Schola | Gregorianik | Termine | Kontakt

11. Mai 2003, Stift Fischbeck

Deister-Weser-Zeitung vom 19.5.03:

Dialog über Glauben, Leben und den Tod
„Cantando praedicare“ begeisterte 200 Gäste

Von Anja Piel

Fischbeck. Die etwa 200 Gäste mussten in den Bänken der Stiftskirche eng zusammenrücken, denn die Göttinger Choralschola "Cantando praedicare" hatte nicht nur Gregorianikbegeisterte aus Hameln in Scharen, sondern auch aus Hannover und Bielefeld angelockt. Es hatte etwas von einer Zeitreise zurück in die Vergangenheit.

Eine Frau und sieben Männer unter der Leitung von Johanna Grüger entführten die Zuhörerinnen und Zuhörer mit ihren schönen Stimmen in das 8. Jahrhundert, die früheste Schaffensperiode des Gregorianischen Chorals. Bereits mit dem ersten Gesang wurde das Thema des Abends offenbar: „Urbs beata Jerusalem“, du selige Stätte Jerusalem, und gemeinsam schufen die Sängerinnen und Sänger in der architektonisch ebenso eindrucksvollen wie akustisch passenden Stiftskirche eine Atmosphäre, in der man mit geschlossenen Augen nicht nur die Dächer Jerusalems sah, sondern auch die Pilger in den Straßen entdecken konnte. Die Texte aus dem 125. und dem 122. Psalm beschrieben nicht nur die Stadt, sondern auch die Hoffnungen, die Gläubige mit dieser Stadt verknüpften und ihren tiefen Wunsch, in den Mauern dieser Stadt Frieden zu finden.

Mit dem ersten Teil des Hymnus zum Kirchweihfest wechselte die Stimmung - eben noch hoffend, bittend und flehend sang der Chor jetzt nicht nur von der Schönheit der Stadt, sondern bekundete froh und innig zugleich Gott Ehre und Ruhm, und diese Lobpreisung konnte auch ohne Kenntnis der lateinischen Urtexte begriffen und verstanden werden. Der gemischte Chor der Schola mit den kraftvollen Ober- und Unterstimmen verstand es brillant, mit großer erzählerischer Qualität die alten Gesänge vorzutragen. Virtuos und einfühlsam vermittelten die Sängerinnen und Sänger die Klage Jerusalems während der Gefangenschaft, die Melancholie der Gläubigen und dann auch wieder wie im Responsorium aus den Vigilien des zweiten Adventsonntages die warme Zuversicht im Hinblick auf das nahe Ende der Leiden. Einzelvorträge und Chorgesang ergaben einen Dialog über Glauben, Leben und Tod, der mehr als einmal eine Gänsehaut verursachte. Zeitgemäß und eindringlich der Friedenswunsch für Jerusalem; dieser hat - damalswie heute - nichts von seiner Aktualität eingebüßt.

Im zweiten Teil gab es gut gesetzte und ausgewählte Textvorträge und in der Graduale vom Mittwoch nach dem dritten Adventssonntag, der Einzug in die Stadt, lautmalerisch hervorragend vorgetragen. Ein gemeinsames Gebet, und mit dem zweiten Teil des Hymnus zum Kirchweihfest, kraftvoll, festlich und wie ein gesungener Segen wurden die Zuhörer entlassen.