Halden als Bergbaufolger. Entweder werden Halden abgetragen aus tatsächlichen oder vermeintlichen Gründen des Allgemeinwohls wie Strahlungs-, Brand-, Staub-, Erosions-, Grundwassergefahr, sogar aus Gründen der Landschaftsästhetik oder der bewußten Vernichtung von Erinnerung. Wenn sie andererseits keine ökologischen Schwierigkeiten enthalten, dann ist das Material als Baustoff sehr beliebt.

- Zerschneidung durch neu angelegte Verkehrswege. Nachdem Industrieregionen bereits in der Industrialisierung dem Primat industrieller und Verkehrsnutztung unterlagen und dadurch zerschnitten wurden, werden zusätzlich Schnellstraßen und Stromtrassen angelegt, die Grün- und Siedlungsflächen nur noch als fragmentierte Restflächen übriglassen.

Diese Entwicklungen gehen mehr oder weniger schnell voran, im westlichen Mitteleuropa sind sie zum Teil schon zu einem Abschluß gekommen, in Ostmittel- und Osteuropa ist das Tempo rasant.

Diese Entwicklung ist unter den Vorzeichen globalisierter Wirtschaft, extremen Unterschieden in den terms of trade etc. kaum aufzuhalten. Industriegeschichte kann keine ganzen Landschaften erhalten. Wo dies in Teilbereichen gelingt, wird der Gesamteindruck nie ganz zu retten sein. Minimum ist in diesen Fällen die Dokumentation, für die das Medium Fotografie eine ganz besondere Rolle spielt.

2. WARUM FOTOGRAFIE ?

Die Fotografie zeichnet sich als Medium durch einige Merkmale aus, die in unserem Zusammenhang wichtig sind:

Sie ist verhältnismäßig kostengünstig. Nach den Anfangsinvestitionen für Kamera, Objektive und Zubehör sind die laufenden Kosten für Film, Chemie und Prints gering. Damit ist Fotografie ein wichtiges Instrument nicht nur in der Hand von Profis, sondern auch von Amateuren.

Sie ist im Zeitalter perfektionierter automatischer Kameras technisch einfach und für praktisch jeden beherrschbar, daher keine Domäne der Professionals, sondern auch das Medium örtlicher Initiativen, eine treffliche Ergänzung zum ersten Merkmal.

Sie ist schnell. Im Wettlauf mit der Abrißbirne ist sie neben Video das schnellste Mittel, wenigstens Erinnerung zu bewahren. Die Schnelligkeit sollte genutzt werden. Bei jeder Exkursion sollte eine Kamera als Notizbuch dabei sein. Mir selbst ist von einer bemerkenswerten Kraftwerksruine in Nordfrankreich der Film gestohlen worden. Wenige Wochen später wollte ich diese Aufnahmen nacharbeiten und fand ein abgeräumtes Feld vor. Schnelligkeit bedeutet auf der anderen Seite eine Gefahr: die Sorgfalt kann leiden. Und Sorgfalt, sprich technisch einwandfreie Fotos, ist Voraussetzung, um bei Betrachtern Interesse für uns gemeinsames Anliegen zu finden.

Sie kann genau sein. Mit modernen Kameras und Filmen ist die Auflösung der Bilder so gut, daß auch Einzelheiten zu erkennen sind. Wenn man sich etwas Mühe macht - dazu unten - kann die Genauigkeit noch gesteigert werden.

Sie bildet stets Ausschnitte in räumlicher Hinsicht. So trivial dieses Merkmal zunächst klingt, erweist es sich als wichtig für eine Selektion aus der Sicht des Fotografen. Gleichzeitig öffnet sie die Möglichkeit zum Vergleich. Wie mit Ausschnitten manipuliert werden kann, zeige ich mit 2 Dias vom gleich Standort, aber unterschiedlicher Brennweite.

Sie bildet stets Momentaufnahmen auch in zeitlicher Hinsicht. Auch dies klingt zunächst trivial. Das Merkmal eröffnet aber ebenfalls Vergleichsmöglichkeiten. Bei dem dramatischen Verfall oder Wandel historischer Industrielandschaften seit spätestens den 70er Jahren in Westeuropa, dem Beginn der 90er Jahre in Mittel- und Osteuropa ist dieser zeitliche Vergleich zugleich eine absolute Notwendigkeit.

Sie ist subjektiv. Je nachdem ob sich ein Fotograf von ästhetischen oder dokumentarischen Zielen leiten läßt, ist die Gefahr einer bewußten oder unbewußten Verfälschung gegeben. Ich meine, sowohl die ästhetische(oder bewußt subjektive) als auch die dokumentarische (oder formalisierte) Herangehnsweise sind gleich legitim. Ich habe nichts gegen Fotografen, die Landschaften oder Objekte fotografieren, weil sie schön finden und dann noch im schönen Streiflicht mit ungewöhnlichen Ausschnitten ablichten. Lust an der Ästhetik ist für viele - ich schließe mich da nicht aus - Anlaß zum Engagement in unserer Branche. Aber auch der strenge Fördergerüstsammler wird von unserer Bewegung gewiß nicht verschmäht.

Sie ist gleichzeitig standardisierbar. Technisch korrekte Fotos sind unter ähnlichen Bedingungen, wie Standort, Ausschnitt, Licht, durchaus vergleichbar und erlauben die oben erwähnten Raum- und Zeitreihen.

Sie abstrahiert von Sinneseindrücken wie Geruch, Gehör, Tastsinn.

Sie abstrahiert von Bewegung; Bewegung ist nur symbolisch darstellbar z.B. durch Mitziehen oder Wischeffekte und spielt bei Landschaftsaufnahmen eine untergeordnete Rolle.

Sie abstrahiert von der dritten Dimension und bildet ihre Objekte flächenhaft ab. Die dritte Dimension läßt sich symbolisch darstellen über perspektivische Unterschiede in der Größenwahrehmung von Einzelobjekten. Besonders eindringlich kann dies mit Weitwinkelobjektiven und einem steilen Abfall der Perspektive vom überdimensionierten Vordergrund zum verkleinerten Hintergrund dargestellt werden.

Sie kann von Farbe abstrahieren.

Durch diese Abstraktionen kann einerseits Wesentliches herausgestellt werden. Sie ist aber auch ästhetische und ästhetisierende Verfremdung der Objekte und muß sich dessen bewußt sein. Sie kann schließlich aber auch Lust und Interesse an der Geschichte der Industrie und Technik durch gerade diese Ästhetik vermitteln und unsere Sache populär machen.

Sie ist technisch manipulierbar etwa durch Ausschnitt- oder Brennweitenwahl, Farb- und Belichtungsverschiebungen, Labortechniken. Im Zeitalter elektronischer Bildbearbeitung sind diese Möglichkeiten noch größer geworden. Ich halte nichts von dogmatischen Legitimitätsdiskussionen. Wenn etwa bei einer Fotoexkursion unter den Bedingungen knapper Zeit ein Farbstich nicht weggefiltert werden konnte, würde ich ihn nachträglich korrigieren. Unter den gleichen Bedingungen würde ich möglicherweise auch ein Auto, was vor einem Objekt oder schlimmer noch einer Landschaft steht, wegretuschieren.

Sie ist reproduzierbar zu günstigen Preisen. Sie haben zum Beispiel seit gestern einen Katalog zum Nulltarif in der Hand. Aber im Ernst: genau dies erlaubt uns, durch Publikation und Austausch mehr Freunde zu gewinnen, zeitlich - räumliche Vergleiche zu machen.

Sie kann schließlich Spuren festhalten. Ich will das an einem Dia aus dem nördlichen Ruhrgebiet erläutern. Man sieht dort eine Flußlandschaft mit Industriekulisse im Hintergrund. Auffällig sind die landschaftszerschneidenden und -prägenden Elektroleitungen sowie hohe Deiche am Fluß. Es handelt sich um eine Bergbaulandschaft (Folge Bergsenkungen, daher hohe Deiche) mit Kraftwerken (Folge Stromleitungen).

3. PRAKTISCHE HINWEISE

Ich möchte im dritten Teil des Referates einiges erläutern, worauf ich bei Photographien von industriellen Landschaften achte.

Als Bildformat empfehle ich das klassiche Kleinbildformat. Bei sorgfältigen gemachten Fotos reicht dies für Vorträge und Publikationen und Ausstellungen, unsere Bilder aus Walbrzych sind alle mit Kleinbildkameras gemacht.

Mit modernen Spiegelreflexkameras sind richtig belichtete und auch sonst technisch gute Fotos (Schärfe, Belichtung) kein Problem, wohl jedoch mit einem großem Teil der billigen Plastik - Sucherkameras. Sie lesen die Filmempfindlichkeit im DX-Verfahren nur grob in ganzen Blendenstufen ab und legen auf die Durchzeichnung dunkler Bildteile Wert, was bei Dias zu krasser Überbelichtung führen kann. Auch wegen der wesentlich besseren Ausschnitt- und Brennweitenwahl empfehle ich Spiegelreflexkameras. Sucherkameras als Notizblock oder auch zum unauffälligen Arbeiten etwa bei Besichtigungen, aber erst nach einem Testfilm ! Autofokus ist für uns nicht nötig, sondern eher hinderlich. Bei den meisten Landschaftsaufnahmen ist die Nah- unendlich-Einstellung (Schärfe von halber Einstellentfernung bis unendlich) sinnvoll, Ausnahmen nur bei Tele - Aufnahmen.

Als Objektive kann man heute im Allgemeinen die modernen Zoom - Objektive verwenden. Die Brennweiten sollten zwischen ca. 28 und 150 mm liegen.

Wo Industriearchitektur mit vielen geraden Linien eine Rolle spielt, sollten die verwendeten Objektive möglichst frei von Verzeichnung sein. Zoomobjektive, insbesondere mit großem Brennweitenbereich, haben dort manchmal Probleme. Wenn keine verzeichnungsfreien, dann aber sehr teure Zooms oder feste Brennweiten eingesetzt werden können, sollte zunächst getestet werden, ob dies tolerierbar ist. Ein Blick in den Sucher reicht nicht, da dieser selbst oft verzeichnet. Vielmehr sollte ein Testfilm belichtet werden mit Aufnahmen verschiedener Brennweiten und Blenden, mit geraden Linien in Quer- oder Längsrichtung in unterschiedlichem Abstand zum Bildrand (je mehr zur Mitte, desto harmloser).

Bei nahegelegenen Gebäuden ist ein Shift-Objektiv wünschenswert, leider sehr teuer bis auf ein russisches 35er Objektiv von mäßiger Qualität. Es ist aber mit vielen Kleinbildanschlüssen lieferbar. Trotzdem gilt stets der Grundsatz: Standort immer so hoch wie möglich ! Oft hilft schon ein Erdhaufen; Enthusiasten nehmen Leitern oder Hubwagen mit.

Ich fotografiere grundsätzlich zunächst Dias. Sie lassen sich schnell beurteilen, sind billig, erwecken einen nachhaltigen Eindruck bei der Projektion, sind für Publikationen gut druckfähig und für Vorträge unmittelbar verwendbar. Sie müssen genauer belichtet werden als SW- oder Farbnegabtivfilme, was mit Spiegelreflexkameras heute kein Problem ist. Ich empfehle für spezielle Fotoexkursionen Filme der Emoflindlichkeitsklasse bis 100 ASA, bei Gruppenfahrten und bei Bedarf nach schnellen Bildern modernen Filme mit 200 ASA, deren Qualität sich in den letzten Jahren deutlich verbessert hat.

Ich liebe die Schwarz - Weiß - Fotografie wegen ihrer Abstraktion und der Konzentrierung auf Formen und Grauwerte. Sie scheint mir gerade für Industrielandschaften, aber auch für Einzelobjekte, Maschinen und Details ideal zu sein. Auch hier hat sich die Qualität der Filme insgesamt deutlich verbessert. Bei Gruppenexkursionen sind Filme mit 400 ASA erste Wahl.

 

Technisch einwandfreie Bilder sind unverzichtbar für eine Präsentation, verwackelte, fehlbelichtete, auf dem Kopf stehende, schiefe Dias sind für jeden sonst noch so guten Vortrag verheerend. Maximalzahl von Dias bei Vorträgen 100, bei Überblendung 200. Dieser Gegensatz hängt mit der Ermüdung der Augen beim Hell-Dunkel-Wechsel der normalen Diaprojektion zusammen.

Bei Fotos von Industrielandschaften heißt gerade bei uns in Mitteleuropa eines der größten Probleme Dunst. Wir haben vielleicht an 20 Tagen im Jahr optimale Sichtverhältnisse - da hat Amerika es wesentlich besser. Ich empfehle zur Abhilfe:

1.Im Winter klare Frostzeiten ausnutzen sowie den Monat April, der bei Schauerwetter oft -jedenfalls zwischen den Schauern - hervorragende Sichtverhältnisse bietet.

2.Weiterhin hilft vor einer Exkursion das Abhören spezieller Wetterberichte. Solange es noch keinen "Foto-Wetterbericht" gibt, tut es auch der Ballon-, Segelflug- oder Flugwetterbericht, der Angaben über die Sichtverhältnisse enthält. Dabei sind die dort gemachten Entfernungen Erkennbarkeitsgrenzen, das heißt Grenzen, bei denen das menschliche Auge gerade noch wahrnimmt., was sich in der Ferne befindet. Fotografisch ist dies unbrauchbar und muß im Prinzip durch 5, besser 10 dividiert werden. Untergrenze für allgemeine Landschaftsaufnahmen sind demnach Sichtweiten ab 5 km, für Fernaufnahmen, also Aufnahmen mit bildwichtigen Gebäuden oder Anlagen in größerer Entfernung, ab 20 km. Diese Angaben gelten für die "dokumentarischen" Aufnahmen, die alles möglichst scharf aufs Papier bringen wollen. Wenn es auf spezielle Wirkungen ankommt, sind Ausnahmen von diesen Untergrenzen möglich. Zum Beispiel kann Dunst eine besondere Tiefenstaffelung erzeugen: Objekt im Vorder- oder Mittelgrund, Hintergrund im Dunst verschwimmend und damit für den Betrachter nur angedeutet.

3.Schließlich empfehle ich bei Farbaufnahmen einen Polarisationsfilter zu verwenden, der neben der Farbsättigung auch die Wirkung des Dunstes ein wenig reduziert. Bei Schwarz-Weiß - Aufnahmen ein Orange- oder Rotfilter. Dabei muß wegen der spektralen Empfindlichkeit der TTL-Belichtungsmessung oft die Belichtung um 1 Stufe reichlicher korrigiert werden. Dies kann man testen durch einen Vergleich der Daten des Belichtungsmessers mit und ohne Filter: ist die Differenz der beiden Mßwerte geringer als der am Filter angegebene Korrekturfaktor, muß korrigiertwerden. Verschwiegen sei nicht die Kehrseite der Filter: Verlängerungsfaktoren von 3 bis 8 bringen die Verschlußzeiten in Bereiche, wo ein Stativ unumgänglich ist. Dies ist bei geführten Besichtigungen oder Gruppenfahrten kaum möglich und verlangt doch ein gewisses Maß an Enthusiasmus.

Ein weiteres Problem heißt Sichtsperren durch Vegetation, insb. Laub und Nadeln an Bäumen. In Deutschland werden beispielsweise gern Industrieanlagen versteckt hinter Bäumen, vor allem den beliebten Hybridpappeln. Aber auch eine stillgelegte Halde wird als Fotografierstandpunkt unhandlich wegen Birkenbefalls, z.B. die Halde der Zeche Julia. Abhilfe: außerhalb der Vegetationsperiode fotografieren, die besten Monate in dieser Hinsicht sind bei uns März und April. Die Mitnahme von Äxten und Sägen empfehle trotz der Vorteile für nachfolgende Fotografen nicht, da der Aufwand, der evtl.folgende Ärger und das Gewicht der Werkzeuge die geringen Verbesserungen nicht rechtfertigen.

Bei den Lichtverhältnissen ist bei Sonnenschein der Zeitraum von bis zu 4 Stunden vor Sonnenunter- bzw. nach Sonnenaufgang tolerierbar. Dazwischen gibt es wegen Steilheit der Einstrahlung, Blaustichgefahr und kurzer Schatten große Schwierigkeiten. Dies heißt im Umkehrschluß : da es Winter nicht viel Tageszeit zwischen diesen beiden Fotozeiten gibt, ist der Winter die beste Jahreszeit. Dies bietet sich ja ohnehin schon unter den Kriterien Vegetation und Sichtverhältnisse an. Um gutes Licht zu erwischen, empfiehlt sich oft eine Erkundungstour mit guter Landkarte. Darauf sollten die Standorte markiert werden mit Angabe der optimalen Tageszeit je nach Himmelsrichtung des Ausschnitts. Bedeckter Himmel ist für die "dokumentarische" Variante der Fotografie von Industrielandschaft oft besser, aber leider in Mitteleuropa meist mit mäßiger Sicht verbunden. So optimal dies für Einzelobjekte ist, so verkürzt es doch im Wortsinn die Möglichkeiten der Landschaftsfotografie.

4. THESEN UND WÜNSCHE

Fotografie ersetzt keineswegs die Notwendigkeit der Erhaltung exemplarischer und besonderer industrieller Kulturlandschaften als Ensemble, gerade wegen ihrer Abstraktion. Reportage- , Dokumentations- und künstlerische Fotografie hat daher einen bedeutenden, wenn auch begrenzten Stellenwert.

In der Praxis heißt dies: Das eine tun : fotografieren und das andere ebenfalls tun: Industrielandschaften versuchen in ihrer Gesamtheit möglichst zu bewahren. Dabei sind vielfach Kompromisse nötig. Diese Schwächen kann die Fotografie etwas kompensieren und ist daher und nur in diesem Rahmen für uns wichtig.

Spannend wäre der Vergleich von Industrielandschaften und regionaler und zeitlicher Hinsicht. Bei letzterem beginnend: Anknüpfend an meinen Tip, auf einer guten Landkarte wichtige Fotostandorte zu markieren. Fahren Sie immer wieder dorthin, in verschiedenen Jahreszeiten, auch mal ein paar Jahre später und vergleicht die Bilder. Organisieren Sie das in örtlichen Initiativen. Archivieren Sie die Bilder ! Dies wäre gerade in den polnischen altindustriellen Regionen wichtig, da das Veränderungstempo deutlich höher ist und sein wird als in Westeuropa. Dort hatte die Deindustrialisierung 30 Jahre "Zeit", in Ostmitteleuropa wird dieser Prozeß viel schneller ablaufen. In Westeuropa ist mir bis auf eine Ausnahme nichts dergleichen bekannt. Machen Sie mithin unsere Fehler nicht noch einmal !

In regionaler Hinsicht: wenn alle oder viele der Gruppen vor Ort dies tun und sich austauschten, wären vergleichende Zusammenstellungen möglich. Mein Traum wäre ein Katalog über "europäische Industrielandschaften im zeitlichen Wandel".

Schnelligkeit und Sorgfalt müssen kein Gegensatz sein: die eine Kategorie von Fotos sind die Notiz- und Reportagefotos "aus der Hand". Innerhalb von Tagen lassen sich galeriefähige Fotos im Rahmen von "Nachtouren" machen.

Mein Traum wäre ein Netzwerk von engagierten Fotografen, egal ob Amateur oder Profi, die jeweils in ihrer Region nach den oben skizzierten Vorstellungen arbeiten und sich untereinander austauschen und gemeinsam Zielvorstellungen und Perspektiven entwickeln. Dabei stört die natürliche Subjektivität des Mediums nicht.

Schließlich: wir sollten nichts unfotografiert lassen, keine Schraube, keine Halde, keine Siedlung, keine übernutzte Brachfläche. Niemand kann von vornherein ahnen, was verschwindet und wie schnell es verschwindet. Ich habe selbst das Tempo unterschätzt und komme sehr, sehr oft zu spät.

Vielleicht haben wir in Polen und Mitteleuropa noch die Chance, wenigstens rechtzeitig zu kommen.

Fazit: Fotografieren!

Nachtrag: Digital - Kameras (29.8.99)

Vielleicht ist es noch zu früh, die Rolle der digitalen Fotografie in unserem Zusammenhang zu prognostizieren. Gleichwohl meine Meinung: Wer keinen leistungsfähigen, für Bildbearbeitung geeigneten Rechner zur Verfügung hat, sollte einstweilen auf digitale Fotografie bereits aus Kostengründen verzichten.

Im übrigen machen Digital - Kameras als elektronische Notizbücher bereits heute Sinn. Wir müssen nicht auf die Entwicklung der Blder warten, sondern können sie direkt einlesen. Die begrenzte Pixel - Zahl dieser Fotos macht für diesen Zweck keinen Nachteil aus. Um Bilder am Monitor betrachten zu können, reichen die Auflösungen der mittleren Kameras bereits aus, erst recht für das Internet. Galeriefähige Abzüge lassen sich noch nicht erreichen. Also: wenn überhaupt, dann heute doppelgleisig chemisch und digital aufnehmen.

Etwas anders sieht es aus mit der digitalen Archivierung chemischer Fotos. Damit habe ich recht gute Erfahrungen. Belegbilder für eine Foto - Datenbank oder Internet lassen sich sehr gut mit einem Filmscanner einscannen. Für diese Zwecke reicht ein preisgünstiger Scanner wie der Epson FilmScan 200 aus. Eine weitere primitive Entdeckung konnte ich machen mit elektronischen Kontaktkopien: Einfach die Filmstreifen kopfüber entweder einzeln oder in Klarsichtfolie auf den Flachbettscanner legen, eingeschaltetes Leuchtpult statt Deckel drauflegen, bei mittlerer (Betrachtung am Monitor oder Einscannen mit Klarfolie) bis guter (Ausdruck) Auflösung einscannen. Die Einstellung der Parameter mit Vorschau und Test ist kein Problem. Die Qualität ist allemal ausreichend, um die Vergrößerungsfähigkeit zu beurteilen oder für Archivzwecke u beurteilen, "was drauf ist". Mit Dias funktioniert dies auch. Bei gerahmten Dias kann man anschließend in allen gängigen Bildbearbeitungsprogarmmen durch Verschieben von Ausschnitten den immensen Leerraum, der durch die Rahmen verursacht ist, reduzieren.

Kurzum: (Guter Rechner) und (Archivieren oder Internet oder Monitor)  = OK, in allen anderen Fällen abwarten.

© Christian Brünig                                                                                                                        Stand: 17.12.2003   Dank an